Kommentar zur Bundestagswahl: Rot-Grün-Rot gescheitert

Alle Geschütze gegen „Rot-Grün-Rot“ – selbst auch aus diesem „Lager“

Aus linker Sicht ist das wichtigste und zugleich das am meisten pessimistisch stimmende Ergebnis, dass das Projekt „Rot-Grün-Rot“ schon rein rechnerisch gescheitert ist. Selbst wenn Grüne ihren vorübergehenden Höhenflug wenigstens etwas gehalten und wenn die LINKE ihren Absturz etwas hätte bremsen können und wenigsten die fehlenden 15+ Sitze für die absolute Mehrheit einer solchen Koalition im Bundestag zusammengekommen wären: Die Wahrscheinlichkeit wäre trotzdem gering gewesen. Innerhalb der SPD gab es natürlich von den eher rechteren Strömungen Gegenwind, wie auch von Teilen der Grünen: Annalena Baerbock steigerte ausgerechnet auf dem Gebiet der Außen- und Verteidigungspolitik und ausgerechnet nach dem Desaster des von den Grünen immer mitgetragenen Afghanistanprojekts der NATO den Bekenntnisforderungsdruck auf die LINKE: Sie solle sich vollinhaltliche hinter das Treibens der „Wertegemeinschaft“ NATO stellen. Aber natürlich hätte es auch in der LINKEN erheblicher Überzeugungsarbeit bedurft, um aus der Position des nur Forderns in die Position der teilweisen gesetzgeberischen Durchsetzung eigener Ziele zu wechseln.

Dabei hatte das ewige oppositionelle Fordern der LINKEN in diesem Wahlkampf durchaus Erfolg –wenn auch nur einen indirekten, der zugleich ihr Schicksal wurde: Die seit den Hartz-Gesetzen schwer geschädigte SPD hielt es ihrem diesjährigen Wahlprogramm unter dem Druck ihres linken Flügels für unvermeidlich, sich von einigen Dogmen der Schröder-SPD zu distanzieren und mit einigen abgemilderten Forderungen in den Kampf zu ziehen, die den aufmerksamen Beobachter*innen seit langem als Kernforderungen der Partei DIE LINKE bekannt sind. Mindestlohn 12 Euro (die LINKE fordert 13 Euro), Bürgerversicherung, Mietenstopp und gemeinwohlorientierte Bodenpolitik, höhere Besteuerung von Millionären und Milliardären, ökologisch-sozialer Umbau der Industrie etc.pp. Von allem immer ein bisschen weniger als DIE LINKE, aber gemeinsame Ansatzpunkte, auch mit den Grünen.

Nun kommt im besten Fall eine Ampel-Koalition mit der aufwindigen FDP im Bremserhäuschen, die von alledem eigentlich nichts wissen, dafür ihre Voodoo-Finanzpolitik umsetzen möchte: 90 Mrd. Erleichterung für die armen Milliardäre, die in der Coronazeit nur 20 Mrd. Euro dazugewonnen haben und Schwarze Null im Staatshaushalt samt Schuldentilgung und irgendwie auch ein paar Zukunftsinvestitionen aus der geschwächten Staatskasse.

Langfristige Tendenzen

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Geschichte und Entwicklung der SPD und der Partei DIE LINKE bei Parlamentswahlen hängen eng zusammen und verlaufen fast spiegelbildlich konträr. Unter Schröder / Fischer mit ihren Hartzgesetzen (2003) verliert, wie jede*r weiß, die SPD an Zustimmung, und in PDS, ab 2007 DIE LINKE, sammelt sich ein Teil des Frusts und Widerstandes. Ihren bisherigen Höhepunkt hatte die LINKE bei der Bundestagswahl 2009 zu verzeichnen. Es folgt 2013 ein Zwischen-Tief der LINKE bzw. ein Zwischenhoch der SPD. Dann besinnt sich 2021 die SPD, dass einige der linken Forderungen doch nicht so falsch sind, wie immer behauptet, und hat damit Erfolg auf Kosten der LINKEN (Wählerwanderung laut dimap 600.000 Stimmen von der einen zur anderen). Dies ist keine neue Erkenntnis und bestimmt auch nicht die einzige zum Thema Wahlausgang, aber doch nicht unerheblich; und sie sollte vor nicht weiterführenden Personalisierungen grundlegender Probleme schützen.
Hinzu kam sicherlich unter dem Sperrfeuer der Rechten gegen den Untergang des Abendlandes im dunklen Abendrot auch die taktische Überlegung vieler Wähler*innen, sicherheitshalber die absehbare Koalitionsführerschaft zu stärken.

