Protest von Grünen und LI.PAR.Tie: Keine Ehrung für Johann Schütte und sein Luftschiff!
Grüne und LI.PAR.Tie protestieren gegen die Verlegung einer Ehrentafel vor dem Mannheimer Schloss für Johann Schütte und das Luftschiff von Schütte-Lanz. Eine Ehrung für den „begeisterter Mitläufer“ des NS-Regimes und Profiteur von Militarisierung und Krieg sei nicht akzeptabel.
Stellungnahme der GRÜNEN Gemeinderatsfraktion
Die GRÜNE Gemeinderatsfraktion wurde gebeten, eine/n Vertreter/in für ein Grußwort bei der Verlegung einer Ehrentafel vor dem Mannheimer Schloss zu entsenden. Nachdem die Hintergründe der Ehrung geklärt werden konnten, zog Markus Sprengler die Bereitschaft, die Vertretung des Oberbürgermeisters mit einem Grußwort zu übernehmen, mit dem Rückhalt und der Unterstützung der Fraktion zurück.
„Am 24. März 2023 soll um 15:00 Uhr eine Tafel zu Ehren des Luftschiff- und Schiffbau- Ingenieurs Johann Schütte verlegt werden. Johann Heinrich Schütte (1873-1940) war allerdings nicht nur ein erfolgreicher Ingenieur, sondern auch ein glühender Anhänger des Nazi-Regimes. Er trat bereits 1931 der NSDAP bei. Entsprechend begeistert zeigte er sich über die „Machtergreifung“ der NSDAP, die ihn zu weiterer Radikalisierung veranlasste. Als Vorsitzender der Schiffbautechnischen Gesellschaft (STG) ordnete er deren Arbeit der Naziherrschaft unter und suchte den engen Schulterschluss mit der NSDAP.
So ist etwa ein Telegramm von ihm in seiner Funktion an Hitler überliefert: „Achthundert zur 34. Hauptversammlung in der Reichshauptstadt vereinigte Mitglieder geloben Ihnen, Herr Reichskanzler, als dem vom Vertrauen des ganzen Volkes getragenen Führer Deutschlands treue Gefolgschaft auf dem Wege zu neuer Größe des Vaterlandes, die auch für die schwer ringende Schifffahrt und Schiffbautechnik Arbeit schaffen wird.“
Weiterhin ist die Ehrung der Innovation eines Kriegsgerätes inakzeptabel. Auch und gerade In Zeiten der schrecklichen Kriege in der Ukraine und anderswo. Auf keinen Fall darf hier eine Ehrung in Form einer Tafel stattfinden. Wir fordern die Stadt Mannheim auf, das zu verhindern.
Für die GRÜNE Gemeinderatsfraktion ist weder ein Grußwort der Stadt noch eine Ehrung von Johann Schütte akzeptabel. Auch eine indirekte Ehrung über das Luftschiff Schütte-Lanz ohne die Benennung der Nazihintergründe halten wir für falsch und unangebracht. Des Weiteren sollte die Benennung der Straße in Mannheim-Schönau mit den mittlerweile neuen Erkenntnissen überprüft werden”, so Gerhard Fontagnier, der Sprecher der GRÜNEN Gemeinderatsfraktion gegen Rechtsextremismus.
Antrag der Fraktion LI.PAR.Tie
Der Gemeinderat möge beschließen: Die Stadt untersagt dem Verein Kurpfälzer Meile der Innovationen e.V., vor dem Mannheimer Schloss auf öffentlichem Grund eine Ehrentafel für Johann Schütte und das Luftschiff von Schütte-Lanz anzubringen. Eine Ehrung von Johann Schütte und seinem Lebenswerk wird im öffentlichen Raum unterbunden.
Begründung: Johann Heinrich Schütte war, wie neuere Studien belegen, ein „begeisterter Mitläufer“ des NS-Regimes. Er stieg während des Ersten Weltkriegs auf zu einem der größten Hersteller für militärische Luftschiffe und stellte in seiner Fabrik hunderte Aufklärungs- und Kampfflugzeuge sowie Fernbomber her. Seine Luftschiffe dienten ausschließlich militärischen Zwecken.
Er bekundete öffentlich seine Sympathie und Nähe zum Nationalsozialismus, u.a. durch Reden oder seine Mitgliedschaften beim nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB), beim Deutschen Luftsportverband (DLV), beim Reichsluftschutzbund (RLB) und beim Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps (NSKK). Als leitender Akteur bzw. Vorsitzender der Schiffbautechnischen Gesellschaft (STG) versuchte er eine enge Bindung zur NSDAP herzustellen.
