Studierende in finanzieller Krise
Durch die Corona Pandemie sind unzählige Arbeitnehmer*Innen finanziell bedroht. Das Kurzarbeitergeld ist zu kurz, manche Branchen sind gänzlich lahmgelegt und Solo-Selbstständige müssen sich arbeitslos melden.
Besonders betroffen von dieser Notlage sind aber auch Menschen, die auf eine Tätigkeit als Aushilfe angewiesen sind. Aushilfen bekommen kein Kurzarbeitergeld, da sie nicht versicherungspflichtig beschäftigt sind und arbeiten vermehrt in Branchen, die stark von der Krise betroffen sind, wie beispielsweise in der Gastronomie. Laut der 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks hatten im Sommersemester 2016 zwei Drittel der Studierenden einen Nebenjob, die meisten wahrscheinlich als Aushilfen (1). Von diesen zwei Dritteln waren 59% auf die Tätigkeit angewiesen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Für die meisten dieser Studierenden wird nun dieser Lebensunterhalt weggefallen sein.
BAföG-Risiken
Für manche Leser*Innen wird sich die Frage danach stellen, weshalb derart viele Studierende auf einen Nebenjob angewiesen sind. Eigentlich sollten Studierende durch BAföG abgesichert sein, doch die Gründe dafür kein BAföG zu erhalten sind vielfältig. Es fängt damit an, dass sobald Geschwister der Studierenden auch nur in einem Nebenjob zusätzlich Geld verdienen, dieses Geld beim BAföG abgezogen wird, da die Eltern durch den zusätzlichen Verdienst theoretisch nicht mehr in vollem Ausmaß für das Kind zahlen müssen. So wird schlussendlich auch das Geld vom Zeitungen Austragen neben der Schule vom BAföG der Geschwister abgezogen, wodurch diese dann weniger Geld zum Leben haben. 200 Euro zu haben oder nicht kann für diese dann durchaus bedeutend sein.
Auch Studierende, die die sogenannte Regelstudienzeit überschritten haben, da sie beispielsweise aufgrund eines Nebenjobs oder anderer Belastungen nicht alle ihre Kurse belegen konnten, sind dann auch nur noch mit Ausnahmen berechtigt BAföG zu bekommen.
Des Weiteren reicht BAföG oftmals nicht aus, um den Lebensunterhalt abzusichern. Durch Erhöhungen des BAföG liegt der Höchstsatz 2020 bei 853 Euro (2). Laut der 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks wurden 2016 durchschnittlich aber nur 436 Euro durch BAföG ausbezahlt (bei einem damaligen Höchstsatz von 670 Euro). Bei solchen Beträgen bewegen sich die Empfänger*Innen offensichtlich im Bereich der Jugendarmut. Die angeführte Studie stellt Mieten als Hauptnebenkosten der Studierenden fest, mit einem damaligen Durchschnitt von 323 Euro. Anhand von Erfahrungen und Gesprächen mit Kommiliton*Innen kann an dieser Stelle allerdings davon ausgegangen werden, dass Studierende in Mannheim für ihre 20qm WG Zimmer heute schon 400 Euro (Tendenz steigend) zahlen müssen. Also würde das durchschnittliche BAföG von 2016 nur die Miete decken und selbst mit dem Höchstsatz haben Studierende einen klaren Bedarf an zusätzlichen Einnahmen.
Damit diese Studierenden im Wintersemester 2020/2021 ihr Studium weiter führen können braucht es also eine soziale Absicherung, die nicht systematisch alle finanziell schlechter gestellten aus dem Bildungssystem kickt. Welche Perspektiven gibt es für Studierende in der Corona Krise?
Darlehen und Zuschüsse
Seit dem 8. Mai können Studierende ein zinsloses Darlehen von 650 Euro pro Monat beim Bund beantragen, und zusätzlich wurden vom Bund 100 Millionen Euro in einen Notfonds gegeben, bei dem Studierende bei ihrem Studierendenwerk zusätzlich finanzielle Hilfe beantragen können (3). Letzteres bedarf dann keiner Rückzahlung. Die Gelder für diese Maßnahmen sollen zunächst aus dem Überschuss der Gelder für BAföG kommen, da dieser Geldtopf seit Jahren nicht ausgeschöpft wurde.
Ähnlich richtet auch das Land Baden-Württemberg einen Nothilfefonds ein, bei dem ein zinsloses Darlehen von maximal 450 Euro pro Monat für April und Mai beantragt werden kann, welches durch die Studierendenwerke vergeben wird (4).
Laut dem Redaktionsnetzwerk Deutschland soll das zinslose Darlehen des Bundes innerhalb von 18 bis 23 Monaten zurückgezahlt werden (5).
Hier stellt sich doch unweigerlich die Frage, wie Studierende in prekärer Situation solche Darlehen überhaupt zurückzahlen sollen. Wenn Studierende über Jahre hinweg in Jugendarmut leben wird auch bei fortgeschrittenem Studium wenig Möglichkeit existieren ein Darlehen abzuzahlen. Denn an welcher Ecke sollen Studierende sparen, wenn sie sich bereits im Normalzustand in Armut befinden?
