Wohnungspolitik in Mannheim – wie weiter?
Quo vadis Neckarstadt, Quo vadis Mannheim – wohnungspolitisch?
Aufmerksame LeserInnen des Kommunalinfo werden sich vielleicht die Augen reiben – den Titel habe ich doch schon mal gelesen.
Und in der Tat bezieht sich der Text rückbesinnend auf einen älteren Artikel im KI (30.9.2020), den nochmal zu lesen auch heute aus meiner Sicht kein Fehler ist.
Hochpreisige Notlage
Bezahlbarer Wohnraum wird immer stärker reduziert. Passiert das eigentlich einfach, oder spielt das nicht sogar denen, die mit Wohnung als Ware handeln in die Karten? Vielleicht sogar Absicht? Die IG Bau jedenfalls hat Anfang September vorgerechnet, dass in Deutschland alle 19 Minuten eine Sozialwohnung wegfällt. Ansässige Statistiker könnten das mal auf Mannheim umrechnen. Die Mannheimer Kommunalpolitik hat bereits teilweise öffentlich wahrnehmbar insofern reagiert, dass auf den kämpferischen Wahlplakaten aus „Bezahlbarem Wohnraum“ (7,50€/qm) jetzt etwas kleinlauter „Preiswerter Wohnraum“ (8,13 €/qm) geworden ist, dies auch als Reaktion auf die ständig steigende Ortsübliche-Vergleichs-Miete (OVM)
Der Trend der letzten 10 Jahre (ungefähr seit Beginn der Konversion!), der zur Verdopplung der Bodenpreise in Mannheim geführt hat, hat sich in den letzten zwei Jahren fortgesetzt („Steigende Bodenpreise in Mannheim“ von Thomas Trüper im KI am 7.Juli 22!)
Auf Spinelli steht mit Baufeld 1 nach Franklin das nächste hochpreisiges Baugebiet vor der Fertigstellung. Hier greift dann zum ersten Mal ein Mannheimer Bebauungsplan mit 30% Quote. Unabhängig von jedem anderen Ergebnis lässt sich bereits heute feststellen: der hier gewonnene sozialgebundene, staatlich geförderte und mietpreisreduzierte Wohnraum steht bereits in 20 Jahren dem Markt und der Spekulation wieder frei zur Verfügung. Spätestens dann wird Spinelli eben kein Wohngebiet mehr für alle, sondern eines der teuersten in Mannheim sein. Denn inklusive der 70% freien Finanzierung (zusätzlich zum sowieso schon hochpreisigen Bauen „verarbeiten“ die Investoren hier die durch die 30% Quote entstehende Profitschmälerung) stößt Spinelli die Mannheimer Baupreise durch die Decke. Und da Baufeld Spinelli 2 nach denselben Kriterien vergeben werden soll, wird auch hier kein Bezahlbarer Wohnraum wirklich dauerhaft und damit gemeinwohlorientiert entstehen können. Das ist unter diesen Voraussetzungen absehbar.
Runder Tisch Wohnen
Dass Spinelli1 erst zur Buga 2023 fertig sein wird, ist schade. Damit kann es ja leider nicht in die Evaluierung des 12- Punkte Programms und der 30% Quote einbezogen werden. Am Runden Tisch Wohnen des Baubürgermeisters sind dazu verschiedene wohnungspolitische Akteure offiziell eingeladen worden. Vorausschauend soll dazu aber bereits am 21. September ein Vorschlag der Stadtverwaltung präsentiert werden. Laut Idee der Stadt soll das trotzdem gelingen auf der Grundlage wohnungsstatistischer Prognosen und Annahmen für die weitere Bevölkerungsentwicklung in Mannheim. Auf einem früheren Treffen wurden bereits folgende Fakten konstatiert: selbst wenn 2030 (Hoppla, Mannheim Klimaneutral!) alle Konversionsflächen bebaut sind, werden noch ca. 8000 Wohnungen fehlen. Dabei wurde zwar der Ukrainekrieg als Zuzugsgrund mitbedacht, nicht jedoch etwa die zu erwartende Immigration infolge des zukünftigen Klimawandels, also etwa steigender Meeresspiegel als Fluchtursache. Gleichzeitig wird wenig verwunderlich festgestellt, dass von der Mangelsituation vor allem, die MannheimerInnen mit geringem und mittlerem Einkommen betroffen sind. Überhaupt nicht wird jedoch dabei seitens der Stadt die in Mannheim typische niedrigere Einkommenssituation reflektiert, die im Verhältnis die steigenden Wohnungsmieten hier zusätzlich zu den teuersten in ganz Deutschland werden lässt. Quote hoch und Bindung dauerhaft ist aus meiner Sicht die eine richtige Lehre, die zu ziehen ist. Zusätzliches Augenmerk auf die frei finanzierten Anteile die zweite! Alles, was Wohnungen wieder weniger zur Ware werden lässt, ist sinnvoll.