Die Hauptversammlung der STG 1933 eröffnete er mit folgenden Worten: „Nachdem eine Reformation des am 18. Januar 1871 gegründeten Deutschen Reiches an Haupt und Gliedern seit dem 30. Januar 1933 in einem Ausmaße stattfand, wie sie Außenstehende für unmöglich gehalten haben, und nachdem sich auch die Schiffbautechnische Gesellschaft auf den Boden des nationalsozialistischen Staates gestellt hat, ist dies unsere 34. Hauptversammlung die erste im neuen Dritten Reich. […] Auf der 32. Hauptversammlung [1931] habe ich zum Schluß meiner Rede folgendes ausgeführt: ‚Deutschlands Hoffnung, Deutschlands Glaube an eine bessere Zukunft, Deutschlands Zuversicht und Deutschlands Engelsgeduld, tausendfach bewiesen, hängen zur Zeit an einem seidenen Faden. Gebe der alte Gott […], daß dieser Faden bald zu einer starken eisernen Kette wird, an der wir unseren Glauben an Deutschlands Zukunft verankern; […].‘ Dieser Wunsch ist uns durch unseren Führer und Reichskanzler Adolf Hitler erfüllt worden[…]. Es wird wohl niemand bestreiten können, daß wir deutsche Schiff- und Schiffsmaschinenbaumeister seit mehr denn 60 Jahren nationalgesinnte Männer waren, treu zu Kaiser und Reich standen und in der Nachrevolutionszeit den Gedanken an ein einiges deutsches Vaterland stets in unseren Herzen bewahrten. Um so mehr sind wir also heute verpflichtet, die durch unseren Führer wieder herbeigeführte deutsche Einigkeit mit allen uns zur Verfügung stehenden Mittel zu schützen und zu vertiefen“ (1).
Zudem hat er ein Telegramm an Hitler verfasst, in dem er ihm als „Führer Deutschlands treue Gefolgschaft auf dem Wege zu neuer Größe des Vaterlandes, die auch für die schwer ringende Schiffahrt und Schiffbautechnik Arbeit schaffen wird“ verspricht (2).
Bei der Eröffnungsrede der STG-Jahresversammlung 1939 betonte Schütte: „Wir leben gegenwärtig in einer geschichtlichen Zeitenwende von allergrößtem Ausmaße, in einer Epoche, die eine Neuordnung Europas im Sinne unseres Führers zum Ziele hat. Wir werden den uns in unverantwortlicher Weise aufgezwungenen Abwehrkampf siegreich beenden, weil wir es so wollen und müssen. Und wie der unbeugsame Wille unseres Führers unseren Truppen in Polen als ein siegbringendes Fanal voranschwebte und sie zu Heldentaten entflammte […], so wird uns der gleiche Wille auch den Endsieg bringen.“ (3)
Bei einer Gedenkfeier nach seinem Tod 1940 wurde Schütte u.a. für seinen Beitrag zur Entwicklung der militärischen Luftfahrttechnik und für seine permanente ideelle und materielle Unterstützung der NSDAP gewürdigt.
In Mannheim wurde die Umbenennung von Straßen beschlossen, die die Namen von historisch belasteten Personen tragen, u.a. aufgrund von Aktivitäten im deutschen Kolonialismus oder Nationalsozialismus. Es wäre daher mehr als unglaubwürdig das technische Lebenswerk einer ebenso historisch belasteten Persönlichkeit zu ehren, zumal das Werk von Schütte – das militärisch genutzte Luftschiff – nicht isoliert von seiner Gesinnung und Biografie betrachtet werden kann. Der Verein Kurpfälzer Meile der Innovationen erklärt sogar, dass dort nicht nur die Innovationen, sondern auch deren Innovatoren dargestellt werden, wodurch Schütte eine weitere Öffentlichkeit erfährt. Auch eine Ehrung von Kriegstechnik im öffentlichen Raum der Stadt Mannheim ist abzulehnen.
