Kommentar: Aufpassen beim Zeitungslesen! Wie der „Turley-Skandal“ auch gewesen sein könnte …
Mannheim, 07.03.2019. Herr Lübke vom Mannheimer Morgen hat am Samstag die Mannheimer Öffentlichkeit ganz schön aufgeschreckt: Tom Bock habe ein Grundstück „für 36 Mio. Euro verkauft“, für das er drei Jahre zuvor 6 Mio. Euro gezahlt habe. (Kommunalinfo berichtete) Ferner benennt Herr Lübke die angeblichen Käufer (die Tipico-Eigentümer) und drittens spricht er von 13.000 m².
Fragen nach der bisherigen Zeitungslektüre
Als Leser ist man erst mal gerne gewillt, dies alles angesichts der Entwicklung des Turbo- und Casino-Kapitalismus für bare Münze zu nehmen, ist aber trotzdem erstaunt, wie Geldsäcke 36 Mio. für ein unbebautes Grundstück bezahlen sollen und dann noch Profit damit machen wollen. Das klingt irgendwie schräg. Aber der Casino-Kapitalismus ist ja auch schräg. Außerdem fällt einem vielleicht noch auf, dass die Steuersparkünstler aus Malta so ohne weiteres die 5% oder 1,8 Mio. Euro Grunderwerbsteuer zahlen wollen für das leere Bauland. Das müsste doch alles auch geschickter gehen. Merkwürdig ist auch die „Beteiligung“ von Tom Bock an einem Grundstück von 15%.
Schlussendlich kann man einer Pressemitteilung der Stadt Mannheim vom gestrigen Tag entnehmen, dass bis gestern kein Grundbucheintrag der neuen Eigentümer erfolgt sei. Diese Aussage der Stadt kann man allerdings dem heutigen Artikel von Herrn Lübke nicht entnehmen. Er zitiert nur Sachen über eine Aufsichtsratssitzung, die so waren oder auch nicht („biegsame Worte“).
Wie es auch gewesen sein könnte
Tom Bock hat 2015 vermutete 6 Mio. Euro für tatsächlich ca. 22.400 m² (geschätzt nach Bebauungsplan) hingeblättert. Das wäre ein Quadratmeterpreis, der mit 265 Euro der Größenordnung entspricht, die z.B. die Wohngruppen zahlen mussten (2015). Der Bodenrichtwert betrug Ende 2016 in der Umgebung auf Turley für Wohnungsbaugrundstücke 330 bis 390 Euro.
Nach 3 Jahren überlegt sich Tom Bock, wie er das bis dahin tote Kapital zum Gewinnemachen einsetzen kann: Durch Bauen! Als nächstes überlegt er sich: Woher nehme ich das notwendige Baukapital? Aus der eigenen Hosentasche – gute Liquidität vorausgesetzt? Bei der Bank gegen (lächerliche) Zinsen? Oder bei sonstigen Finanzquellen?
Da trifft er auf die tipico-Leute, die einen Haufen Geld haben und es gerne profitabel anlegen möchten.
Man tut sich zusammen und bildet zwei Bauträgergesellschaften. Die hat Herr Lübke im Handelsregister gefunden und – das ist verdienstvoll – einmal nachgewiesen, wie solche Gesellschaftsstrukturen so aussehen. Für normale Menschen etwas abenteuerlich, aber in der Branche und weit darüber hinaus absolut keine Seltenheit.
Nun ein kleiner Exkurs: Eine „Gesellschaft“ (bei den genannten zwei Gesellschaften handelt es sich und eine Personen- und eine Kapitalgesellschaft – GmbH & Co. KG und GmbH) ist zunächst nur ein „Rechtsträger“ (z. B die GmbH). Es gibt immer einen oder mehrere Eigentümer, den sog. Anteilseignern. Die Gesellschaft muss über eine Mindestkapitalausstattung verfügen. Eine Gesellschaft hat einen (oft kryptischen) Namen, einen (meist sehr allgemein) definierten Zweck und eine Geschäftsführung sowie einen Sitz.
Nun weiter: die sieben Leute (bzw. juristischen Personen) tun sich also zusammen und bilden zwei Gesellschaften, die fast identisch strukturiert sind, die wir deswegen auch als eine Einheit betrachten können. Die Partner von Tom Bock lassen 36 Mio. Euro Kapitaleinlage fließen. Diesen Geldfluss hat Herr Lübke irgendwoher erfahren. Wir nehmen das als gegeben. Der mitbeteiligte Tom Bock bringt keinen müden Euro flüssiges Kapital ein, sondern er bringt das ihm gehörende Grundstück in die Gesellschaft ein, also einen Wert von nach wie vor ca. 6 Mio. Euro. Damit verfügt die Gesellschaft über insgesamt ca. 42 Mio. Euro Kapital. 6 von 42 Mio. Euro sind gerundet 15%. (Aufgliederung s.u.).
