Polizeikontrolle endet tödlich: 47- Jähriger Mann stirbt nach Gewaltanwendung durch Polizei in Mannheim

Am Montag den 02.05.2022 kam es im Verlaufe des Nachmittages am Mannheimer Marktplatz zu dramatischen Szenen, nachdem ein Arzt des ZI (Zentralinstitut für seelische Gesundheit) die Polizei verständigte, um einen „psychisch auffälligen“ Patienten aufzusuchen, der “Hilfe brauche”. Der 47- Jährige musste im Zuge des anschließenden Polizeieinsatzes noch vor Ort reanimiert werden, verstarb jedoch später im Uniklinikum.  

Ein knapp 40- sekündiges Video verbreitete sich Montagnachmittag schnell in den sozialen Medien und zeigt einen erschütternden Ausschnitt der Situation.

Das Video mit der Unterschrift „Polizeigewalt in Mannheim“ setzt ein, als ein Mann neben der stark besetzten Außenbestuhlung eines Cafés in G2 auf dem Boden liegt, während zwei Polizisten auf/neben ihm knien. Deutlich ist zu hören, wie er ruft „ich will einen Richter“. Dabei versucht er sich aufzurichten. Hierauf reagieren die beiden Polizisten und drücken ihn fester auf den Boden, wobei einer der beiden deutlich mehrmals mit der rechten Faust auf den Kopf oder das Gesicht des Mannes schlägt. Immer wieder sind Schreie des Mannes zu hören. Es ist zu sehen, wie die beiden Polizisten ihn weiter auf den Boden drücken und immer wieder nachschieben. Darauf folgt ein Schnitt und das Video wird vermutlich einige Sekunden später aus einer anderen Perspektive wieder aufgenommen.

Der Mann wird beim Einsetzen des Videos gerade von den Polizeibeamten auf den Rücken gedreht und sein Gesicht ist zu sehen. Die Augen sind geschlossen und aus der Nase läuft deutlich Blut. Er wirkt nun leblos und die Rufe sind verstummt. Die beiden Polizisten stehen neben ihm, wobei einer den Mann am Nacken stützt und zusätzlich ein weiterer Polizist und eine Polizistin hinzugekommen sind. Im Hintergrund sind mehrere Personen zu sehen, welche die Szene beobachten. Die Kamera wird kurz auf den Einsatzwagen der Polizei geschwenkt, zeigt das Kennzeichen und geht im Anschluss wieder zurück. In der Nahaufnahme ist zu sehen, wie einer der Polizisten den Mann an der Stirn hält und scheint, dass er nicht mehr bei Bewusstsein ist.

Darauf erfolgt erneut ein Schnitt und in der nächsten Aufnahme ist ein Mann zu sehen, der über dem am Boden liegenden kniet und eine Herzdruckmassage durchführt. Nach wenigen Sekunden dieser Szene bricht das Video ab. In einer ersten Pressemeldung der Polizei wird später bekannt, dass der Mann nach seinem Transport ins Uniklinikum dort gestorben sei.

Eine knappe Pressemeldung, viele offene Fragen

In der ersten Pressemitteilung wird veröffentlicht, dass ein Arzt des ZI die Polizei alarmiert habe, da ein Patient Hilfe brauche. Bei der Kontrolle durch die Polizei habe er Widerstand geleistet und sei leblos zusammengebrochen. In einer längeren Pressemeldung der Staatsanwaltschaft Mannheim und des Landeskriminalamtes, was die Ermittlungen übernommen hat, wird um 17:20 Uhr weiter ausgeführt, dass „unmittelbarer Zwang“ angewendet worden sei. Der „47- Jährige kollabierte plötzlich“ und sei aus „bislang unbekannter Ursache reanimationspflichtig“ geworden.

