Mannheimer Straßennamen: Erinnerungskultur versus Vielfalt im öffentlichen Raum?
Vielfalt im öffentlichen Raum sichtbar machen
Erinnerungskultur in der postmigrantischen Gesellschaft
Eine Gesellschaft definiert sich auch darüber, wie sie den öffentlichen Raum gestaltet, also auch darüber, welche Menschen durch Denkmäler und Straßennamen geehrt werden. An wen also in einer Stadt erinnert werden soll.
Mannheim präsentiert sich gerne als eine Stadt der „Vielfalt“. Und in der Tat leben in unserer Stadt sehr viele Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft, Religion und Weltanschauung. Dass sich die Stadtgesellschaft in der „Mannheimer Erklärung für ein Zusammenleben in Vielfalt“ („Mannheimer Erklärung“) auch dazu bekennt, ist ein gutes Zeichen!
Aber eben „nur“ eine Absichtserklärung! Denn die Mannheimer Grundwerte für ein respektvolles Miteinander müssen auch sichtbar werden. Gerade für die Menschen, die aus anderen Ländern und Kulturen zu uns gekommen sind und dazu gehören wollen!
Als Unterzeichner der „Mannheimer Erklärung“ sind wir vom „AK Kolonialgeschichte Mannheim“ der Meinung, dass die Vielfalt unserer Stadt auch im öffentlichen Raum sichtbar sein muss. Auch in Straßennamen mit denen sich die Dazugekommenen identifizieren können. Davon ist Mannheim aber noch weit entfernt!
Schauen wir uns ein wenig in unserer Stadt um:
- „Mit Blut und Schwert“ – durch Kriege zum „einig Reich“ und mit harter Hand gegen Linke
- Das Bismarckdenkmal als Beispiel fragwürdiger Erinnerungskultur
- Straßennamen nach Generälen und Heerführern nationalistischer Kriege oder gar nach Kolonialisten und Rassisten wie in Rheinau-Süd.
Der „AK Kolonialgeschichte Mannheim“ fordert die Umbenennung dieser Straßen in Rheinau-Süd, da diese Namen mit rassistischer Unterdrückung, Gewalt und Ausbeutung verbunden sind. strassen-namen-rheinau-sued_flyer_mail-fassung_kleine-datei.pdf (wordpress.com))
Die Diskussion darüber läuft gegenwärtig in der Stadtgesellschaft. Der Mannheimer Gemeinderat hat ein wissenschaftliches Gutachten, das eine Umbenennung befürwortet, zur Grundlage seiner Entscheidungsfindung gemacht.
Gleichzeitig hat die „Black Lives Matter“-Bewegung nach der Tötung von George Floyd im vergangenen Jahr durch eindrucksvolle Demonstrationen das Thema Alltagsrassismus machtvoll auf die Tagesordnung auch unserer Stadt gesetzt.
Bei der Neubenennung der Straßen sollte die Stadt Mannheim ein klares Signal gegen Gewaltherrschaft und Rassismus setzen. Anstelle der Kolonialisten sollten Antikolonialisten und Antikolonialistinnen geehrt werden. An die Stelle der weißen Europäer sollten Menschen aus dem globalen Süden oder von dort Zugewanderte oder ihre Nachfahren geehrt werden, z. B. afrikanische Forscher*innen oder Musiker*innen. Das wären Personen mit denen sich auch Schwarze Menschen und Afrodeutsche in unserer Stadt identifizieren können!
Denn Bewohner*innen, die Bezüge zu den kolonisierten Gesellschaften haben, erleben ein unkritisches Gedenken an Kolonialisten als Wiederholung des kolonialen Traumas, als symbolische Gewalt. Erst wenn auch ihre Perspektiven und Erinnerungen einen Platz in der Erinnerungskultur Mannheims finden, wird der Anspruch, eine Stadt der Vielfalt zu sein, glaubwürdig.
Wäre das nicht ein Anfang? Ein Anfang, der zeigen würde, dass wir mit der Haltung brechen „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ und mit dem eurozentristischen Blick auf die Welt. Der zeigen würde, dass alle Menschen der Welt in Würde und Selbstbestimmung leben sollen, weil uns in unserer Stadt Vielfalt und gegenseitiger Respekt wichtig sind!
Genau das entspräche der „Mannheimer Erklärung für ein Zusammenleben in Vielfalt“. Ein Anfang könnte mit den Straßen in Rheinau-Süd gemacht werden!
Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg, denn nach wie vor gilt:
Solange die Vielfalt unserer Stadt nicht auch in den Straßennamen zum Ausdruck kommt, bleibt die bisherige Praxis der Namensgebung leider eine
AK Kolonialgeschichte Mannheim
Alle Fotos: Bernhard Reinbold