Gewinnexplosion bei der MVV Energie AG
Der Dreivierteljahresbericht der MVV Energie AG für den Zeitraum 1.10.22 bis 30.6.23 weist einen erheblichen Gewinnzuwachs aus. Betrug das Ergebnis vor Steuern (EBT) im Vorjahreszeitraum 108.605 TEUR, beträgt es für die ersten 9 Monates des Geschäftsjahres 2022/23 1.016.105 TEUR, eine gute Milliarde. Das ist eine Zunahme um 936%. Das „unverwässerte Ergebnis je Aktie“ beträgt 15,73 gegenüber -1,99 EUR im Vorjahreszeitraum. Das Ganze bei rückläufigen Absatzmengen: Strom -27%, Wärme -21%, Gas -15% und Wasser -4%. Dagegen wurden trotzdem mit Strom +29%, Wärme +15%, Gas +65% Umsätze erzielt ohne Energiesteuern. Lediglich die Wassererlöse blieben gleich.
Das „Markt-Umfeld“ beschreibt MVV wie folgt: Die Großhandelspreise für Rohöl sanken gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 14%, bei Erdgas stiegen sie um 17%, Kohle um 2%, CO2-Zertifikaten um 13% und Strom um 19%. Wenn die Einkaufspreise der MVV sich also in diesen Bereichen entwickelten, liegen die Verkaufspreise deutlich höher, wie man aus den obigen Verhältnissen zwischen sinkenden Absatzmengen und deutlich steigenden Umsätzen schließen kann. In einer zweifellos energiekritischen Zeit verdient MVV also gewaltig dazu – Krisengewinnlerin. Zwar musste MVV teuren Strom zukaufen für Neukund*innen (aus dem Bereich pleite gegangener Billig-Anbieter und Dreckschleuder-Vermarkter) und wegen “Verfügbarkeitslücken” von Kontrakt-Lieferanten, aber andererseits hat MVV aus dem Direktverkauf von erneuerbaren Energien besonders gute Renditen erwirtschaftet.
Es gibt viel zu diskutieren in der Kommunalpolitik
Das wird und muss beim Jahresabschluss erhebliche Diskussionen geben über die Gewinnverwendung einerseits und andererseits über die Preisgestaltung der MVV-Produkte für die Bevölkerung ebenso wie für das Gewerbe, also beim Thema Gewinnerzielung.
Die Kapitaleigner – und der größte ist mit 50,1% Aktienanteilen die Stadt Mannheim – werden sich fragen, ob sie sich mit einer Dividende von weiterhin „nur“ 1,05 EUR/Aktie begnügen wollen, oder ob sie vom Reibach „etwas“ mehr abschöpfen wollen. Die Stadt Mannheim verfolgte bisher die Strategie, die Dividende möglichst konstant zu halten, auch in weniger profitablen Jahren. Schließlich finanziert sie mit diesen bisher sicheren Einnahmen das ÖPNV-Defizit (ca. 35 Mio EUR/Jahr). Allerdings steigt das Defizit auch nicht zuletzt aufgrund riesiger ÖPNV-Investitionen an. Die andere Seite der Medaille ist der erhebliche Investitionsbedarf eines Energieunternehmens, das sich die Dekarbonisierung bis 2030 auf die Fahnen geschrieben hat und das bis 2040 klima-neutral oder sogar -positiv arbeiten will.
Eine Dividendenerhöhung würde bei den Mitgesellschaftern sicherlich nicht auf Widerstand stoßen (darunter große Fonds). Anders sieht es aus mit den Energietarifen: Da werden die Mitgesellschafter wenig „Empathie“ für die Bedürfnisse der Bevölkerung in Mannheim und an den anderen MVV-Standorten haben. Vor Jahren hatte der grüne Stadtrat und MVV-Aufsichtsratsmitglied Wolfgang Raufelder für erheblichen Aufruhr bei den Aktionären gesorgt mit seiner Überlegung, ob MVV nicht die Preise senken sollte. „Geschäftsschädigung“ und Angriff auf das Aktienrecht war der Tenor bis hin zur Androhung von Zivilklagen. Die Frage aber, wer die Investitionen für die Klimaneutralität zu zahlen haben wird und ob das unbedingt die MVV-Kund*innen sein müssen, steht mächtig im Raum.
Ende Juni 2023 ist übrigens die „Übergewinn-Abschöpfungssteuer“ ausgelaufen und soll lt. Bundesregierung nicht verlängert werden, wie der Vorstandsvorsitzende Dr. Georg Müller in seinem Bericht erleichtert feststellt.
