Antikriegstag 2023 in Mannheim – Die Reden

Kundgebung zum Antikriegstag 2023 auf dem Paradeplatz. (Bilder: KIM)

 

Am diesjährigen Antikriegstag fand auf dem Paradeplatz wie auch schon im letzten Jahr, eine Friedenskundgebung statt. Aufgerufen hatten der DGB Region Nordbaden, die Naturfreunde, die Katholische Arbeitnehmerbewegung KAB und der Evangelische Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt KDA. Das Mannheimer Friedensbündnis konnte sich nicht zur Unterstützung durchringen, äußerte sich aber auch nicht öffentlich.

Auf der Kundgebung sprachen der Bundesvorsitzende der Naturfreunde, Michael Müller, der Vertreter der DGB- und IGM-Jugend Guilian Can Karakaş und als Vertreter der beiden christlichen Kirchen Sozialpfarrer Maximilian Heßlein (KDA). Ca.Berd Köhler steuerte Lieder gegen den Krieg bei. 200 Menschen nahmen an der Kundgebung teil wie etwa auch schon im letzten Jahr.

Der Angriffskrieg auf die Ukraine hat das Thema „Krieg und Frieden“ mit neuer Brisanz versehen. Waren die vielen Jahre davor im Zusammenhang mit dem Antikriegstag lediglich (wenn auch stets interessante) Saalveranstaltungen des damaligen Friedensplenums mit Unterstützung des DGB durchgeführt worden, hat nun der DGB die Initiative zu öffentlichen Kundgebungen ergriffen. Erstmalig seit langem meldete sich auch ein Vertreter der Gewerkschaftsjugend aus Anlass des Antkriegstages zu Wort.

Wir veröffentlichen im Folgenden die drei gehaltenen Reden im Wortlaut und danken den Autoren für die Überlassung der Texte.

Thomas Trüper

 

Michael Müller, Bundesvorsitzender der Naturfreunde

Liebe Freunde und Freundinnen des Friedens!

 

Wir sind hier, weil wir wollen, dass die Menschen die Welt mit unseren Augen sehen, mit den Augen des Friedens. Denn wir leben in dem gefährlichsten Jahrzehnt seit Ende des 2. Weltkrieges und müssen alles tun, dass es nicht ähnlich katastrophal endet. Die Summe und Parallelität der Krisen, Kriege und Konflikte ist besorgniserregend. Wer das nicht begreift, hat die Lehren der Geschichte nicht verstanden.

 

Wir sagen Nein zu der vorherrschenden Feldherrenperspektive, die den Krieg nur nach Sieg oder Niederlage bewertet. Krieg ist immer falsch, wir verurteilen den russischen Angriffskrieg, aber wir verurteilen auch das globale Schachspiel um Macht und wirtschaftliche Interessen. Uns geht es in erster Linie um die Menschen. Stoppt den Krieg, stoppt das Töten.

 

Wir fordern einen Waffenstillstand so schnell wie möglich. Das ist die Voraussetzung für einen Frieden in Europa.

 

Wir fordern eine Rückkehr zur Friedens- und Entspannungspolitik. Sie war nicht falsch und ist auch nicht überholt. Das behauptet nur Herr Merz. Und der hat sie nie gewollt.

 

Wir fordern ein Ende der Militanz, die auch in Kommentaren und Leitartikeln vorherrscht und die von Politikern gefördert wird, die sich im Kriegsgeschrei selbst überbieten. Wir wollen nicht die Sprache des Militärs, wir wollen die Sprache des Friedens. Die Diskrepanz zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung ist besorgniserregend. Die Mehrheit unserer Bevölkerung lehnt die Lieferung schwerer Waffen ab. Aber die veröffentlichte Meinung forderte zuerst Kampfpanzer, dann Kampfflugzeuge, jetzt Raketen und was dann? Bodentruppen – und damit einen großen Krieg?

 

Wir sagen Nein zu einem Krieg bis zur Erschöpfung, soll die Ukraine ausbluten wie die Soldaten an der französischen Westfront im 1. Weltkrieg? Das Verdun heißt heute Bachmut. Es ist ein Zermürbungskrieg, den beide Seiten nicht gewinnen können. Nach OSZE-Beobachtern verfügt die Ukraine über rd. 940.000 Soldaten und paramilitärische Einheiten, hat aber kaum noch Reserven. Auf der Straße werden schon über 65jährige und unter 16jährige eingezogen. Russland hat 740.000 Soldaten im Krieg und jetzt weitere 230.000 mobilisiert. Die Reserve wird auf über zwei Millionen geschätzt. Bei den Kampfpanzern stehen rd. 1.000 gegen 2.000 mit einer Reserve von 5.000. Bei den Kampfflugzeugen sind es 100 gegen 1.300. Dagegen verfügt die Ukraine über starke Befestigungsanlagen.

