OB-Wahlen in Mannheim: 15% der Wähler, die nicht deutsch oder EU-Bürger sind, bleiben ausgeschlossen
Symbolische Wahlen in Mannheim
Über 5 Millionen Menschen dürfen in Deutschland weder bei den Bundestageswahlen noch bei den Landtagswahlen geschweige denn auf kommunaler Ebene wählen oder gewählt werden. Daher ruft das Netzwerk “Wir wählen” unter dem Motto “Hier Lebe ich, Hier wähle ich” auf, alle Menschen die nicht wählen dürfen, sich an den Symbolischen Wahlen zu beteiligen. Das Netzwerk startete 2017 für die Bundestagswahlen mit einer Kampagne und ist in Deutschland mit einigen Städten vernetzt.
Wir, die DIDF Föderation der Demokratischen Arbeitervereine e.V. Mannheim, fordern ebenfalls wie unser Bundesverband seit Jahren das Wahlrecht für Alle. Alle Menschen, die ihren Lebensmittelstandpunkt in Deutschland haben, sollten mitbestimmen können. Die Partizipation und die Teilhabe sollten nicht vom Pass abhängig sein.
Mit dem Migrationsbeirat der Stadt Mannheim haben wir als Migrantenselbstorganisationsverein 2019 ebenfalls an den Symbolischen Kommunalwahlen mitgewirkt. Auch dieses Jahr veranstaltet das Migrationsbeirat der Stadt Mannheim mit verschiedenen Institutionen und NGOs symbolische Wahlen, um die Menschen weiterhin aufmerksam zu machen. Der Oberbürgermeister der Stadt Mannheim Peter Kurz (SPD) hat als OB den Appel des europäischen Netzwerks “Voting Rights for ALL Residents” ” Wahlrecht für ALLE Einwohner*innen” unterzeichnet und unterstützt die Städte-Erklärung “Unsere Städte unsere Stimmen”. Als Verein DIDF Föderation der Demokratischen Arbeitervereine begrüßen wir das Angehen von Herrn OB Peter Kurz. Über die Symbolischen Wahlen haben wir daher Frau Zahra Alibabanezhad Salem, Vorsitzende des Migrationsbeirat der Stadt Mannheim, befragt. Inan führte für DIDF das Interview.
Frage:
Wir haben uns ja heute getroffen um die Wichtigkeit der Symbolischen Wahlen zu besprechen. Warum sollten wir uns mit diesem Thema befassen und kannst du uns sagen, wieviel Personen in Deutschland/Mannheim davon betroffen sind und nicht wählen oder gewählt werden zu können?
Antwort von Zahra Alibabanezhad Salem:
Da wir gerade die Symbolischen Oberbürgermeisterwahlen in Mannheim organisieren, kenne ich die Zahlen für Mannheim. Hier sind es tatsächlich 42.000 Menschen, das sind 15% der Menschen, die hier in Mannheim leben . Die sind davon ausgeschlossen mitzubestimmen, wer jetzt der oder die Oberbürgermeister*innen wird. Das ist schon eine Menge. Die meisten glauben nicht, wenn man ihnen sagt ab 16 Jahren darf man wählen. 15% oder 42 Tausend Menschen dürfen es nicht, und bundesweit waren es, dass bei den Bundestagswahlen 2021 14,7% der Menschen in Deutschland nicht wählen durften.
Es gibt aber Unterschiede bei Kommunal- und Bürgermeisterwahlen auf der einen Seite und Bundes- und Landtagswahlen auf der anderen Seite. Seit 1992 ist das Wahlrecht auf kommunaler Ebene auf EU-Bürger ausgedehnt worden. Kommunal dürfen die Menschen nicht wählen, wenn sie keine deutsche Staatsangehörigkeit haben oder keine europäische Staatsangehörigkeit haben, also EU Staatsangehörigkeit. Das betrifft in Mannheim immer noch 50% aller Menschen mit Migrationsgeschichte. Und sind tatsächlich 15%, die nicht wählen dürfen.
Frage:
Warum sind Wahlen für dich persönlich und allgemein so wichtig?
Zahra:
Für mich persönlich aber auch als Migrationsbeirat ist die Beteiligung an Wahlen wichtig. Als Migrationsbeirat lebe ich in einer Demokratie. Hierzu gehört als erstes Recht das allgemeine Wahlrecht. Wenn man wählen geht, dann ist man sichtbar, denn man muss ja deren Stimmen bekommen. Man wird ja dann von jemandem gehört. Das heißt, diejenigen die sich aufstellen lassen, müssen ja gewählt werden, das heißt die Interessen derjenigen, die wählen dürfen, werden dann auch entsprochen. Wenn man nicht wählen darf, dann ist man unsichtbar für die Menschen, die gewählt werden, weil deren Stimmen braucht man nicht. Deren Interessen brauchen dann auch nicht zu interessieren, und darum geht es im Grunde. Es geht darum, erstmal wir sind eine Demokratie und in einer Demokratie sollte man wählen dürfen. Das ist das aller erste und wenn wir Menschen davon ausschließen, was haben wir dann für eine Demokratie, warum schließen wir Menschen aus?
In Deutschland schließen wir Menschen vom Wahlrecht aus weil sie keine Staatsangehörigkeit haben. In Deutschland ist es leider immer so, dass man sehr auf die deutsche Staatsangehörigkeit pocht, die man aber geöffnet hat. Man hat, nachdem das Bundesverfassungsgericht in den 90ern entschieden hat, dass das deutsches Volk im Grundgesetz gemeint ist mit Volk. Dass man das es aber erweitern kann mit einer Grundgesetzänderung auf das EU-Volk und hat es kommunal so gemacht. Aber die Menschen, die hier nicht aus EU-Ländern kommen, aber genauso lange hier sind und genauso betroffen sind von allen Gesetzten, die dürfen nicht wählen und das halten wir vom Migrationsbeirat falsch.
