Leserbriefe zum Artikel: „Kein Platz für antisemitischen Boycott, Divestment and Sanction (BDS)-Bewegung in Mannheim“
Leserbriefe zum Artikel: „Kein Platz für antisemitischen Boycott, Divestment and Sanction (BDS)-Bewegung in Mannheim“ in der Reihenfolge der Zuschriften. Die Redaktion behält sich vor, Lesereinsendungen nur auszugsweise oder nicht zu veröffentlichen. Auszug aus der Selbstdarstellung des KIM:
Das Kommunalinfo steht der Mannheimer Linken zur Mitarbeit offen. Texte können eingesendet werden, über eine Veröffentlichung entscheidet der AK Kommunalinfo. Veröffentlichte Texte geben nicht zwangsläufig die Meinung des AK Kommunalinfo wieder, im Gegenteil ist eine vielfältige Diskussion erwünscht.
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Leserbrief zu: „Kein Platz für antisemitischen Boycott, Divestment and Sanction (BDS)-Bewegung in Mannheim“
von Johannes Hauber, 16. Januar 2019
Im letzten Kommunalinfo berichtet der Stadtrat Th. Trüper, dass Die Linke Mannheim gemeinsam mit CDU, SPD, FDP, Grüne einen Antrag zu einer Stellungnahme gegen die internationale Kampagne Boycott, Divestment, Sanction ((BDS) in den Gemeinderat einbrachte, in der diese als antisemitisch angeprangert wird. Die BDS-Kampagne wurde 2005 gegründet und wird inzwischen in vielen Ländern
unterstützt. Sie lehnt sich an die Boykott-Kampagne gegen Südafrika und deren Apartheit-Regierung an. Mit der BDS-Kampagne soll ökonomischer und politischer Druck auf den israelischen „Apartheit-Staat“ (Sigmar Gabriel März/2012) ausgeübt werden, „um eine friedliche Umwandlung eines Unrechtstaats in einen demokratischen Rechtsstaat“ (Abraham Melzer) möglich zu machen.
Die gemeinsame Erklärung tabuisiert die Lage der palästinensischen Bevölkerung in Westjordanland und im „Megagefängnis“ Gaza [Ilan Pappe] und untergräbt die Kritik israelischer Linker an der israelischen Regierung.
Offensichtlich ist der Partei Die Linke Mannheim das Wohlwollen der bürgerlichen Parteien wichtiger ist als die Solidarität mit den Palästinensern. Mit der Diffamierung der Unterstützer*innen der BDS- Kampagne verwickelt sich der Linke-Stadtrat Th. Trüper in Widersprüche, wenn er sich auf den offenen Brief israelischer Wissenschaftler und Kulturschaffenden beruft. Die BDS-Kampagne wird auch von zahlreichen israelischen und jüdischen Wissenschaftlern und Kulturschaffenden in vielen Ländern unterstützt. In einem Offenen Brief israelischer und jüdischer Kulturschaffender in Berlin vom 26. Oktober 2018 heißt es: „wir stellen aber fest, dass die Diskussion über diese Begriffe (Boycott, Divestment, Sanction) und die Argumente der BDS-Bewegung, legitime Bestandteile einer öffentlichen Debatte über die politische Situation in Israel- Palästina sind.“ Es gehört eine ordentliche Portion Dreistigkeit dazu, wenn die Kinder der deutschen Tätergeneration israelkritische Kinder der Shoa-Überlebenden als Antisemiten beschimpfen.
Der Völkerrechtlicher Norman Paech MdB Die Linke beurteilt die Kampagne »Boykott, Divestment and Sanctions« (BDS) gegen Israel als legitim, sie sei nicht gegen das jüdische Volk gerichtet, »sondern ausschließlich gegen eine kriminelle Politik der israelischen Regierung«…” TH. T. schreibt im KIM von einem Friedensprozess. Es ist unklar, was er damit meint. Die israelischen Regierungen verfolgen eine Hinhaltetaktik mit dem Ziel das Westjordanland vollständig zu annektieren. Die Kolonisierung des Westjordanlandes durch israelische Siedler hat heute eine Zwei-Staatenlösung
unmöglich gemacht. „Dass Israel den Frieden – trotz aller lippenbekenntnishafter Friedensrhetorik – nicht will, zeigt sich darin, dass alle seine Regierungen seit 1967 vieles darangesetzt haben, die Erhaltung seiner unabdingbaren Voraussetzungen durch massiven Siedlungsbau und zunehmende Ideologisierung des Siedlungswerkes zu vereiteln“ (Moshe Zuckermann).