 

Wir sagen: Stoppt den Krieg, die Gefahr einer unbeherrschbaren Eskalation ist groß, viel zu groß. Selensky will offenkundig immer mehr Länder in den Krieg einbeziehen. Damit wächst die Gefahr eines Krieges mit der NATO, dann droht der große Krieg, den Europa im letzten Jahrhundert zweimal schmerzlich erfahren musste.

Wir fordern einen schnellen Stopp des Krieges, denn die Gefahr wächst, dass Atomwaffen eingesetzt werden. Die USA und Russland verfügen über 92 Prozent aller ca. 13.000 Atomwaffen weltweit. Wo soll das enden, wenn jetzt auch andere autokratische Länder an Atomwaffen heranwollen wie die Türkei und Ägypten? Es ist ein Spiel mit dem Feuer.

 

Wir fordern: Stoppt den Krieg. Er hat jetzt schon zerstört, was mit der Entspannungspolitik für Abrüstung und Rüstungskontrolle mühsam aufgebaut wurde. Wir brauchen Verständigung, um die mörderischen Waffen – konventionell wie atomar – zu begrenzen.

 

Wir fordern: Stoppt den Krieg, der die Spirale der Aufrüstung erneut in Gang gesetzt hat. Heute wird mehr als je zuvor seit 1945 für Rüstung und Militär ausgegeben, über 2,2 Billionen US-Dollar. Das Perverse ist: 75 Prozent der Ausgaben entfallen auf nur zehn Länder. Deutschland liegt dabei auf platz sieben. Mit dem falschen Aufrüstungsziel 2 Prozent des BIP und dem Sondervermögen von 100 Mrd. Euro steigt Deutschland auf Platz vier oder fünf auf. Wer hat gewollt, dass Deutschland wieder zur stärksten Militärmacht in Europa wird? Wir auf keinen Fall.

 

Wir fordern ein Ende des Krieges, der längst zu einem Weltordnungskrieg geworden ist. Die zusammengewachsene Welt ist auf Gegenseitigkeit angewiesen, doch Spaltung und Konfrontation nehmen zu. Der große Verlierer wird der Westen sein, der 11 Prozent der globalen Menschheit hat. Das zeigt sich an der Entwicklung der BRICS-Staaten. Zusammen mit der Shanghai-Gruppe, die alle die Sanktionen gegen Russland ablehnen, stellen sie 50 Prozent der Weltbevölkerung. Die „alte“ Welt verliert, aber erkennt nicht, was heute passiert.

 

Wir sagen Nein zur Militarisierung der Außenpolitik. Im Schatten des Ukraine-Kriegs wurde das Konzept NATO 2030 beschlossen. Die NATO soll zu einer globalen Armee werden, vor allem gegen China. Wo wurde darüber so diskutiert, wie das notwendig gewesen wäre?

 

Wir fordern einen Stopp des Krieges, denn wir haben schon wieder zwei Jahre im Kampf gegen die Menschheitsherausforderung Klimakrise verloren. Die erste kritische Grenze wird dieses Jahr erreicht werden. Und schon bald beginnen die gefährlichen Kipppunkte, die das Erdsystem massiv schädigen und die Erderwärmung drastisch beschleunigen. Dazu gehören zum Beispiel das Austrocknen des Urwalds in Brasilien, einer der wichtigsten Regulierungssysteme im Kohlenstoffkreislauf. Oder das Absterben der Korallenriffe, die direkt oder indirekt 500 Millionen Menschen Arbeit geben. Oder die Verschiebung der thermohalinen Windbänder [weltweite Strömungen des Meerwassers und der Luftmassen; Red.] über dem Atlantik, die zu mehr Wetterextremen wie im Ahrtal führen werden. Oder in Sibirien, wo die Permafrostregionen auftauen und die Klimakrise dramatisch beschleunigen. Wir müssen schnell und konsequent handeln. Und zwar mit Russland, dem größten und ressourcenreichsten Land der Erde. Und auch mit China, dem neuen Konkurrenten der USA.

 

Wir fordern: Stoppt den Krieg, denn das Wichtigste sind die Menschen. Es ist ein Verbrechen, Menschen zu töten. Und es ist eine Tragödie, wenn unschuldige Kinder, die das Leben noch vor sich haben, ermordet werden.

