Arbeitskreis „Entmilitarisierter Volkstrauertag“ stellt Feierstunde zum Volkstrauertag ein – Die Aufgaben verlagern sich
Der Arbeitskreis „Entmilitarisierter Volkstrauertag Mannheim“ wird ab diesem Jahr keine Veranstaltung mehr zum Volkstrauertag auf dem Hauptfriedhof abhalten. Mehr als 30 Jahre Auseinandersetzung mit der äußerst fragwürdigen Tradition des „Volkstrauertages“ haben nach Ansicht des Arbeitskreises in Mannheim deutlich gemacht, dass würdiges und dem Frieden verpflichtetes Gedenken an die Millionen „Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ nicht an militaristischer Tradition anknüpfen kann. Militärische Aufmärsche und Rituale, wie sie Jahrzehnte lang auf dem Mannheimer Hauptfriedhof am Volkstrauertag zu sehen waren, werden den Opfern des Militarismus nicht gerecht, sondern ignorieren sie oder verhöhnen sie gar. Kriegsverbrechen und Völkermorde müssen klar beim Namen genannt werden.
Damit machte der Arbeitskreis „Entmilitarisierter Volkstrauertag“ Schluss: Militaristisches Zeremoniell auf dem Hauptfriedhof unter dem Motto: „Soldaten ehren gefallene Soldaten“, statt zivilgesellschaftlicher Trauer über die Opfer der verbrecherischen Kriege und von Völkermord. (Bildquelle: Mannheimer Morgen, 17.11.1986)
Im Laufe von fast 30 Jahren alternativer Feierstunden zum Entmilitarisierten Volkstrauertag hat der veranstaltende Arbeitskreis in beeindruckender Weise reflektierendes Gedenken ermöglicht. Ein Höhepunkt war die Rede des letzten überlebenden, von der NS-Militärjustiz eigentlich zum Tode verurteilten Wehrmachtsdeserteurs Ludwig Baumann 1993 auf dem Soldatengräberfeld 1914/18.
Der „Entmilitarisierte Volkstrauertag“ war die Konsequenz aus dem teils tätlichen Vorgehen von Anhängern des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) gegen Kriegsdienstgegner auf dem Hauptfriedhof, als diese der Deserteure mit Niederlegung eines Kranzgebindes im Rahmen der Feierstunde 1987 und 1988 gedenken wollten. 1988 kam es sogar zu einem Polizeieinsatz. Um die Friedhofsruhe zu sichern, verfügte der damalige Oberbürgermeister Gerhard Widder (SPD) 1989 ein Moratorium und Einrichtung eines Runden Tisches zur Reform der Feierstunden am Volkstrauertag. Als Ergebnis gab es ab 1990 fünf Jahre lang vom VDK und dem Arbeitskreis Volkstrauertag gemeinsam ausgerichtete Feierstunden ohne militärisches Zeremoniell, mit Ehrung auch der Deserteure und Gedenken an zivile Opfergruppen. 1995 kündigten die damals noch aktiven Angehörigen der Veteranen- und Vertriebenenverbände die gemeinsamen Feierstunden auf, die sie ohnehin überwiegend boykottiert hatten. Mitglieder z.B. der „Marinekameradschaft“ und des „Deutschen Afrikakorps“ dominierten damals noch den VDK. Diese Phase ist mittlerweile biologisch, nicht durch selbstkritische Reflexion des VDK, zu Ende gegangen.
Der VDK feiert im Dezember sein 100-jähriges Bestehen und hat es immer noch nicht fertig gebracht, sich mit seiner fatalen Tradition des „Heldengedenktags“ selbstkritisch auseinanderzusetzen. Das ist in Zeiten der nationalistisch-völkischen Renaissance z.B. in Gestalt der AfD besonders verwerflich. Dahinter steht auch das Versagen vieler demokratischer Parteien und Organisationen, sich mit dieser Traditionslinie des VDK ernsthaft und kritisch zu befassen.
Die Aktiven des Arbeitskreises „Entmilitarisierter Volkstrauertag“ z.B. aus VVN-BdA, DFG-VK, DGB, Freireligiöser Gemeinde, Friedensplenum, Stadtjugendring, Mannheim gegen Rechts sehen ihre Aufgabe nach 30 Jahren nun „außerhalb des Friedhofs“ im Widerstand gegen die immer noch erstarkende völkische, rassistische und antidemokratische Bewegung um AfD und Neonazis aller Couleur sowie im Kampf gegen Kriege und Kriegsgefahr.
(Thomas Trüper)