Der gemeinwohlorientierte Non-Profit-Sektor in der Wohnungswirtschaft muss nachhaltig gestärkt werden – in Bestand und Neubau
Allmählich kommt in Mannheim etwas Fahrt in die wohnungspolitische Diskussion zwischen unterschiedlichen Akteuren. Der wohnungspolitische Austausch zwischen verschiedenen Initiativen, Verbänden und Parteien vom 15.1.21 ist hierfür ein Beleg und gutes Zeichen. Und schon hört man von einem weiteren Projekt: Das Offene Stadtteiltreffen Neckarstadt plant im Rahmen des Housing Action Days am 27.03. eine Online-Podiumsdiskussion mit dem thematischen Schwerpunkt zur Wohnungspolitik in der Neckarstadt-West. Auch dies ein begrüßenswertes Vorhaben. Und dann soll ja im April der „wohnungspolitische Austausch“ fortgesetzt werden.
Die Thematik ist komplex. Aber es gibt doch eine wesentliche Richtungsentscheidung, auf die alles zulaufen muss: Wohnungen „für breite Schichten der Bevölkerung“ kann es nur geben, wenn Wohnungen nicht als frei handelbares Wirtschaftsgut zur Gewinnerzielung missbraucht werden. Wohnungen sind zum Wohnen da. Da die „freie Wirtschaft“ im Kapitalismus der Gewinnerzielung und –maximierung dient, muss das Wohnen für die Mehrheit der Bevölkerung aus dieser Sphäre herausgezogen werden bzw. darf gar nicht erst da hineingeraten. Trotzdem müssen Qualität, Zugänglichkeit und Ökologie stimmen.
Beispiel Neckarstadt-West: Der Kampf um Bestandswohnungen
Dieser Stadtteil ist wie der Jungbusch kein Gebiet mehr für nennenswerte Neubauprojekte; es geht um die Bestände, ca. 10.000 Wohneinheiten. Lange Jahre „bestanden die vor sich hin“: Überwiegend eher preisgünstig, aber auch ohne Modernisierung. Über mehrere Jahre hinweg modernisierte dann die GBG abschnittsweise ihre etwa 1.700 Wohnungen im Stadtteil, ohne die üblichen Modernisierungsaufschläge auf die Mieten zu erheben. Die Mietpreiserhöhungen waren maßvoll (zuletzt Projekt Untermühlaustraße).
In einigen Privathäusern gab es regelrechte Ausplünderungsorgien, wo sich die Eigentümer die Not von armen Einwander*innen aus Südosteuropa zunutze machten durch Vermietung von Matratzen-Schlafplätzen in überfüllten Wohnungen. Inzwischen ist der Stadtteil in das Blickfeld von Investoren geraten, die gerade die „Buntheit“ der Quartiere als Kontrast zu eintönigen Einfamilienhaus-Siedlungen einem zahlungskräftigen Publikum vermarkten wollen – selbstverständlich nach Sanierung im gehobenen Stil. Sie kaufen Bestandshäuser von Privat, hübschen sie auf und vermieten die Wohnungen entsprechend teuer. Dazu entwickeln sie auch ein Interesse an „Verbesserung“ des Wohnumfeldes. Marktführer in diesem Sektor ist Hildebrandt&Hees mit 40 bis 50 Häusern und somit ca. 500 Wohneinheiten. Da unleugbar die Bausubstanz in der Neckarstadt-West und auch das Wohnumfeld der Sanierung / Verbesserung zum Nutzen der Bewohner*innen bedürfen, gibt es eine große Auseinandersetzung um Art und Umfang, vor allem aber um die folgende Mietpreisentwicklung.
Für ein öffentliches Eingreifen in Verkaufsvorgänge von Privat an Privat gibt es kaum Ansatzpunkte zur Intervention – es sei denn durch das Vorkaufsrecht der Kommune in dem inzwischen definierten Sanierungsgebiet. Die Stadt müsste bei Wahrnehmung des Vorkaufsrechts die von den Verkäufern zuvor erzielten Höchstpreise zahlen. Dies ist in großem Stil kaum leistbar. Hier müsste vor allem gesetzlich geregelt werden, dass bei Wahrnehmung des Vorkaufsrechts der Kommune nur der „Verkehrswert“, nicht irgendwelche Phantasiepreise zu zahlen wären. Dennoch: So oder so würde dies eine gewaltige Mobilisierung von kommunalen Haushaltsmitteln erfordern, die bisher nicht bereitstehen – ein Zustand, der so nicht mehr zu halten sein wird, aber der entsprechende politische Mehrheiten zur Änderung benötigt.
Immerhin hat die GBG seit Änderung ihrer Strategie vor ca. 3 Jahren inzwischen 13 „strategische“ Häuser aufgekauft zur Sanierung und leistbaren Vermietung. Darüber hinaus versucht sich die Stadt mit sog. Abwendungsvereinbarungen zu helfen, indem sie mit den kaufwilligen Investoren Ausgleichsleistungen für den städtischen Kaufverzicht versucht zu vereinbaren, was Miethöhen und z.B. Leistungen für den öffentlichen Raum betrifft. Die Vereinbarungen sind jedoch vage und letztlich nicht einklagbar. Eine Evaluation, die die Fraktion LI.PAR.Tie. im vergangenen Herbst anforderte, liegt bis jetzt noch nicht vor. Die „Zusammenarbeit mit den Investoren“ ist auf jeden Fall in der linken Szene ein großer, eigentlich der Haupt-Streitpunkt mit der Stadt. Die Frage ist, was sich verbessern würde durch die Unterlassung solcher „Zusammenarbeit“.