Petition „Soforthilfe für Studierende“
Eine andere Vorgehensweise wird in der Petition des Bündnisses „Soforthilfe für Studierende“ vorgeschlagen (6). Zu dem Bündnis gehören unter anderem die verfasste Studierendenschaft Hochschule Mannheim, der Asta Uni Mannheim und die Linke.SDS. Hier wird eine Soforthilfe von 3.000 Euro für Studierende gefordert, gemessen an der Erhebung des Deutschen Studierendenwerks soll dies für drei Monate ausreichend sein. Ein weiterer Unterschied zur Vorlage der Regierung liegt darin, dass die Gelder möglichst unkompliziert vergeben werden sollen und nur zurückgezahlt müssen, wenn bei einer nachträglichen Prüfung keine Bedürftigkeit festgestellt wird. Demnach würde das Geld, welches wie erwähnt aus dem Überschuss der BAföG-Gelder kommt, nur an den Bund zurückgezahlt werden, wenn dies finanziell vertretbar wäre. Studierende, die aufgrund ihrer finanziellen Lage in naher Zukunft kein Darlehen abbezahlen können wären somit davon befreit und die Gelder aus dem Überschuss wären dem Zweck zugeführt, welchen sie ursprünglich auch erfüllen sollten.
Notlagenstipendium Heidelberg – solidarisch
Ein weiteres gutes Beispiel, wie eine Verteilung von Geldern aussehen kann, bietet das Notlagenstipendium der Universität Heidelberg.
Vor Jahren richtete die verfasste Studierendenschaft dort schon einen Fördertopf für Studierende ein. Für das Jahr 2020 waren für ein reguläres Notlagenstipendium ursprünglich 30.000 Euro geplant. Dieser Topf wird finanziert durch einen Teil der Semesterbeiträge, die Studierende an die verfasste Studierendenschaft zahlen. Durch die vielen Anfragen der letzten Monate wurde beantragt diesen Fördertopf mit 90.000 Euro aus der zentralen Rücklage des Stura zu erhöhen, diese Rücklagen kamen hauptsächlich durch das nicht Abrufen eingeplanter Gelder für Fachschaften zustande. Benötigen Studierende ein Notlagenstipendium, so können sie dies, mittlerweile per Mail, bei einer Härtefallkommission beantragen. Diese Kommission prüft dann, ob wirklich eine finanzielle Notlage besteht, ob andere Fördermöglichkeiten (beispielsweise BAföG, zur Vermeidung von Doppelförderung werden Rücksprachen mit dem Studierendenwerk gehalten) möglich sind, ob die Notlage unverschuldet ist und ob diese in kurzfristig lösbar ist. Die Frage nach der Kurzfristigkeit stellt sich, da das Notlagenstipendium Studierende nur drei Monate mit dem BaföG-Höchstsatz fördern kann. Der klare Vorteil in diesem Stipendium liegt darin, dass Studierende es in der Regel nicht zurückzahlen müssen, außer beispielsweise, wenn das Geld der Überbrückung der Wartezeit auf BAföG Förderung dient oder das Studium während der Zeit der Förderung abgebrochen wird.
Durch die Corona Pandemie verzeichnet die Härtefallkommission jetzt schon so viele Anträge wie sonst innerhalb eines ganzen Jahres. Gründe dafür liegen darin, dass Eltern ihre Kinder nicht mehr unterstützen können oder auch im Verlust des Nebenjobs. Einige Studierende, die sich dort melden, sind besonders hart getroffen, da ihr Nebenjob ihre einzige Einnahmequelle darstellte.
Die Härtefallkommission arbeitet auf ehrenamtlicher Basis, dieses Angebot wurde von Studierende für Studierende geschaffen. Eine solche Solidarität zu leben ist keine Selbstverständlichkeit, aber ein gutes Beispiel dafür wie Gelder sinnvoll verwendet und verwaltet werden können. Die Ehrenamtlichen hoffen aber auch, dass sie nicht mit ihrer Arbeit alleine gelassen werden oder ihnen sogar, durch weitere Fördertöpfe, noch mehr Arbeit übertragen wird.
Schlussendlich bleibt unklar, wie die staatliche Unterstützung für Studierende längerfristig aussehen wird. Denkbar wäre auch eine weitere Öffnung des BAföG, beispielsweise mit einem elternunabhängigen BAföG, wie es die Linke fordert oder längerfristig ein bedingungsloses Grundeinkommen für Studierende, damit gute Bildung wirklich kostenlos und erreichbar für alle bleibt.
Klar ist aber, dass in der momentanen Situation Gelder möglichst schnell ausgeschüttet werden müssen und es nicht akzeptabel wäre, wenn Studierende wegen der Corona Krise ihr Studium abbrechen müssten und nur jene ihren Abschluss machen können, die weiterhin von ihrer Familie finanziert werden können. Dies würde längerfristig zur Stärkung der Ungleichheit in Deutschland führen, und das gilt zu verhindern.
Hanna Böhm
Quellenangaben (Stand: 10.05.2020):
(1) http://www.sozialerhebung.de/download/21/Soz21_zusammenfassung.pdf
(2) https://www.bafög.de/de/anhebung-der-bafoeg-saetze-626.php
(3) https://www.tagesschau.de/inland/karliczek-studenten-corona-101.html
(4) https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/land-legt-nothilfefonds-fuer-studierende-auf/
(5) https://www.rnd.de/politik/corona-hilfe-fur-studenten-ab-8mai-gibt-es-zinslose-darlehen-der-forderbank-kfw-LXA4LYA2XKOSPTLXD2B26DBQJU.html
(6) https://studi-soforthilfe-corona.org/?fbclid=IwAR1O7F_BchoSKqFr98RODrL2HmQgYrLAUjJd3T19Z6d8Ch_4nJrmb—Htys