Als konfliktträchtig werden auch die Bedürfnisse der klimaneutralen Stadt und die wachsende Wohnungsnot beschrieben. In die gleiche Kerbe haut der Artikel im MM zum Klimaschutzplan (3.9. 2022). Interessanterweise wird bezahlbarer Wohnraum stadtpolitisch immer dann vorangestellt, wenn es um das Vorantreiben, die Erschließung, Vermarktung, Ausnutzung neuer Flächen geht. Dauerhaft bezahlbare Mieten entstehen bei dem, was gebaut und vor allem warum gebaut wird, aber nur in seltenen Fällen. 4/5 ist hochpreisiges Bauen für die Renditeerwartung. Würden tatsächlich gemeinwohlorientierte Kriterien an Neubauten gestellt – dazu weiter unten mehr – müsste wesentlich weniger gebaut werden, bei deutlich höherem Nutzen für die Gesellschaft.
Interessant für alle, die sich hier für diesen Zielkonflikt etwas einlesen und rüsten wollen: Das von Daniel Fuhrhop verfasste Buch „Verbietet das Bauen“! Er prägt hier u.a. den Begriff der Investification, also das reine Bauen um des Investierens willen. In keiner Weise geht auch der KSAP (Klimaschutzaktionsplan) übrigens auf die Notwendigkeit des Erhalts von Grauer Energie ein; auch beim Runden Tisch Wohnen beim Baubürgermeister geht es nur um Neubauten, hört man zum Thema Erhalt statt Abriss nichts.
Die hochpreisigen Prestigebauten, die die städtische GBG auf Franklin plant (HOME, Grüne Mitte) sind sicher nicht als Baustein für Klimaneutralität 2030 oder gar als Initiative für Bezahlbares Wohnen zu verstehen. Sondern sind eben eher der Grund, warum es für den sogenannten Aktionsplan KSAP keinerlei Chronologie für die verbleibenden acht Jahre geben kann.
Also, alles beim Alten?
Einerseits leider ja.
Trotz fortschreitendem Verbrauch der Konversionsflächen und ohne dass dabei vorrangig bezahlbarer Wohnraum für alle dauerhaft hergestellt würde, fährt die MWSP ihren Investoren freundlichen Kurs weiter. Bei allen Konversionsgebieten kann man inzwischen das gleiche Muster ablesen: neben einem als besonders sozial oder ökologisch fortschrittlich gehypten Objekt (der wirkliche Nutzen und die Dauerhaftigkeit sind bei Privatinvestoren trotz „Franklinzertifikat“ definitiv zu hinterfragen) gibt es für den „ verdienten“ Investor regelmäßig ein zweites Objekt als Sahnehäubchen obendrauf, in dem dann völlig ungebremst nur die Rendite herrschen darf.
Bei den städtischen Baugesellschaften ist ein regelrechter Apparat von hochprofessionellen und sicher engagierten Personen aus Politik und Verwaltung entstanden, durch Anstellung, Amt und Würden und Mandat jahrzehntelang miteinander verwoben und in gegenseitigen Abhängigkeiten – und immer wieder öffentlich selbst bestätigt durch die nächste unkritische Selbstdarstellung. Und über allem thront irgendwie der OB? Wie kann in einem ideologisch so festgefügten System ein nötiger entscheidender Wechsel entstehen? Wie er ja für die anstehende Transformation in Mannheim benötigt wird? Das alles bei gleichzeitig chronischer Unterbesetzung in allen Fachbereichen.
Unklar erscheint von außen, wer im Rahmen der organisierten Kommunalpolitik, sprich also die gewählten Gemeinderäte und Parteien willens und mit dem Mandat als Aufsichtsrat vor allem zeitlich tatsächlich in der Lage ist, den flächenverbrauchenden Schmusekurs mit den Investoren und deren Lobbyismus zugunsten eines dauerhaften, resilienten Gemeinwohls zu verändern. Betrachtet man die letzten zwei Jahre, dann scheint die Einflussmöglichkeit von Linken, Grünen und SPD trotz Mehrheit im Gemeinderat eher gering. Damit liefe es dann halt so weiter.