Quellenauswahl:
Salewski: Ein Luftschiffpionier aus Nordwestdeutschland
Salewski / Saul: Der Luftfahrtpionier Johann Heinrich Schütte
Seggern: Höhenflug eines großen Geistes
Zitatnachweise:
1: Jahrbuch der Schiffbautechnischen Gesellschaft 35, S. 39
2: Jahrbuch der Schiffbautechnischen Gesellschaft 35, S. 41
3: Seggern: „Höhenflug eines großen Geistes“, S. 30
Kommentar:
27.03.23 _ Die Plakette zu Ehren der „Luftschiff Schütte-Lanz“ ist nun also vor dem Schloss vom Verein „Kurpfälzer Meile der Innovationen“ verlegt worden. Wäre Krupp in der Kurpfalz gegründet worden, wäre sicherlich auch noch eine Plakette zu Ehren der „Dicken Berta“ fällig. In der Zeit seit der Jahrhundertwende bis zur Katastrophe von Lakehurst 1937 wurden ca 150 Starrluftschiffe von den Firmen Zeppelin und Schütte-Lanz gebaut. Nur 10% davon wurden zivil eingesetzt (1).
Die Verfechter der Plakette waren nach den Protesten und einer Stellungnahme des MARIVUM-Direktors Prof. Ulrich Nieß klug genug, die NS-Begeisterung des Firmenmitbegründers Johann Schütte nicht unerwähnt zu lassen. Aber man müsse eben trennen zwischen den jeweiligen zeitgeistigen Einstellungen von Erfindern und ihren Erfindungen. In der Pro- und Kontra-Spalte des Mannheimer Morgens vom 27.3.23 bezieht der Pro-Autor Peter W. Ragge dann gleich auch die Erfinder des Haber-Bosch-Verfahrens bei der BASF mit ein: Es habe zwar Sprengstoff ermöglicht, aber auch Dünger. Sprengstoff im Ersten Weltkrieg unter der Bedingung der Blockade des Salpeter-Imports aus Chile zu produzieren, war für Prof. Bosch ein „Herzensanliegen“, wie er ja auch der Erfinder des Gas-Krieges war. Die simple Trennung von Erfinder und Erfindung ist ein sehr problematisches Konzept. Ist nicht eine der Lehren des Nationalsozialismus und z.B. der Erfindung der Atombombe die, dass die Verantwortung für Erfindungen und deren Verwendung oder für empfangene Befehle und deren Ausführung nicht voneinander getrennt werden dürfen? Für Herrn Ragge steht jedoch fest: „Der Krieg ist eben Vater aller Dinge – das gilt eben für viele Erfindungen“.
Um Haaresbreite hätten auf der BUGA23 die Kinder noch in einem dem Schütte-Lanz-Luftschiff nachempfundenen Klettergerüst herumturnen können. Da scheute sich vor 2 Jahren nach entsprechenden Hinweisen der LI.PAR.Tie. die Geschäftsführung dann aber doch, wie KIM berichtete.
Hinzu kommt, dass die Lobpreisung „des Luftschiffes Schütte Lanz“ als sensationelle Erfindung, als „das größte, modernste und schnellste Luftschiff der Welt“ (Frau Henz-Best lt. MM aaO) auf dünnen Beinen steht. Zweifellos war Schüttes aus dem Schiffsbau übernommene Erkenntnis, dass eine aerodynamisch günstige Form für die Leistungskraft des Luftschiffs grundlegend ist, damals innovativ– Zeppelin setzte noch auf zylindrische Luftschiffe. Doch die Bevorzugung eines Holz- statt Aluminium-Gerippes bringt laut dem Erfindermeilenverein Schütte zwar den Ruf als „als Vorreiter und erster Verarbeiter industriell gefertigter Sperrholzplatten“ ein. Tatsächlich war dies aber ein schwerwiegender Nachteil der ersten Schütte-Lanz-Luftschiffe, der bald korrigiert werden musste. Im weiteren Verlauf bildeten beide Luftschifffirmen unter der Führung des Kriegsministeriums faktisch eine Arbeitsgemeinschaft, in der die Innovationen mit großer Geschwindigkeit hin und her gingen, so dass die späteren Luftschiffe von außen kaum mehr zu unterscheiden waren. Schütte-Lanz zog jedoch aufgrund seiner unwirtschaftlichen Arbeitsweise und nach dem Versailler Vertrag aufgrund seiner ausschließlich militärischen Orientierung den Kürzeren und musste 1922 schließen. Der Rest war Sperrholz.
(1) Sebastian Wentzler: Die Schütte-Lanz-Innovation. Bibliotheks- und Informationssystem der Universität Oldenburg 2000. Technische Neuerungen des Luftschiffbaus Schütte-Lanz in den Jahren 1909-14 im Vergleich zum Luftschiffbau Zeppelin. Seite 8 Fußn. 2
Thomas Trüper