Dass die Polizei mit ihren Informationen sparsam umgeht, wenn Polizist*innen in Straftaten und unrechtmäßigen Handlungen verstrickt sein könnten, scheint aus Ermittlungsgründen noch nachvollziehbar. Wenn Informationen bekannt gegeben werden, sind dies meist spärlich und verstecken sich in einer kalten und technokratischen Ausdrucksweise. Was zum Beispiel im Polizeisprech als „unmittelbarer Zwang“ bezeichnet wird, kann schlicht und einfach als physische Gewalt übersetzt werden. Solche Rechtsbegriffe dienen immer wieder dazu das Geschehene in einen rechtlichen Rahmen zu bringen und die reale Brutalität dahinter zu verdecken. Insofern ist stets Vorsicht geboten, wenn Medien oft die Wortwahl der Polizei aus falschem Respekt oder in der naiven Überzeugung übernehmen, dass es sich bei der Polizei um eine neutrale Institution handelt, deren Informationspolitik vom Gedanken der Transparenz und Aufklärung geleitet wird. Vielmehr ist jedoch stets auch von einer Eigenlogik polizeilicher Kommunikation auszugehen, die in erstere Linie das Ansehen der Institution Polizei selbst oder die scheinbare Unfehlbarkeit ihrer Beamt*innen im Fokus hat, auf deren Annahme ihre gesellschaftliche Stellung beruht.

Wenn dann geschrieben wird, dass der Mann „leblos zusammengebrochen“ oder „aus unbekannter Ursache plötzlich kollabiert“ sei, während ein Video zu dem Zeitpunkt bereits mehrere tausend Male aufgerufen wurde, das den Mann zwar am Boden liegend, aber noch sehr lebhaft zeigt, wirkt jedoch besonders dreist. Das Zutun der Polizeibeamten, das auf ihm Knien und mehrfache Schlagen auf den Kopf und ins Gesicht, wird durch solch eine Wortwahl weitestgehend ausgeblendet und die Bewusstlosigkeit des Mannes als willkürliches, fast schon zufälliges Geschehen dargestellt. Auch wenn das Video offensichtlich nicht das komplette Geschehen zeigt und mehrere Zusammenschnitte vorweist, ist es in Anbetracht der belegten körperlichen Gewalt eine Frechheit, die Öffentlichkeit mit solchen Phrasen abzuspeisen, gar für dumm zu verkaufen.

Dass ein erwachsener Mann in einer psychischen Ausnahmesituation -wie sie zum Beispiel auch eine Polizeikontrolle in aller Öffentlichkeit darstellt- enorme Kräfte aufbringen kann, mag vielleicht erklären, warum mehrere Polizeibeamte beteiligt gewesen seien. Wie es jedoch zu einer solchen Eskalation kommen konnte, ist damit längst nicht geklärt. Wenn ein Polizeieinsatz in Gewalt oder gar tödlich endet, kann das Vorgehen der Polizeibeamt*innen nicht einfach ausgeblendet oder der Eindruck erweckt werden, dass der Mann durch seinen Widerstand womöglich noch selbst Schuld gewesen sei.

Eine entscheidende Frage muss daher lauten: Wäre der Mann noch am Leben, wenn es nicht zu der Polizeikontrolle und der damit verbundenen Gewaltanwendung gekommen wäre?

Ob diese Frage geklärt wird und sich daraus die entsprechenden Konsequenzen ergeben, wird nicht zuletzt auch wieder mal davon abhängen, wie hoch der Druck bleibt, den die Öffentlichkeit auf Polizei und Staatsanwaltschaft erzeugen kann.

Kundgebung fordert lückenlose Aufklärung

Noch am selben Tag riefen DIDF und DIDF- Jugend um 20:00 Uhr zu einer Kundgebung auf dem Marktplatz auf. Diesem Aufruf kamen etwa 200 Menschen nach, was deutlich zeigt, dass ein großes öffentliches Interesse und tiefe Betroffenheit herrschen. Dort forderten die Redner*innen, dass der Fall umfassend aufgeklärt werden müsse und die beteiligten Polizeibeamt*innen zu Verantwortung gezogen werden. Außerdem wurden Verweise zu weiteren Fällen von tödlichen Einsätzen und exzessiver Gewaltanwendung durch die Polizei gezogen. Mehrfach wurde betont, dass es nun wichtig sei, den Druck aufrecht zu halten.

Für den 03. Mai wurde bereits zu einer ersten „Demo gegen Polizeigewalt“ in Heidelberg mit Start um 18:30 Uhr am Bismarckplatz aufgerufen. Auch in Mannheim laufen die Planungen und Vorbereitungen für weitere Veranstaltungen. Über die Veranstaltungen und auch die neuesten Entwicklungen in dem Fall werden wir weiterhin berichten.

DeBe