 

Vor 60 Jahren hat John F. Kennedy die Entspannungspolitik begonnen. Das war sein Fazit aus der Kuba-Krise, als die Welt am Abgrund eines Atomkrieges stand. Willy Brandt zog daraus die Konsequenz der Friedens- und Ostpolitik, Egon Bahr brachte sie auf die Formel „Wandel durch Annäherung“. Sie wurden dafür massiv als „Vaterlandsverräter“ beschimpft. Aber diese Politik führte zu Abrüstung und Rüstungskontrolle, zur Verständigung und deutschen Einheit. Sie führte zum INF-Vertrag, durch den alle Raketensysteme zwischen 500 und 5.500 Kilometer verschrottet wurden.

 

Auch heute brauchen wir mutige Schritte für eine Entspannungspolitik in der globalen Welt. Wir brauchen Denk-Orte für eine solche Politik. Wie damals in der Akademie von Tutzing. Wir sind hier, weil wir das wollen.

Ich schäme mich, wenn „Zeitenwende“ Hochrüstung und Militarisierung sein sollen. Zeitenwende sind für mich soziale, ökologische und demokratische Reformen. Reformen, die unsere Welt braucht und bei denen wir vorangehen sollten.

 

20230901_182709

Guilian Can Karakaş, IGM-Jugend

Ich bin Guilian Can Karakaş, bin 19 Jahre alt mache eine Ausbildung zum Industriemechaniker bei John Deere im 4ten Lehrjahr. Zusätzlich bin ich Jugendausbildungsvertreter und auch Vertreter unserer GJAV. Außerdem bin ich aktiv in der IGM-Jugend.

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

ich stehe heute vor Ihnen, um meine Stimme gegen den furchtbaren Schatten des Krieges zu erheben. In einer Welt, die von Konflikten und Auseinandersetzungen geprägt ist, ist es unsere Verantwortung, die Stimme des Friedens und der Vernunft zu erheben.

Krieg ist ein Weg, den wir niemals wählen sollten. Die Zerstörung, der Verlust von Menschenleben und die langanhaltenden Narben, die er hinterlässt, sind unabsehbare Tragödien. Er trifft nicht nur die unmittelbar Betroffenen, sondern beeinflusst auch zukünftige Generationen, die mit den Folgen zu kämpfen haben.

Frieden zu schaffen, erfordert weitaus mehr Mut und Entschlossenheit als Krieg. Es erfordert die Bereitschaft, Konflikte auf friedliche und diplomatische Weise zu lösen, indem wir miteinander kommunizieren, Verständnis aufbringen und nach gemeinsamen Lösungen suchen. Die Geschichte zeigt leider, dass Krieg dauerhafter ist, wir hatten mehr Krieg in der Geschichte als Friedenszeiten. Aber du kannst gerne sagen, dass in der heutigen Zeit ein dauerhafter Frieden zum Greifen nahe sein könnte.

Lasst uns diejenigen hochpreisen, die sich für den Frieden eingesetzt haben – die Diplomaten, die Verhandlungsführer und diejenigen, die ihr Leben dem Dienst an der Menschheit gewidmet haben. Ihre Bemühungen haben gezeigt, dass es möglich ist, Konflikte auf gewaltfreie Weise zu lösen.

Heute stehen uns Mittel zur Verfügung, um Konflikte zu überwinden, die vorher undenkbar schienen. Die Macht der Kommunikation und des Dialogs ist größer denn je. Lasst uns diese Mittel nutzen, um Brücken zwischen Nationen und Kulturen zu bauen, anstatt Mauern der Trennung zu errichten.

Lasst uns gemeinsam daran arbeiten, eine Kultur des Friedens zu fördern, die auf Respekt, Toleranz und Zusammenarbeit basiert.

Es liegt in unserer Hand, die Waffen niederzulegen, den Dialog zu suchen und die Spirale der Gewalt zu durchbrechen. Indem wir uns gegen den Krieg aussprechen, setzen wir ein Zeichen für eine bessere Zukunft, in der unsere Kinder in einer Welt aufwachsen können, die geprägt ist von Verständnis, Mitgefühl und Solidarität.

Lassen Sie uns gemeinsam für den Frieden eintreten, denn nur durch unsere kollektiven Anstrengungen können wir eine Welt schaffen, die frei von Krieg und Leid ist.

Danke.

 

 

Pfr. Maximilian Heßlein, KDA

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gegnerinnen und Gegner des Krieges, vor allem aber liebe Freundinnen und Freunde des Friedens,

Meine Seele ist aus dem Frieden vertrieben; ich habe das Gute vergessen (Klgl 3,17).