Dieser Grundstückstransfer in eine Kapitalgesellschaft erfolgt seit Gerhard Schröder steuerfrei. Es fällt somit auch keine Grunderwerbsteuer an. Nun gehört das Grundstück nicht mehr Tom Bock, sondern es gehört per Einbringung nun der Gesellschaft. Die anderen sechs Anteilseigner mit zusammen 85% Anteil bringen in die Gesellschaft das Geld ein, das man zum Bauen braucht (es wird bei weitem nicht reichen), aber sie profitieren mit ihrem Anteil von dem Gewinn, der üblicherweise aus dem Bauen von Häusern fließt. Es handelt sich um einen share deal – Erwerb von Anteilen durch Erbringung einer Gegenleistung, nämlich Geld oder eben Grundstücken.
Was sagt doch Wikipedia zu Share Deals: „Share Deals sind in Städten mit hoher Grunderwerbsteuer, wie beispielsweise in Berlin oder Frankfurt mit aktuell 6 Prozent, attraktiver geworden. Dabei kaufen Investoren nicht das Grundstück inkl. Gebäude, sondern die Anteilsmehrheit eines Unternehmens, die kleiner als 95 % sein muss. Dieses Unternehmen wird oft erst eigens für den Besitz einer solchen Immobilie gegründet. Kritiker sprechen deshalb von einem Steuerschlupfloch, das es möglichst schnell zu schließen gilt.“ Ökonomisch ist das hier unterstellte Modell sicher günstiger für die 7 Kapitalisten als die von H. Lübke erzählte Version.
Herr Lübke hat offenbar einen share deal, die Einbringung von Kapital in eine Gesellschaft gegen Anteile mit dem Erwerb eines Grundstücks verwechselt. Seine lobenswerte investigative Ambition ist offenbar etwas mit ihm durchgegangen – wenn die hier angestellten Überlegungen zutreffen. Möglicherweise wollte sich Herr Lübke zum Vorteil seines Blattes mal mit echtem Investigationsjournalismus schmücken, den man eher bei der Süddeutschen Zeitung und anderen famosen Blättern vermutet.
Welche Konsequenzen sind trotzdem aus dieser causa zu ziehen?
Bezogen auf die noch ausstehenden, vertraglich noch nicht festgeschriebenen Konversionsflächen-Bebauungen – insbesondere Spinelli -ist es auf jeden Fall richtig, diese Flächen in kommunaler Hand zu belassen: „Halten“ statt „Verkaufen“.
Wenn die beiden neuen Bauträgergesellschaften auf den Turley-Baufeldern 4 und 5 auf inzwischen als preiswert zu bezeichnendem Bauland auch ein paar preisgünstige Wohnungen bauen, hat die Stadt Mannheim Glück gehabt. Erzwingen kann sie es nicht. Und man weiß ja trotzdem nicht, welchen Mietpreis die anfangs vielleicht günstig zu mietenden Wohnungen nach einer eventuellen Preisbindungsphase von eher 10 als 25 Jahren haben werden.
DIE LINKE bleibt dabei: Die MWSP soll Bauträger- und Verwaltungsgesellschaft werden, oder es muss eine gleichwertige Lösung her. Auf jeden Fall: Unbefristete Kontrolle der Kommune über diese Immobilien! Abgabe höchstens, aber auch gerne als Erbbaurechte an gemeinwohlorientierte Bauträger!
(Thomas Trüper, Stadtrat DIE LINKE)
Kapital-Einbringung in beide Trägergesellschaften | EUR | ||
Tipico-Clan: | Geld | 36.000.000 | |
Tom Bock: | Grundstücke: Baufeld 4 und 5 | 6.000.000 | |
Summe | 42.000.000 |
Anteile an den Gesellschaften | Gesamt- Betrachtung | EUR | |
„Baufeld 4“ (lt. MM) | „Baufeld 5“ (lt. MM) | ||
SoHo Village Neighbourhood GmbH & Co. KG | Harrison Bleecker Ensemble GmbH | Anteil jeweils | |
Mercer Trust (Bock) | SoHo Sulivan Estate GmbH (Bock) | 15% | 6.300.000 |
Suplema GmbH & Co. KG | Invago AG | 18,75% | 7.875.000 |
Kuentzle Familien GmbH & Co. KG | Helo GmbH | 18,75% | 7.875.000 |
S&D Beteiligungs GmbH & Co. KG | TecTum AG | 18,75% | 7.875.000 |
Oliver Voigt | G.I. Private Mediterranean D. GmbH | 18,75% | 7.875.000 |
Qcoon Fortoon Projektentwciklung | Fortoon Beteiligungs GmbH | 9,00% | 3.780.000 |
Andere | Pera Invest GmbH | 1% | 420.000 |
Summe | 100% | 42.000.000 |