Tödlicher Polizeieinsatz in Mannheim: Todesursache weiterhin unklar. Großdemo für den 07.05. angekündigt.
Am vergangenen Montag, den 02.05.2022, kam es gegen Nachmittag am Mannheimer Marktplatz zu einem gewalttätigen Übergriff von Polizeibeamten gegenüber einem 47- jährigen Mann, da er sich mutmaßlich in einer psychischen Ausnahme- und Belastungssituation befunden habe. Ein auf Instagram verbreitetes Video hat offensichtlich einen Ausschnitt des Geschehes festgehalten und zeigt mehrere Schläge eines Polizeibeamten auf den Kopf des Mannes, während dieser auf den Boden gedrückt wird. Die Gewalt der Polizeibeamten und der bestätigte Tod des Mannes wenige Stunden später haben große Teile der Bevölkerung in Mannheim, aber auch weit darüber hinaus, entsetzt. Seitdem gab es mehrere Gedenk- und Protestaktionen in Mannheim und Heidelberg und eine erste Pressekonferenz der Polizei. Eine große Demo ist für den kommenden Samstag geplant.
Demo gegen Polizeigewalt in Heidelberg
Vor dem Hintergrund des tödlichen Übergriffes zweier Polizeibeamter auf einen 47- jährigen Mann am 02.05.2022 in Mannheim, haben mehrere Gruppen aus Heidelberg für den Folgetag zu einer Kundgebung und Demonstration am Bismarckplatz in Heidelberg aufgerufen. Die Erwartungen der Veranstalter*innen wurden mit etwa 600 Teilnehmenden deutlich übertroffen, was deutlich beweist, welchen Eindruck die Geschehnisse hinterlassen haben und wie viele Menschen ihrer Wut und Protest Ausdruck verleihen wollen.
Pressekonferenz des Landeskriminalamtes und des Polizeipräsidium Mannheim
Am Mittwoch den 04.05.2022 gab es eine gemeinsame Pressekonferenz des Landeskriminalamtes und des Polizeipräsidiums Mannheim. Der Mannheimer Polizeipräsident Kollmar schilderte darin den aktuellen Stand der Ermittlungen und gab einen Abriss über den Ablauf der Geschehnisse aus seiner Perspektive. Er wies darauf hin, dass aus ermittlungstaktischen Gründen bisher kaum nähere Informationen mitgeteilt werden. Bis zum Zeitpunkt der Pressekonferenz seien der Polizei etwa 70 Videos zugesandt worden, die den Vorfall zeigen sollen. Diese werden aktuell noch geprüft, da es sich womöglich mehrfach um die gleichen Aufnahmen handeln könnte. Dass das im Artikel vom 03.05.2022 beschriebene und tausendfach auf Social Media geteilte Video tatsächlich den Vorfall vom 02.05. zeigt, wurde nicht in Frage dementiert. Insofern ist davon auszugehen, dass es sich um eine authentische Aufnahme des Geschehens handelt. Das Video bekommt damit beweiswert und dürfte die schweren Vorwürfe gegen die beiden Polizeibeamten stützen.
Außerdem werden weiterhin Zeug*innenhinweise aufgenommen und die bisher eingegangenen überprüft. Im Anschlss verurteilte Kollmar Hass und Hetze gegen Polizeibeamte, die der Polizei im Internet entgegenschlagen. Laut Kollmar wurden die beiden betroffenen Polizeibeamten vorerst vom Dienst suspendiert und Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt mit Todesfolge eingeleitet, welche vom LKA geführt werden. Bei Vorwürfen gegenüber Polizeibeamten in dieser Form sei es üblich, dass eine „neutrale“ Stelle die Ermittlungen übernehme.
Um diesem Anspruch wirklich zu gerecht zu werden, fordern verschiedene NGOs und politische Gruppen schon seit langer Zeit den Aufbau wirklich unabhängiger Stellen, da sich auch das LKA aus Polizeibeamten zusammensetzt und in die systemischen Zwänge und Handlungsmuster der Sicherheitsbehörden eingebunden ist.
Was in der Pressekonferenz weiterhin deutlich wurde, ist die Taktik das Geschehen nach außen hin als individuelles (Fehl-)Verhalten zu isolieren und eine kritische Betrachtung des Systems Polizei damit in den Hintergrund zu drängen. Der Großteil der über 2.000 Beschäftigen des Polizeipräsidiums Mannheim würde laut Kollmar einen sehr guten Job machen und diese dürften jetzt nicht wegen eines Falles dafür angegriffen werden. Nach welchen und vor allem nach wessen Maßstäben das Prädikat “guter Job” verliehen wird, bleibt dabei jedoch offen.