So heißt es in den Klageliedern Jeremias und was ist es gut, dass wir heute am 1. September 2023, 84 Jahre nach dem Beginn des zweiten Weltkriegs, zusammenkommen, um dem, auch wenn die Welt uns heute anderes zu lehren versucht, gemeinsam entgegenzuwirken und vielmehr dafür einzustehen, dass der Friede in unseren Seelen und in unserer Welt seinen Platz findet und wir das Gute hochhalten, das dem Leben dient, für eine bessere Welt. Die nämlich tragen wir in unsere Zeit, weil sie möglich ist.

Der Krieg aber ist ein Verbrechen an der Menschheit und der Krieg bleibt ein Verbrechen an der Menschheit. Er zerstört die Vergangenheit, er zerstört die Gegenwart und vor allem aber zerstört er die Zukunft des Lebens. Genau deswegen bleibt gerade am heutigen Tag unsere Losung wie schon seit gut 100 Jahren und wir rufen es in die Welt: „Nie wieder Krieg!“ Darüber werden wir nicht verhandeln: Nie wieder Krieg! Dafür stehen wir hier.

So bin ich als Vertreter der Kirchen, vor allem aber als Vertreter der katholischen Arbeitnehmerbewegung und des evangelischen Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt, dankbar dem DGB und auch den Naturfreunden für die Einladung zu Mitwirkung und Kooperation; denn das verbindet uns ja zutiefst, dass wir ohne Wenn und Aber für das Leben einstehen, dass wir dieses Leben pflegen und erhalten wollen und dass wir diesem Leben eine Zukunft geben wollen in Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit. Und das kann nur im Frieden geschehen und nicht im Krieg. Niemals!

Also kommen wir zusammen und schauen in diese Welt. Und, ja, wegen der geographischen Nähe, wegen der Auswirkungen, die wir selbst spüren, und wegen der schlimmen Bilder, die wir fast täglich zu sehen bekommen, geht der Blick von Mannheim aus immer noch zuerst in die Ukraine, wo seit eineinhalb Jahren ein fürchterliches Gemetzel im Gang ist. Nach und nach sickern ja die Zahlen der Toten und Verletzten durch, die Zahlen derer, die das Leid tragen. Die sitzen ja in aller Regel nicht in den Regierungspalästen, sondern in den Hütten der einfachen Leute. Die werden in allen Kriegen zuerst verheizt. Schluss damit. Das muss aufhören.

Und deswegen muss der erste Ruf nach Moskau gehen und heißen: Schluss mit dem Angriff. Rückzug der Truppen. Ihr habt in der Ukraine nichts zu suchen! Eure Waffen müssen schweigen. Das Leid der Menschen, die Zerstörung der Städte müssen enden. Jetzt! Wer andere überfällt, rennt zurecht in sein eigenes Verderben. Wer könnte das besser erzählen als diejenigen, die mit der schlimmen deutschen Geschichte groß geworden sind.

Der Ruf geht dann auch nach Kiew und an die unterstützenden Länder: Sucht neue Wege, diesen Krieg zu beenden. Seit eineinhalb Jahren ist die Lösung immer mehr Waffen, immer mehr junge Frauen und Männer, die an der Front ihr Leben lassen. Das hat die Lösung bisher nicht gebracht und das wird die Lösung auch weiter nicht bringen. Der Blutzoll dieser Strategie ist grauenhaft.

Und dann geht der dritte Ruf in die Welt hinein. Er geht in der Verantwortung vor der Geschichte unseres Landes auch und gerade nach Berlin und heißt – und ist eigentlich mehr eine Frage: Wo sind denn die unerbittlichen Verhandler? Wo sind denn die Leute, die die hohe Kunst und Schule der Diplomatie noch können und die wissen, dass man Lösungen nicht mit der Brechstange erreichen kann, sondern mit Zeit, mit Phantasie, mit Kreativität? Wo ist die Unterstützung und die Ausdauer für Initiativen aus Südafrika und aus Brasilien? Wo sind eigene Ideen, dem Töten endlich Einhalt zu gebieten? Nichts gibt es dazu. Nur so aber wird es gehen.

Erst gestern war aus dem Außenministerium dagegen wieder zu hören, dass in der Ukraine unsere Werte und unsere Freiheit verteidigt würden und deshalb weitere Waffen geliefert werden müssten. Aber was für Werte und wessen Freiheit verteidigen die Ukrainer denn? Es sind ja doch nur die derjenigen, die heute all ihr Geld aus Mensch und Natur herauspressen.