Das palästinensische Alltagsleben ist geprägt von „scharfer Beschränkung der Bewegungsfreiheit, häufiger Kollektivbestrafung, Verhaftung ohne Prozess, permanente Demütigung an unzähligen Kontrollpunkten, … Häuserzerstörung, .. Folterungen, …, Ausreißen ihrer Bäume, der Zerstörung ihrer Ernten und der wahllosen Beschießung ihrer Häuser und Fahrzeuge“ (Ilan Pape). Shir Hever, israelischer Staatsbürger wie Pappe und Zuckermann schreibt, der israelische Staat „verhinderte, dass die Palästinenser eine lokale Industrie entwickelten. Der Lebensstandard der palästinensischen Bevölkerung sank in den Jahren der Osloer Prozesse um 30 bis 40 Prozent.“ Moshe Zuckermann beschreibt die Situation als „eine über ein halbes Jahrhundert währende, brutale Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung im Westjordanland durch israelische Streitkräfte, durch den sich an palästinensisches Privateigentum wüst vergreifenden Siedlerterror, durch Landraub, Wasserentzug, Apartheitspraxis und von der hohen israelischen Politik abgesegnete, menschenrechtswidrige Schikane“.
Am 19. Juli 2018 hat das israelische Parlament das Nationalitätengesetz verabschiedet, womit Israel zum jüdischen Nationalstaat erklärt wird und Arabisch seinen Status als zweite Amtssprache verliert. Es „offenbart ganz unverhohlen und staatsoffiziell, dass Israel nicht nur längst schon Praktiken eines Apartheitstaates betreibt, sondern offenbar auch gesetzlich verankert und proklamiert betreiben möchte“ (Moshe Zuckermann). Der Vertreter der Organisation „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e. V. Abraham Melzer schreibt im Vorwort des Buches BDS Gewaltloser Kampf gegen Israelapartheit: „Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker! Diese wundervolle Bemerkung von Che Guevara fällt mir bei der aktuellen Debatte um den Nahost-Konflikt ein. Wir von der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost wollen unsere Solidarität mit dem palästinensischen Volk zeigen und dafür werben.“
Johannes Hauber
Offener Leserbrief zur Resolution des Mannheimer Gemeinderats, Artikel im Kommunalinfo Nr.1 /19
von Eleonore Dalkner , Ernst Heckmann, Waltraud Hutter u.a., 17. Januar 2019
Mit Unverständnis haben wir die Zustimmung der Linken Gemeinderatsfraktion zur Resolution über die BDS Bewegung zur Kenntnis genommen.
Über Boykott- oder Sanktionsmaßnahmen als Mittel der Politik ( wie es ja durchaus auch westliche Staaten anwenden) sollte man sich auseinandersetzen, ja muss man sich streiten. Ob dies ein geeignetes Mittel gegen -völkerrechtswidrige Politik ist, kann durchaus auch bezweifelt werden.
Die internationale gewaltfreie BDS-Kampagne aber als rassistisch oder antisemitisch zu bezeichnen halten wir für falsch. Auf diese Weise wird die Chance über die undemokratische, völkerrechtswidrige Politik der israelischen Regierung
(wie z.B. die Besiedlung besetzter Gebiete, verschiedenste Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten, willkürliche Schließung von Häfen und Grenzen zu GAZA etc.) und mögliche geeignete politische Maßnahmen dagegen von vornherein mit der Bezeichnung „antisemitisch“ und rassistisch im Keim erstickt.
Gerade die LINKE , die sich als internationalistische Partei versteht, sollte sich nicht von der geltenden Staatsräson leiten lassen, die im Israel-Palästina Konflikt israelischer Politik Priorität einräumt.
Inspiriert vom Kampf der Südafrikaner gegen Apartheit wurde im Juli 2005 von der palästinensischen Zivilbevölkerung die BDS Kampagne ins Leben gerufen und von 170 Gruppen unterstützt. Mittlerweile haben sich in vielen Ländern der Kampagne verschiedenste Organisationen, auch jüdische Gruppen und Einzelpersonen angeschlossen.
