Erfolgreiche Blockaden in Worms – Düstere Zukunft für Nazis – TddZ am Ende [mit Fotogalerie]
Gerade einmal knapp 300 Meter konnten die Nazis durch Worms laufen. Rund tausend Gegendemonstrant*innen auf der Route verhinderten den eigentlich geplanten Marsch durch die Innenstadt. Der „Tag der Deutschen Zukunft“ wurde zum Sinnbild des Niedergangs der Neonazi-Bewegung, die an diesem Tag gerade einmal 50 „Kamerad*innen“ nach Worms mobilisieren konnte. Die Gegendemonstrant*innen zahlten für ihren Erfolg einen hohen Preis. Rund 500 von ihnen wurden von der Polizei festgesetzt und bekamen Anzeigen wegen Landfriedensbruch.
Hunderte Gegendemonstrant*innen bei Blockaden und Kundgebungen
Aufgerufen zum Gegenprotest hatten vor allem das Wormser Bündnis gegen Naziaufmärsche, das sich seit vielen Jahren gegen rechts engagiert und das überregionale Blockadebündnis Block TddZ, das von ca. 50 Organisationen getragen wird, darunter Antifa-Gruppen, Linksjugend, Grüne Jugend, Jusos, Fridays for Future und viele weitere.
Block TddZ schreibt in einer Mitteilung: “Dank des vielfältigen und breit aufgestellten antifaschistischen Protests, gelang es, den Naziaufmarsch nach nur 260 Metern in der Renzstraße zu stoppen. Die ca. 50 angereisten Faschist*innen mussten umkehren und zu ihrem Kundgebungsort zurückkehren. (…) Das Bündnis begrüßt ausdrücklich die Vielfalt der Proteste und auch die zahlreichen Aktivitäten ohne physische Präsenz, wie die Beschallung des Kundgebungsplatzes mit Glockengeläut.”
Gleich nach Ankunft der Bahnen hatten sich die angereisten Antifaschist*innen mit den Leuten vor Ort getroffen und waren durch die Innenstadt in Richtung der Nazi-Route gezogen. Immer wieder gab es Zusammenstöße mit der Polizei, die Straßen sperrte und versuchte, die Blockierer*innen zu stoppen. Dabei wurde Pfefferspray und Schlagstöcke eingesetzt. Demosanis berichten, dass sie 45 durch Pfefferspray verletzte Personen behandeln mussten und vermuten eine hohe Dunkelziffer weiterer Verletzter. Die Polizei berichtet von Steinwürfen, Pyrotechnik sowie Schlägen und Tritten durch Demonstrant*innen.
500 Anzeigen wegen Landfriedensbruch
Das rund zwei Stunden dauernde Katz-und-Maus-Spiel führte dazu, dass Teile der Route nicht von den Nazis abgelaufen werden konnten. An zwei Standorten setzte die Polizei 500 mutmaßliche Blockierer*innen fest. Diese wurden allesamt in eigens dafür aufgebauten Zelten kontrolliert, durchsucht und fotografiert. Nach sogenannter „Erkennungsdienstlicher Behandlung“ wurden die Personen mit einer Anzeige wegen „Verdacht auf Landfriedensbruch“ wieder frei gelassen. Dem KIM wurde ferner berichtet, dass Aufenthaltsverbote ausgesprochen wurden und seitens der Polizei der Vorwurf „Verstoß gegen Corona-Verordnung wegen Nichteinhaltung der Abstandsregeln“ geäußert wurde. Dies sorgte für Empörung, da erst nach der Einkesselung durch die Polizei eine beengte Situation entstanden sei.
Verkürzte Route und getrübte Stimmung bei den Rechten
Dem „Tag der Deutschen Zukunft“ war eine juristische Auseinandersetzung vorausgegangen. Die Stadt Worms hatte versucht sowohl die Neonazi-Demo, wie auch alle Gegenveranstaltungen zu verbieten, war jedoch vor Gericht gescheitert. Die Entscheidung fiel erst am Tag zuvor.
Gegen 13 Uhr trafen die Nazis auf dem Bahnhofsvorplatz ein und wurden dort von fast allen Seiten mit Protest konfrontiert. Musik, Glockengeläut, Trillerpfeifen und bunte Transparente an den Häusern sorgten dafür, dass sich die Nazis nicht wohl fühlen konnten. Diese waren hinter Gittern abgesichert, umringt lediglich von Polizei und Pressefotograf*innen.
- Markus Walter (rechts))
Nach längerer Wartezeit und einer Auftaktkundgebung, in der gegen Migration gehetzt und die Corona-Pandemie als Vorwand, eine Diktatur zu errichten, bezeichnet wurde, setzte sich der kleine Zug in Bewegung. Nach wenigen Metern kam er wegen Straßenblockaden zum Stehen. Als sich die Neonazis nach erneuter Wartezeit wieder in Bewegung setzten konnten, wurde von der Polizei nur eine kleine Runde um den Block genehmigt. Am Bahnhof wurden die letzten „TddZ T-Hemden“ für 15 Euro verscherbelt und quäkende Musik über die Lautsprecher auf dem Kleinbus aus Pirmasens abgespielt. Im Vorfeld hatten die Veranstalter gemeldet, dass es Anschläge auf Fahrzeuge gegeben hätte, die für den TddZ eingeplant gewesen seien. Die rechte Truppe verabschiedete sich, nachdem sie zum Abschluss noch einen Platzregen ertragen musste, mit der Mitteilung, dass es künftig vermutlich keine weiteren TddZ-Kampagnen mehr geben werde.
Keine Zukunft für Nazis
Der TddZ fand seit 2009 einmal jährlich in verschiedenen Städten statt und war als „überparteiliche“ Demonstration ein festes Event im Jahreskalender der rechten Szene. Zu ihren besten Zeiten konnten sie bis zu 1000 Nazis mobilisieren, wie 2016 in Dortmund. Davon ist nicht viel übrig geblieben.
- Dieter Riefling
- Christian Worch (Bildmitte)
Der Niedergang der Neonazi-Bewegung dürfte neben internen Streitereien auch mit dem Aufstieg der AfD zusammen hängen. Mit dem Erfolg der blau-braunen Partei hat sich ein rechter Politikstil durchgesetzt, der sich in vielen Punkten von der Politik klassischer Neonazis unterscheidet. Die neuen Rechten wollen nicht als „rechts“ bezeichnet werden und vermeiden das Image der „Stiefelnazis“ mit Glatze, wie man sie aus früheren Tagen kennt. Statt offenem Sympathisieren mit historischen Nazis, werden Anspielungen und Zweideutigkeiten geäußert. Politik findet vermehrt in den sozialen Medien und weniger auf der Straße statt. Die „Neo“-Nazis um Christian Worch und Dieter Riefling wirkten am Samstag wie Auslaufmodelle einer einst modernen Nazi-Subkultur.
(cr/ifc/cki/ARP)
Siehe auch
Pressemitteilung des Bündnis Block TddZ Worms
Videobeitrag „Von Mannheim nach Worms die Nazis blockieren“
Worms: Faschistischen TddZ am 06.06.20 verhindern
Bildergalerie
- Markus Walter (rechts))
- Dieter Riefling
- Christian Worch (Bildmitte)