Ich habe es so satt all diese Lügen, Verdrehungen und Verleumdungen zu hören und zu lesen. Wie können wir von Werten und von Freiheit dieser Gesellschaft reden, wenn dieses Land zwar bereit ist, für die Aufrüstung zum Töten 100 Milliarden Euro bereit zu stellen, aber für die Zukunft der ärmsten Kinder in diesem Land nicht einmal 2,5 Prozent davon? Nicht einmal 2,5 Prozent.

Wie können wir von Werten und Freiheit reden, wenn dieses Land achselzuckend zuschaut, dass Jahr für Jahr tausende Menschen ungesehen auf dem Mittelmeer oder in der Sahara Opfer einer sich immer weiter verschärfenden rassistischen Flüchtlingspolitik werden? Zugleich werden die Herkunftsländer unverändert hemmungslos ausgebeutet und klein gehalten. Fünf Militärputsche in Westafrika zuletzt sprechen ihre eigene Sprache.

Wie können wir von Werten und Freiheit reden, wenn in diesem Land der bei Weitem größte Niedriglohnsektor der westlichen Welt besteht und wir hier nicht einmal in der Lage sind, einen heute und im Alter armutsfesten Mindestlohn zu zahlen? Und dann kommt auch noch ein mehrfacher Millionär daher und redet von mangelnder Leistungsbereitschaft.

Der soll doch mal kommen und die Trucker in Gräfenhausen fragen nach Arbeitszeiten und Lohn oder die Rider bei Lieferando oder die Alleinerziehenden, die sich von Minijob zu Minijob hangeln, oder diejenigen, die in ihren Betrieben gemobbt und ausgegrenzt werden?

Wessen Werte sind denn das, die heute verteidigt werden müssen? Allein die auf dem Konto derjenigen, die eh schon genug haben?

Es sieht so aus, wie das alte Lied singt: Leeres Wort: des Armen Rechte! Leeres Wort: des Reichen Pflicht!

Ich kenne so viele Menschen, die Tag für Tag und Woche für Woche und Jahr für Jahr dieses Land am Laufen halten, die sich um ihre Arbeit, um ihre Familien, um ihre Nachbarschaft oder ihre Freundinnen und Freunde kümmern. Ich kenne so viele, die sich immer wieder für Zusammenhalt und eine bessere Gesellschaft einsetzen. Das ist so wichtig in dieser Zeit. Und immer wieder kommen die gleichen Leute daher, reden von Werten und Freiheit und spucken ihnen dann schamlos ins Gesicht. Damit muss Schluss sein.

Ich sage das heute so deutlich, weil ich sicher bin, dass wir den Frieden in der Welt und ein Ende der Kriege nur erreichen, wenn wir endlich auch in Wahrheit und Wahrhaftigkeit miteinander umgehen und es ebenso endlich schaffen, für Ausgleich, Beteiligung und Teilhabe an den Gütern dieser Welt zu sorgen. Dann stärken wir auch die Demokratie in diesem Land und auf der ganzen Welt. Denn nur dann wissen wir auch, was wir an ihr haben. Dann treten wir den Despoten wirksam entgegen und beenden ihre scheinheiligen Versprechen. Dann wächst der Friede in unseren Seelen und damit in der ganzen Welt und das Gute leuchtet in der Wahrheit über unserem Leben.

Biblisch gesehen, leuchtet dieses Leben in den allerschönsten und den allerbuntesten Farben des Regenbogens. Zeichen der Versöhnung, Zeichen des Friedens, Zeichen des Aufbruchs in eine neue Welt. Die Geschichte von der Sintflut erzählt eindringlich davon.

Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir auch heute in solch einer Sintflut stecken und in dem heillosen, selbst geschaffenen Chaos unserer Zeit nach den richtigen Wegen suchen. Ob wir derzeit auf dem richtigen Weg sind, kann ich nur bezweifeln. Dass wir aber in der Lage sind, miteinander den richtigen Weg zu finden und dann aus einer dunklen Vergangenheit in eine leuchtende Zukunft zu gehen, davon bin ich fest überzeugt. Aber es braucht gerade unsere Kraft und unseren Willen. Gut, dass wir genau dafür hier sind.

Aus der Geschichte von der Sintflut lässt sich übrigens auch lernen, dass die Vernichtung dieser Welt und des ganzen Lebens ein leichtes Spiel ist. Der Aufbau einer guten, gerechten, friedlichen Welt und Gesellschaft, der Aufbau von Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit aber eine Aufgabe, die wir über die Zeit nur gemeinsam schaffen. Packen wir es an.

Gottes Segen mit Euch und unseren gemeinsamen Wegen in eine friedliche und gerechte Welt.