Was die obige Grafik auch zeigt: Die örtliche Entwicklung in Mannheim (durchgezogene Linien) klebt regelrecht am Bundestrend (gepunktete Linie) – übrigens auch bei den anderen Parteien. Auf Landesebene (gestrichelte Linien) das gleiche Bild.

Vier Bundestagsabgeordnete aus Mannheim

Erstmals seit 2005 holt die SPD mit Isabel Cademartori wieder das Direktmandat, nach Jüttner und 2017 Löbel, der das bis dahin schlechteste Erststimmenergebnis für die CDU eingefahren hatte. Der SPD-Kandidat Stefan Rebmann war damals jedoch 1,4% hinter Löbel.

Gökay Akbulut behält ihr Listenmandat, da die LINKE aufgrund von drei Direktmandaten (Berlin und Leipzig) mit dem erreichten Stimmenanteil selbst unter der 5%-Klausel wieder in den Bundestag einzieht. Melis Sekmen für die Grünen und Konrad Stockmeier für die FDP ziehen ebenfalls über ihre Landelisten in den Bundestag ein, sodass Mannheim nun von drei Frauen und einem Mann in Berlin vertreten ist. Die Mannheimer CDU hat ausgelöbelt. Ihr Kandidat Roland Hörner erreichte nur 19,8% der Erststimmen. Damit liegt er immer noch über den Zweitstimmen der CDU von 18,2%. Dieser Knick nach unten wiederum läuft genau parallel zum Bundesknick. Es ist also nur ein Löbel-Effekt in dem Sinne festzustellen, dass die Politiker-Typen wie Löbel der CDU den Rest gegeben haben. Auch dort gibt es sicherlich ganz viel zu diskutieren.

Das rot-grün-rote Lager hat in Mannheim übrigens auch auf dieser Ebene eine Mehrheit von 51,4% erreicht, ähnlich wie bei der letzten Gemeinderatswahl. Was auch nicht unerwähnt bleiben soll: Die „kleinen“ Parteien, die eher dem linken Lager zuzuordnen sind, wie Piraten, DIE PARTEI und die Tierschutzpartei erzielen seit drei Wahlen zusammen 4.000 bis 5.600 Stimmen, was etwa 2,5 der Stimmen insgesamt in Mannheim ausmacht.

Bei den Rechten hat die AfD mittlerweile fast alles an sich gezogen. Sie hatte 2013 etwa 8.000 Stimmen, 2017 ca. 18.000 und jetzt 12.800 Stimmen. Der Höhenflug ist im Abklingen. Die NPD hat mit 136 Stimmen nur noch ein knappes Zehntel von 2013.

Bleibt abschließend bezüglich der Bundestagswahl die Frage zu stellen: War da nicht mal was mit Corona? Waren da nicht große Verwerfungen durch die vielen aggressiven Leugner*innen und das Brodeln in den sozialen Medien zu befürchten? Auf die Wahlbeteiligung hatte das ebenso wenig Einfluss wie auf die rückläufige AfD, die sich ja intensiv um solche Wähler*innen bemüht hatte. Vielleicht verdankt die FDP einen Teil ihres Zulaufs dem Herumschlingern von Lindner auf diesem Gebiet? Die größte der „Anti-Corona“-Parteigründungen, „die Basis“, brachte es in Mannheim gerade mal auf 1.845 Stimmen.

Thomas Trüper