Nicht zuletzt der vorliegende Fall hat gezeigt, dass verschiedene Gruppen in der Bevölkerung, wie zum Beispiel Menschen mit Psychiatrieerfahrung oder Migrationsbiografie, aber auch Arme und Obdachlose, der Polizei sicher kein solches Zeugnis ausstellen würden. Neben der Erinnerung an das individuelle Schicksal des Verstorbenen, muss eine linke Bewegung auch weiterhin den Aspekt hervorheben, dass die Polizei eben bestimmte Interessen- Gruppen mehr schützt als andere beziehungsweise für manche sogar eher ein Risiko darstellt. Deshalb kann es auch das Ziel der Politisierung und Mobilisierung dieses Vorfalles sein, die eher von Polizei betroffenen als geschützten Gruppen solidarisch zusammenzuführen und die Stimme für diejenigen zu ergreifen, die selbst bisher kaum organisiert sind.
Todesursache bisher nicht bekannt
Bei der Obduktion des Verstorbenen im Rechtsmedizinischen Institut Heidelberg wurden laut Kollmar zwar deutliche Anzeichen stumpfer Gewalteinwirkung festgestellt, aber bisher keine konkreten Hinweise zur Todesursache benannt. Mit einem abschließenden Bericht sei erst in sechs bis acht Wochen zu rechnen. Der Hinweis auf eine festgestellte Herzinsuffizienz bei dem Verstorbenen dürfte jedoch keine voreilige Entlastung der Polizeibeamten erlauben, da diese allein kaum todesursächlich sein dürfte.
Weiteres Video verbreitet sich
Am 04.05.2022 verbeitete sich ein weiteres Video über soziale Netzwerke, welches von hinten zeigt, wie zwei Polizeibeamte zwischen G2 und H2 einem Mann gegenüberstehen, wobei einer der Polizeibeamten mutmaßlich Pfefferspray in Richtung des Mannes sprüht. Dieser dreht sich hierauf um und rennt in Richtung Marktplatz davon, woraufhin die beiden Polizeibeamten ihn verfolgen. Das Video endet, nachdem der Mann und die beiden Polizeibeamten um die Ecke verschwanden. Trotz der unscharfen und etwas verwackelten Aufnahmen sieht es danach aus, dass es sich bei dem Mann in dem Video um den später verstorbenen handelt. Offensichtlich spielt sich diese Szene kurz vor dem oben genannten Video ab. Auch für dieses Video liegen derzeit keine konkreten Anhaltspunkte vor, die an der Authentizität zweifeln lassen.
Zusammengenommen wurde der später Verstorbene also nicht nur gewaltvoll am Boden fixiert, sondern stand auch unter der Einwirkung von Pfefferspray.
Bündnis organisiert Mahnwache auf dem Markplatz am 05.05. um 18:00
Etwa 100 Menschen fanden sich am Abend des 05.05. um 18:00 Uhr auf dem Marktplatz zusammen, um gemeinsam an den Getöteten zu Erinnern und zu Trauern. Schnell wurde klar, dass die Trauer nicht zur Resignation führt, sondern im Angesicht des Geschehenen auch Wut und Widerstandsbereitschaft geäußert werden. Dies zeigt wie tief getroffen viele Menschen in Mannheim von diesem Fall der polizeilichen Gewalteskalation sind, die wieder ein Menschenleben gekostet hat.
So wurde in mehreren Redebeiträgen auf weitere Fälle in der jüngeren Vergangenheit hingewiesen, bei denen ebenfalls Menschen von Polizeibeamt*innen getötet wurden. In mehreren Reden wurden diskriminierende Polizei-Praktiken sowie die immer wieder ausufernde Gewalt angeprangert. Vor allem Menschen mit Migrationsgeschichte zeigten sich tief besorgt, da vor allem sie auf Grund rassistischer Kategorisierungen häufiger von polizeilichen Maßnahmen betroffen und damit einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind. Besonders ergreifend war der Redebeitrag einer Frau, die sich als Bekannte des Getöteten vorstellte, die ihn als liebenswerten und freundlichen Menschen beschrieb und darauf hinwies, dass die große Anteilnahme und vor allem die geplante Demonstration am kommenden Samstag in seinem Sinne sei.
Demo „Wer schützt uns vor der Polizei?“ für Samstag den 07.05.2022 geplant
Ein anlassbezogenes Bündnis aus mehreren politischen Gruppierungen sowie Einzelpersonen hat für den kommenden Samstag um 18:00 Uhr zu einer Demonstration unter dem Motto „Wer schützt uns vor der Polizei?“ aufgerufen. Die Veranstalter*innen rechnen mit mehreren tausend Teilnehmer*innen. Nach einer Auftaktkundgebung soll ein Demonstrationszug durch die Innenstadt stattfinden.
Text/Bilder: DeBe