Die gewaltlosen Maßnahmen sollen so lange aufrechterhalten werden, bis der Staat Israel seinen Verpflichtungen gemäß internationalem Recht nachkommt wie in zahlreichen UN-Resolutionen gefordert.
Ziele dieser Bewegung sind:
1. „Beendigung der Besatzung und Kolonialisierung des 1967 besetzten arabischen Landes und Niederreißen der Mauer.
2. Anerkennung der Grundrechte der arabisch-palästinensischen Bürger*innen Israels auf vollständige Gleichberechtigung.
3. Achtung, Wahrung und Unterstützung des Rechts der palästinensischen Flüchtlinge, wie in UN-Resolution 194 festgelegt, auf Rückkehr zu ihren Wohnstätten und Schadensersatz bei Verlust oder Beschädigung ihres Eigentums oder auf Entschädigung für den Fall, dass sie nicht zurückkehren wollen „
Siehe:http:/bds-kampagne.de/aufruf/deutschlandweiter-bds-aufruf/
Die berechtigten Forderungen richten sich offensichtlich gegen die völkerrechtswidrige Politik Israels und in keiner Weise gegen Juden.
Der Verweis auf den Aufruf im Nationalsozialismus „kauft nicht bei Juden“ ist in diesem Zusammenhang falsch. Das faschistische Regime richtete sich rassistisch begründet gegen die jüdische Bevölkerung. Eine Boykottforderung richtet sich gegen die Politik einer Regierung.
Das im Juli 2018 ,gegen die Stimmen der Opposition verabschiedete „Nationalgesetz“ verschärft die Diskriminierung von ca. 20% der israelischen Bevölkerung (Palästinenser, Drusen) : „Nationalstaat für das jüdische Volk“ schreibt z.B. hebräisch als Sprache fest, arabisch bekommt einen Sonderstatus, nichtjüdische Bürger*innen können kein Land kaufen etc.
Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Nationalstaatsgesetz_(Israel)
Dies ist der Weg zu einem Apartheitsstaat.
Gerade als deutsche Antifaschisten gilt es, wie es die Mannheimer Erklärung benennt, gegen „Hass, Gewalt und Ausgrenzung“ zu handeln. In historischer Verantwortung und als Freunde der israelischen Bevölkerung muss die Politik der israelischen Regierung kritisiert werden. Wir sollten offen sein für alle Maßnahmen, die geeignet sind eine völkerrechtswidrige und menschenrechtswidrige Politik zu beenden.
Eleonore Dalkner , Ernst Heckmann, Waltraud Hutter u.a.
Eine unangefragte Antwort auf den Leserbrief von Johannes Hauber im KIM vom 16. Januar 2019
von Achard Rieus, 21. Januar 2019
Hier ist nicht der Platz, en detail den antisemitischen Charakter der BDS-Kampagne aufzuzeigen und eine entsprechende Kritik zu formulieren, die deutlich über die vom Gemeinderat verabschiedete Erklärung hinaus zu gehen hätte. Eine solche Kritik wurde an einigen Stellen teils bereits geleistet, so dass sich bei Interesse beim International Institute for Education on Research on Antisemitism (Link: https://iibsa.org/wp-content/uploads/2018/11/Die-antisemitische-Boykottkampagne-BDS-Eine-Handreichung_IIBSA.pdf.pdf ), bei der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (Link: https://www.deutsch-israelische-gesellschaft.de/mediafile/DIG_Boykott_gegen_Israel.pdf ) oder der Amadeu Antonio Stiftung (Link: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/aktionswochen/paedagogischer-umgang-mit-israelbezogenem-antisemitismus.pdf , S. 22ff.) eingehender mit ihr beschäftigt werden kann. Wer sich wiederum lieber in Form eines Vortrags und anschließender Diskussion zur BDS-Kampagne informieren möchte, kann dies am 7. Februar um 19 Uhr im Jugendkulturzentrum FORUM tun: Der Arbeitskreis gegen Antisemitismus und Antizionismus Mannheim lädt den Politikwissenschaftlicher Sebastian Mohr zum Thema ‚Boykott des Friedens – Zur Aktualität der Israel-Boykott-Kampagne‘ ein.