Das wird insgesamt eine komplizierte Auseinandersetzung. Sie birgt viel Zündstoff in sich, z.B. auch für die Kommunalwahl im kommenden Jahr. Dabei sind perverserweise die hier aufgeworfenen Fragestellungen überhaupt nicht im unmittelbaren Entscheidungsfeld des Gemeinderates, aber sie müssen politisch gelöst werden. Gerade mal drei Aufsichtsratsmitglieder stellt der Gemeinderat plus den AR-Vorsitzenden in Gestalt des Oberbürgermeisters. Die Mannheimer “Stadtwerke” sind eben eine börsennotierte Aktiengesellschaft… Die Dividende fließt auch keineswegs in den städtischen Haushalt ein, sondern sie wird in der städtischen „MKB GmbH“ verarbeitet (Mannheimer Kommunalbeteiligungen GmbH), zu der auch der Mannheimer RNV-Anteil gehört. Immerhin hat die SPD bereits ihren Diskussionsbedarf in einer Presseerklärung vom 14.8.23 angemeldet: „Mannheimer SPD fordert Diskussion über Höhe und Verwendung des Gewinns der MVV Energie AG“. Trotz der ambitionierten Ziele der MVV „stellt sich die Frage, ob aufgrund der enormen Gewinnexplosion in diesem Geschäftsjahr nicht auch die Preise für Gas, Strom und Fernwärme für die Verbraucher gesenkt werden sollten. Schließlich zählt das Unternehmen ja auch nicht zu den preisgünstigsten Anbietern. Gerade für ein Unternehmen in mehrheitlich städtischem Besitz sollte hier nachjustiert werden. Dies ist auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit.“
Ein verlässlicher kommunaler Wärmeplan muss schnell entwickelt werden
Wir haben schon bei der OB-Wahl festgestellt, dass ganz offensichtlich das „Heizungsgesetz“ in seinem Werdungsprozess die Wahl nicht unerheblich mitbeeinflusst hat, siehe „Rückschau auf die OB-Wahl (https://kommunalinfo-mannheim.de/2023/08/03/rueckschau-auf-die-ob-wahl-und-ausblick-auf-die-gemeinderatswahl-2024/).
Die weitere Entwicklung der MVV und die Weiterentwicklung der Belastung der Bevölkerung mit viel zu hohen Energiepreisen hängt in hohem Maße von bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen ab, die noch sehr in der Schwebe sind. Was wir in Mannheim brauchen ist auf jeden Fall der entschiedene Ausbau der Fernwärme auch in weniger dicht besiedelte Stadtquartieren. Außerdem – darauf weist Georg Müller in seinem Bericht zu Recht hin, steht das Gasnetz vor der Alternative: Entweder wird es tauglich gemacht für „grüne Gase“, die dann auch ausreichend zur Verfügung stehen müssen, oder es wird abgeschaltet. Das fossile Erdgas hat auch in den Haushalten keine Zukunft mehr – für viele Hauseigentümer und damit auch für deren Mieter eine Schreckensperspektive. Es ist verdienstvoll, dass die MVV Energie AG soeben auch die Studie veröffentlicht hat: „Zukunft der Gasnetze. Empfehlungen für eine koordinierte Wärmewende.“
Darin wird auch auf das das Thema „Sozialer Ausgleich“ (S.68ff) eingegangen, der finanzielle Entlastungen für die Bürger*innen beinhalten müsse. Vollkommen zu Recht heißt es in diesem Kapitel abschließend: „Sobald ordnungsrechtliche Eingriffe bei Kunden und Unternehmen angekündigt werden, müssen zeitgleich auch die Regelungen für Förderungen und für soziale Härtefälle vorliegen.“ Die Verantwortung sieht das Unternehmen beim Gesetzgeber und der öffentlichen Hand, also auch bei der Kommune. Die braucht dafür aber mehr Geld – siehe oben.
Fazit: Der kommunale Wärmeplan muss her samt seiner bundespolitischen Koordinaten. Damit muss sich die Entwicklung der MVV verschränken, und das alles Sozialverträglich!
Einblick in das wirkliche Leben: Gartenstadt-Vertreterversammlung
Am 29. Juni fand die Vertreterversammlung 2023 der Gartenstadt-Genossenschaft Mannheim e.G. statt. Laut Bericht in der Zeitung für Mitglieder Juli | August 2023 meldete sich ein Delegierter. Er erklärte, “dass derzeit wohl eine gewisse Verunsicherung bei einzelnen Mitgliedern [der Genossenschaft] hinsichtlich des aktuell zur Debatte stehenden ‘Heizungsgesetzes’ der Ampel-Koalition bestehen würde.” Er fragte den Vorstand nach diesbezüglichen Erkenntnissen.
In dem Bericht heißt es weiter: “Vorstand Maesch erläuterte daraufhin, dass es Absicht und Ziel der Gartenstadt-Genossenschaft sei, den Anschluss möglichst vieler Objekte an die Fernwärme zu erreichen. In einigen Stadtteilen wären die dafür notwendigen Fernwärmeleitungen bereits vorhanden, so z.B. in der Gartenstadt und auf dem Almenhof. Auch im Stadtteil Rheinau wäre der Anschluss teilweise theoretisch möglich. Allerdings seien Kontaktaufnahme und Gespräche diesbezüglich mit der MVV extrem schwierig. Grundsätzlich wolle die MVV natürlich nur dann Fernwärmeanschlüsse legen, wenn sich dies auch wirtschaftlich rechnen würde. In diese Ansicht sei durch die aktuelle Diskussion anscheinend etwas Bewegung geraten, so dass die MVV nun zumindest eine formelle Planung des Themas vornehmen wolle, bevor sie sich zu einzelnen Maßnahmen äußere. Man müsse also leider Stand heute sagen, dass man hier aktuell eher von Wünschen und Hoffnungen, denn von konkreten Zusagen sprechen könne. Die MVV habe die Zielsetzung, möglichst schnell die Klimaneutralität zu erreichen. Hierfür sei die kommunale Planung entscheidend.” Der Vorstand weist dann noch darauf hin, dass der Betrieb von Gasheizungen jetzt wohl auch noch längerfristig möglich sei.
Von der Gasnetzstudie der MVV über die kommunalen Rahmenbedingungen bis hinein in die Vertreterversammlung einer Mietergenossenschaft ist es ein langer Weg. Nicht zuletzt gute Kommunikation ist gefragt und Transparenz.
Thomas Trüper