Wir möchten, dass Menschen sich als ein Teil der Kommune fühlen, man muss die Möglichkeit haben mit zu bestimmen oder sich aufstellen zu lassen, mit zu wählen. Wir fragen uns immer, warum wir nicht so viele Gemeinderäte mit Migrationsgeschichte haben.
Sehr sehr lange durften wir nicht wählen und ein Teil von uns darf es immer noch nicht. Wenn man sagt, dann nimmt doch einfach die deutsche Staatsangehörigkeit an, dann verwechselt man und vergießt man eigentlich
a) das es nicht so einfach ist die deutsche Staatsangehörigkeit zu bekommen. Immer noch nicht, auch jetzt mit der Erneuerung des Staatsangehörigkeitsrechts wird sich daran nicht soviel ändern. Die doppelte Staatsangehörigkeit macht es für viele einfacher.
Aber wenn es darum geht, dass Menschen ein gewisses Gehalt haben müssen, ein gewisses Einkommen haben müssen, schließen wir gezielt Menschen aus. Menschen, die nicht ein gesichertes Einkommen haben, Menschen, die nicht arbeiten gehen können, wieder schließen wir Menschen von der Wahl aus. Wenn man möchte, dass diese Menschen die Staatsangehörigkeit nicht haben, dann ist das eine andere Debatte zum Wahlrecht in unseren Augen. Wenn man hier nämlich mit den Menschen zusammen lebt, die Menschen betroffen sind von unseren Entscheidungen, ob es jetzt um eine Straßenbahn geht, wieviel sie kostet, wieviel das Schwimmbad kostet, ob es ein Fahrradweg gibt, ob ich mir dieses Fahrrad überhaupt leisten kann, dann sind die Menschen mit unterem Einkommen davon gleichermaßen betroffen. Und diese Menschen werden nun ausgeschlossen bei so einem Einbürgerungsgesetz. Deswegen möchten wir gerne, dass dieser Zusammenhang entkoppelt wird. Das gilt insbesondere für die kommunale Ebene, weil da Teilhabemöglichkeiten besonders hoch sind und Jeder ist direkt betroffen ist. Das gilt beispielsweise für steigende Parkgebühren, für ausreichende Kindergartenplätze für unsere Kinder. Deswegen ist es so wichtig, kommunal mitzubestimmen.
Und persönlich bin ich meiner eigenen Geschichte betroffen. Ich komme (Iran. d.Red.) aus einer Diktatur, wo man nicht entscheiden darf, nicht frei und geheim wählen kann. Wahlen sind in einer Demokratie das höchste Gut. Wenn man dieses Recht den Menschen nimmt, müssen wir uns fragen, ist es dann eine richtige Demokratie, reicht das aus um zu sagen, wir repräsentieren Alle?
Frage:
Was erhofft erhofft ihr euch als Migrationsbeirat von diesen Symbolischen Wahlen?
Zahra:
Wir wünschen uns ein bisschen mehr Aufmerksamkeit natürlich. Wir wünschen, dass die Menschen merken, dass so viele davon betroffen sind. Viele wissen es gar nicht, wenn man fragt, viele wissen überhaupt gar nicht, wer alles wählen darf und wer nicht. Wenn man dann hört, so viele dürfen nicht wählen, woran liegt es, denn die meisten wissen es nicht, erstmal natürlich Aufmerksamkeit. Wir haben in Mannheim noch das Glück, dass unser jetziger Noch-Oberbürgermeister auch das Kommunal Wahlrecht für Alle möchte. So unterstützt uns die Stadtverwaltung und das war auch eine Errungenschaft des Migrationsbeirates der Vergangenheit, jetzt nicht nur unserer Legislaturperiode. Auch schon in der Vergangenheit hat der Migrationsbeirat das Problem benannt und aufgezeigt, wie wichtig das Kommunalwahlrecht für alle ist. Wir wünschen uns, dass alle Menschen in Mannheim die Möglichkeit bekommen abzustimmen, das Gefühl zu haben auch mal in eine Wahlkabine gehen zu können, die Stimme abzugeben und einen Stimmzettel in eine Urne zu werfen und zu sehen, ob meine Stimme zählt. Wir haben 20 Wahlbüros in Mannheim, dort könnt ihr überall wählen gehen.
Es wird spannend sein, inwieweit das Ergebnis der Symbolischen Wahlen, das offizielle Wahlergebnis beeinflussen könnte. Schade ist natürlich, dass das nur rein hypothetisch ist.
Frage:
Kannst du uns noch mal ein bisschen erzählen, heute geht es ja mit den Symbolischen Wahlen los.
Zahra:
Heute (23. Mai 2023, d.Red.) ist die Auftaktveranstaltung in unserer öffentlichen Sitzung um 19 Uhr im Stadthaus. Da wird auch ein bisschen Musik gespielt, jeder kann vorbei kommen, die Stimme abgeben, also diejenigen, die berechtigt sind für die Symbolischen Wahlen. Ab morgen ist es offen bis zum 10. Juni. darf man mitwählen. Es gibt viele Wahllokale in Moschen, in der Oase, in der Alten Feuerwache, beim DRK im Stadtteilbüro, in der Schwetzingerstadt, bei der Caritas, in Quartiersbüros in verschiedenen Stadtvierteln verteilt über die ganze Stadt. Orte und Uhrzeiten stehen auf unserer Homepage. Es gibt auch eine Wanderurne, die hat die Migrationsbeauftragtin und nimmt sie immer mit, da kann man auch abstimmen.