Wohnpolitisches Forum Mannheim – WoPoFo
Deshalb wurde einige Monate bevor dieses Frühjahr der Runde Tisch Wohnen des Baubürgermeisters aus der Taufe gehoben wurde, mit dem Wohnungspolitischen Forum (WoPoFo) der Versuch gemacht, wohnungspolitisch interessierte Organisationen außerparlamentarisch zusammenzubringen.
Erste fruchtbare Termine brachten hier vor allem in einer vierseitigen Sammlung von zunächst nicht diskutierten Forderungen eine breite, sehr interessante Palette von Themen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zusammen. Gemeinwohl wurde dabei als der ausreichend allgemeine und ausreichend deutliche Kitt zwischen diesen verschiedenen Blickwinkeln angesehen. Selbstkritisch muss gesagt werden, dass dieser erste Versuch der Vernetzung leider gescheitert ist. Hier spielte sicher einerseits die Corona-Situation eine erschwerende Rolle. Andererseits ist dieser außerparlamentarische Ansatz auf Augenhöhe von Manchen auch nicht gewollt, akzeptiert bzw. schlichtweg ignoriert worden.
Für die Zukunft müssen wir sehen, was wir daraus lernen. Angesichts der fehlenden Opposition bei der aktuellen Entwicklung dürfte die Notwendigkeit zur Kooperation beim nächsten Versuch klarer sein.
Hoffnung im Bestand
Eine interessante Entwicklung gibt es allerdings, der Rückkauf der Stamitzstr.7. Das Mietshaus wurde an den teils 30jährigen Mietverträgen der BewohnerInnen vorbei, leider ohne Interventionsmöglichkeit an einen Mannheimer Investor verkauft. Dieser Verkauf macht jetzt den Rückkauf nötig, denn die MieterInnen haben sich zu einer Übernahme nach dem selbstverwalteten Modell des Mietshäuser Syndikat entschlossen. Je nach Gutem Willen oder Gier des neuen Besitzers wird sich die Möglichkeit des Rückkaufs eröffnen, werden sich die zukünftigen Mieten der BewohnerInnen gestalten. Wir werden sicher weiter berichten.
Das interessante Neue ist, dass dieses Mal die Stadt Mannheim dem Hausverein zumindest anbietet, die Grundstückskosten zu übernehmen und den Grund dann den MieterInnen in Erbpacht zur Verfügung zu stellen. So sinkt die finanzielle Anfangshürde der Mieterinnen ein Stück. Das ist eine echte Weiterentwicklung zur Situation in der Waldhofstr. 8, die ja ebenfalls übernommen wurde (nicht als Syndikatsprojekt, sondern mit einer Stiftung!). Damals war die Stadt noch nicht soweit, eine Fördermöglichkeit entwickeln zu können.
Unklar ist allerdings noch die Höhe des Erbbauzins. Da das Projekt natürlich dauerhaft angelegt und nicht renditeorientiert ist, könnten Gemeinwohlkriterien den Erbbauzins von 4 auf maximal 2% senken. In München gilt hier ein Erbbauzins von 1,9%, in Hamburg von 1,5%. Das würde für die Mieterinnen einen Unterschied von 70 Cent pro Quadratmeter bei der Miete ausmachen.
Hier ist die Mannheimer Verwaltung und auch das Projekt Stamitzstr.7 auf die entsprechende politische Unterstützung und Zielgebung aus der Kommunalpolitik ganz dringend angewiesen.
Perspektiven
Und ja, es gibt leider noch eine Lernkurve aus den letzten zwei Jahren. Die Baufeldentwicklung durch die MWSP verhindert weitere Gemeinwohlorientierte Projekte, jedenfalls wie wir Gemeinwohl definieren. Deswegen zeichnet sich auch keine Bewerbung aus dem Mietshäuser Syndikat für Spinelli 2 ab, das wäre auch sinnlos, wenn man das Ziel hat, Bezahlbaren Wohnraum zu entwickeln und dauerhaft sicherzustellen.
Auch hier auf Turley bietet dem Mietshäuser Syndikat die MWSP trotz Erfolgsstory keinen Platz für weitere Projekte an. Insgesamt laufen die Konversionsflächen aus, bzw. unterliegen mittlerweile denselben Beschränkungen durch die seit Beginn der Arbeit der MWSP exorbitant gestiegenen Bodenwerte. Wie unter diesen Bedingungen Bezahlbarer Wohnraum und gleichzeitig Klimaneutralität tatsächlich geschaffen und nicht nur im Hochglanz beschrieben werden kann, bleibt ein Rätsel.
Wir kommen also zurück auf die Idee im Artikel vor zwei Jahren, eine gute Idee!