Stattdessen soll sich hier daher auf die ‚Argumente‘ Haubers (Mannheimer IGM-Aktivist und Vorsitzender des Europäischen Betriebsrats von Bombardier) beschränkt werden. In seinem Leserbrief gewährt er uns einen Einblick in seinen Bücherschrank, aus dem er reichlich zitiert. Sigmar Gabriels einstiger Vorwurf gegenüber Israel („Apartheitsstaat“) und das BDS-Bild Norman Paechs – ‚Friedensaktivist‘ der Linkspartei, nach dessen Einschätzung Israel im Libanon einen „unzulässigen Vernichtungskrieg“ führte, der an die „unseligen Vergeltungsbefehle der deutschen Wehrmacht erinnert“ – werden folgerichtig in eine Reihe gestellt mit den immer gleichen jüdischen Kronzeugen des Antizionismus. Mit dem Verweis auf ihren jüdischen Hintergrund und ihre Wissenschaftlichkeit – sie sind Historiker und Soziologen – holt er nicht nur einen alten Taschenspielertrick aus der Mottenkiste, sie dienen ihm sogleich als Autoritätsargument (was sonst unter ‚Neuen Linken‘ übrigens eher misstrauisch beäugt wird). Seit Jahren hetzen Haubers Autoritäten gegen Juden, jüdische Organisationen und pauschal gegen Israel – ganz so, wie es auch die von ihm verteidigte BDS-Kampagne tut. So bezeichnete Abraham Melzer beispielsweise Charlotte Knobloch, die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde Münchens, als „jüdischen Clown“, die ihre „Befehle womöglich direkt vom Chef“ empfange, womit hier recht offensichtlich im Sinne der jüdischen Weltverschwörung Israel und die USA gemeint sein dürften. Der Verschwörungsideologie verlieh Melzer mit dem Ausdruck der „zionistischen Mafia“ Nachdruck. Moishe Zuckermann, der wiederum auch schon dem Verschwörungsideologen Ken Jebsen ein Interview gab, ist dafür bekannt, die gegenwärtige Lage der Palästinenser_innen mit jener der Juden in den Ghettos und Lagern gleichzusetzen und dabei ihren märtyrerhaften Terrorismus als Widerstand umzudeuten. Ilan Pappe steht wiederum Zuckermann in Sachen Holocaustrelativierung in nichts nach, wenn er im Zuge des Israelischen Unabhängigkeitskriegs von einer „ethnischen Säuberung Palästinas“ spricht – ein Jargon, der im deutschen, eher akademischen Kontext als Beschreibung für das von Juden gereinigte Dritte Reich stand. Wohl wissend, dass der sonst von wahnhaften Antisemit_innen so gern gebrauchte Ausdruck des ‚Freiluft-KZs Gaza‘ in der außerparlamentarischen Linken inzwischen nicht mehr ganz so gut ankommt, zitiert Hauber stattdessen lieber Pappe’s Formulierung vom „Mega-Gefängnis“. Dieser zwar verschobene Signifikant kodiert dennoch das gleiche Signifikat, nämlich die ghettoisierten bzw. konzentrierten Palästinenser_innen.
Wie wenig Ahnung Hauber dabei von innerisraelischen Debatten hat, stellt er allein dadurch unter Beweis, dass er die Auswürfe Pappes und Zuckermanns generalisierend als die scheinbar zentrale „Kritik israelischer Linker an der israelischen Regierung“ bezeichnet. Dadurch blendet Hauber die prozionistischen und gewerkschaftsnahen Linken innerhalb Israels aus seinem Verständnis von ‚links‘ aus. Hier scheint sich bei Hauber ein eigenes identitäres Bedürfnis nach Homogenisierung der Linken und ein autoritäres Verlangen bahn zu brechen, nicht nur die israelische Bevölkerung maßregeln zu wollen, sondern eben auch Linke, die das Existenzrecht und die Autonomie Israels anerkennen. Solche Muster sind spätestens seit den 1980er Jahren unter Linken bekannt. Dan Diner spricht beispielsweise in Anlehnung an psychoanalytisches Vokabular von der Verdrängung der Schuldlast bei den Nachfahren der Täter_innengeneration. Er verwendet das Motiv des Wiederholungszwangs und der intergenerationalen Weitergabe von Angstgefühl und Bestrafungserwartung, die mit zunehmender Distanz zum Holocaust eben nicht abflaut, sondern die „negative Symbiose“ von Deutschen und Juden sogar noch „konfliktträchtiger“ macht. Haubers Auslassungen scheinen Diner noch heute Recht zu geben.