Eine überlegenswerte Interventionsform wäre die Bildung von Kleingenossenschaften der Bewohner*innen von verkaufsbedrohten Häusern, die versuchen, die Immobilie für sich selbst zu erwerben. Hierzu muss man schnell und mit genügend Kapital „bewaffnet“ agieren können. Also stellt sich die klare Frage: Wie könnten solche Kleingenossenschaften (oder Vereine des Mietshäusersyndikats) schnell handlungsfähig werden und zu genügend Eigenkapital kommen. Der verhinderte Kauf des Hauses Waldhofstraße 8 durch Eigenerwerb ist ein gutes – aber hinsichtlich der enormen zu überwindenden Hürden – auch ein schlechtes Beispiel. Hier müsste sich die Stadt Mannheim endlich bequemen, eine Unterstützungsstelle für solche Projekte zu schaffen, mit Knowhow-Transfer und klaren und wirksamen Förderrichtlinien. In Freiburg und anderenorts diskutiert man über sog. Dachgenossenschaften – eine notwendige Diskussion auch in Mannheim.
Grafik: KIM. Quelle: Bericht LOS 2019; eigene Schätzungen. Die große Frage ist: Wie können die zunehmenden Verkaufsprozesse von Häusern aus Streubesitz in ein gemeinwohlförderndes Fahrwasser gebracht werden?
Wohnungsneubau – wer kontrolliert am Ende die Gebäude? Die Eigentumsfrage
2019 fragte die Fraktion LI.PAR.Tie. die Verwaltung nach den Ergebnissen der Wohnungsbautätigkeit seit 2016 und der Prognose bis 2026. Das Ergebnis ist ernüchternd: Gerade mal 18,4% der entstandenen und noch entstehenden 11.000 Neubauwohnungen kommen preisgünstig auf den Markt. Darunter sind knapp 1.000 neue Sozialwohnungen (die ersten wurden auf Franklin im letzten Herbst bezogen). Damit gleicht sich der kontinuierliche Schwund wegen Auslaufen der Mietpreisbindung bis 2026 wieder einigermaßen aus auf ca. 4.800 Wohneinheiten. Aber eben nicht mehr, obwohl unbestreitbar der Bedarf steigt. Dann gibt es noch ca. 1.000 „preisgünstige“ Wohnungen gemäß der städtischen 30%-Quotenregelung aus dem 12-Punkteprogramm (deren Markteintritt steht noch bevor), aus wenigen genossenschaftlichen Projekten und aus dem Mietshäuser-Syndikat-Verbund. Der Rest: „Freier Wohnungsmarkt“, durchschnittliche Angebots-Kaltmiete: 11,53 EUR/m².
Grafik: KIM. Quelle: Stadt Mannheim, Status und Prognose Wohnungsbau, preisgünstiger Wohnraum und Sozialwohnungen in Mannheim, V713/2019, Antwort auf eine Anfrage der LI.PAR.Tie.-Fraktion, sowie Anlage zu dieser Vorlage
Aber auch bei den durch Landesmittel oder durch das kommunale 12-Punkteprogramm geförderten Wohnungen kommt der Tag, an dem die Preisbindung endet (im Durchschnitt nach ca. 20 Jahren) stellt sich die Frage: Wie wird sich dann der Wohnungsträger verhalten? Die Mehrheit dieser Wohnungen gehört profitorientierten Anlegern, die dann von ihrer Preisgestaltungsfreiheit mit Sicherheit Gebrauch machen. Gerade auf den Konversionsflächen werden bis auf die vergleichsweise wenigen Gebäude der gemeinschaftlichen Wohngruppen und Genossenschaften und bis auf die GBG-Häuser etwa 60% von Projektentwicklern erstellt, die nach Fertigstellung an Investoren verkaufen. Hier müsste die in ihrer Baukapazität beschränkte GBG in die Lage versetzt werden, die Häuser nach Bau durch die Projektentwickler selbst zu erwerben oder die Projektentwickler von vornherein nur als Dienstleister unter Vertrag zu nehmen.
Aber auch hier steht wieder die finanzielle Leistungsfähigkeit der Stadt bzw. der GBG zur Diskussion: Kapitalerhöhung durch ihren Gesellschafter, die Stadt Mannheim. Ein heißes aber notwendiges Thema in Zeiten der Haushaltsschwächung durch die Pandemie, in Zeiten eines ohnehin schon bestehenden Investitionsprogramms in Rekordhöhe (Sanierungsmaßnahmen von Theater bis Schulen und Straßen, Verkehrswende, Klimawende etc.), und unter den Bedingungen der von einer bis 2009 bestehenden konservativen Ratsmehrheit selbst auferlegten Netto-Neuverschuldungsverbots. Hier müssen Bund und Land die Kommunalfinanzen deutlich stärken (z.B. durch einen echten Lastenausgleich wie nach dem 2. Weltkrieg) und im Übrigen vom zukunfts- und nachhaltigkeitsfeindlichen Neuverschuldungsverbot abrücken. Sonst sieht es auch mit der Entwicklung der Mietpreise im politischen Sinne des Wortes schwarz aus.
Thomas Trüper, Fraktionsvorsitzender LI.PAR.Tie.