ZukunftSchutzGebiet
Dafür bleibt als eine der letzten verbleibenden Flächen für Bezahlbares Wohnen in Mannheim momentan nur noch eins: Baufeld 2 auf Hammond in Seckenheim!
Vorgeschichte: Olaf Scholz als Vizekanzler hat 2018 die BIMA angehalten in Zukunft an Sozial orientierte Träger nicht zum Höchstpreis, sondern entsprechend der Ziele preisreduziert zu verkaufen. Als Mietshäuser Syndikat haben wir uns im November 2018 – unterstützt durch ein breites Bündnis aus Mieterverein, Gewerkschaften, Genossenschaften und Wohlfahrtsverbänden dafür stark gemacht, dass das Baufeld 2 auf Hammond (Bestandsbauten mit zusätzlichem Neubau gemischt, zusammen ca. 20.000 QM Wohnfläche, Wohnfläche für ca. 500 Personen) nicht an Investoren verkauft wird. Sondern stattdessen von der GBG als Statthalter übernommen wird.
Der Mannheimer Gemeinderat folgte damals entsprechenden Anträgen von Linken, Grünen, SPD. Heute ist das Gelände baurechtlich projektiert und die BIMA ist in Verhandlungen mit der GBG um den Preis.
Wir meinen diesen Preis noch erheblich nach unten drücken zu können, denn die Nutzung, die wir uns vorstellen ist eine rein Gemeinwohlorientierte. Unter wirklichem Gemeinwohl verstehen wir um genau zu sein die Definitionsversuche des Arbeitskreises Gemeinwohl aus Berlin:
- Nicht-Gewinnorientierung
- Bezahlbarkeit und Zugänglichkeit, orientiert am Existenzminimum
- Dauerhafte Absicherung vor Privatisierung und privater Gewinnabschöpfung
- Zweckbindung und Nutzungsbindung
- Kostendeckung
- Selbstverwaltung und demokratische Steuerung
- Reinvestition von Erträgen und Gewinnen in andere gemeinwohlorientierte Projekte
- Ressourcenschonung und Resilienz
- Diskriminierungsfreiheit und offener NutzerInnenkreis
- Beitrag zur und Beteiligung von Nachbarschaft, Stadt und Gemeinwesen
- Erzeugung und Erhalt von Diversität und Nutzungsmischung
Anhand dieser Kriterien könnte eine Bebauung/Nutzung gemeinsam durch die GBG, Genossenschaften oder Mietshäuser Syndikate erfolgen. Wohlfahrtsverbände könnten im Rahmen der Möglichkeiten der Betreiber mitberücksichtigt werden und bereits in einer Projektphase dazustossen. Die ökologische Nachhaltigkeit soll sich am Klimaziel 2030 Klimaneutral orientieren und kann von Klimaschutzorganisationen begleitet werden. Oberstes Ziel ist es Bezahlbaren Wohnraum herzustellen und dauerhaft zu sichern.
Voraussetzungen
Diese Baugebiet soll als ausgewiesenes Sonderprojekt betrachtet werden, ähnlich wie das Leipziger Modell ZukunftsSchutzGebiet. Damit sollen Abläufe und Ziele erleichtert werden, auch Modellhaftes Bauen umsetzbar werden.
Die Entwicklungszeit muss wegen der Projektgröße, des hohen nachhaltigen (Sozial und ökologisch) Anspruchs und der Möglichkeit der Gruppenbildung der vielen BewohnerInnen anders als bei Investorenprojekten mit einem ausreichenden Planungs-/Bauzeitfenster (6 Jahre!) und möglichst gleich zu Beginn mit sehr klaren positiven Förderbedingungen versehen sein.
Zur Finanzierung kann der Mannheimer Grundstücksfond herangezogen werden. Auch nach Abzug der Kosten für die Solarpanels für die U-Halle auf dem Biga Gelände sollte genug Geld im Topf sein, um mit der BIMA abschließen zu können und so mit dem Baufeld 2 den Grundstückspool prominent zu eröffnen.
Das Grundstück verbleibt im Mannheimer Grundstückspool und wird in Erbpacht auf 80 Jahre vergeben. Der Erbbauzins wird aufgrund der Gemeinwohlorientierung auf 2% reduziert.
Der Runde Tisch Wohnen hat bereits den eklatanten Mangel gerade an Bezahlbarem Wohnraum festgestellt. Mit diesem Vorschlag besteht die Möglichkeit zum ersten Mal ein ganzes Viertel nach völlig anderen Kriterien und Vorzeichen herzustellen. Gebt die Chance!
Günter Bergmann