Haubers ideologische Verblendung in Bezug auf die BDS-Kampagne wird nur allzu deutlich, wenn man ins Detail geht. Als Gewerkschaftsvertreter und Betriebsratsvorsitzender müsste er eigentlich an den ureigenen Interessen der Arbeitnehmer_innen – ihren Abhängigkeitsverhältnissen und Arbeitsbedingungen – ansetzen und von hier aus seine Kritik entfalten. Dass dem nicht so ist, lässt sich am Beispiel des israelischen Unternehmens ‚SodaStream‘ erkennen, das aufgrund einer aggressiven BDS-Kampagne sein Hauptwerk in der Israelischen Siedlung Mishur Adumim im Westjordanland schloss, wodurch dort rund 500 palästinensische Angestellte gegen ihren ausdrücklichen Willen ihre Arbeitsplätze verloren. Die SodaStream-Geschäftsführung, die auch unter den Palästinenser_innen für ihre guten Arbeitsbedingungen bekannt ist, eröffnete im Negev ihr neues Werk und übte scharfe Kritik an der Israelischen Regierung, da diese mit den rechtlichen Bestimmungen für Arbeitsgenehmigungen von Palästinenser_innen ihre Weiterbeschäftigung erschwerte. Nach von SodaStream gewonnenem Rechtsstreit konnten zumindest 74 ehemalige palästinensische Angestellte trotz ihres nun immensen Anfahrtswegs wieder eingestellt werden. Dies ist nur eines von vielen Beispielen, wo es palästinensischen Arbeitnehmer_innen besser unter den rechtsstaatlich gesicherten Arbeitsverhältnissen in Israel geht als unter den deutlich korrupteren Bedingungen in den palästinensischen Gebieten. Am SodaStream-Beispiel wird ersichtlich, wie viel Substanz im Gerede vom „gewaltlosen Kampf gegen Israelapartheit“ und der darin enthaltenen Herrschaftskritik steckt – sie ist kaum mehr als ideologische Mythenbildung. Die BDS-Kampagne gibt nur vor, die humanitäre Lage in den palästinensischen Gebieten verbessern zu wollen, in Wahrheit ist sie, mit Jutta Ditfurth gesprochen, „der diplomatische Arm der Hamas“, der jede Hoffnung auf einen israelisch-palästinensischen Dialog verunmöglicht. Außerdem zeigt sich, dass die konkrete Kritik an einzelnen Verfügungen der israelischen Regierung noch längst kein Antisemitismus sein muss, sie gehört in einer Demokratie (wie etwa in Israel) zum Alltagsgeschäft. Der präventive Abwehrreflex, wie er sich auch an Trüpers Erklärung zur BDS-Gemeinderatsresolution andeutet, und die Vehemenz, mit der häufig behauptet wird, man dürfe Israel nicht kritisieren, verrät allerdings mehr über die ‚Kritiker_innen‘ als über die Sache selbst: Israel erlebt im globalen Maßstab als ‚Jude unter den Staaten‘ mit Abstand die meisten Anfeindungen: Über ¾ aller UN-Resolutionen der letzten Jahre richteten sich gegen Israel und auch sogar Israels Arbeitspartei verließ die Sozialistische Internationale (SI) als diese sich der BDS-Kampagne anschloss. All dies kann man (wie etwa Hauber) aktiv ausblenden, wenn man das schon vor Einseitigkeit knarzende Bücherregal zum sakralen Schrein erhebt. Dass es Hauber jedoch nicht einmal stutzig macht, wenn die einzige Gegenstimme im Mannheimer Gemeinderat von Hehl (NPD) und die einzige Enthaltung von Ferrat (Mannheimer Volkspartei) aufkommen, trägt schon recht deutliche Züge einer verschwörungsideologischen Verblendung.
Achard Rieus