Teile der Innenstadt bald Waffen- und Messerverbotszone?
Am Freitag, 27.10.2023, haben der Bürgermeister der Stadt Mannheim für Sicherheit und Ordnungm, Dr. Volker Proffen und der Präsident des Polizeipräsidiums Mannheim, Siegfried Kollmar, die aktuellen Planungen zur Einführung einer “Waffen- und Messerverbotszone” in Mannheim vorgestellt. Als Anlass für die Planung einer solchen Zone, werden gestiegene Zahlen von Gewaltdelikten mit Messern im Zeitraum von Januar bis September 2023 genannt, die einem bundesweiten Trend entsprechen und die Sicherheitsbehörden zum Handeln drängen. Zudem wird mit dem subjektiven Sicherheitsempfinden der Bevölkerung argumentiert, auf das Gewalt im öffentlichen Raum naturgemäß großen Einfluss hat.
Nach den Vorstellungen von Dr. Proffen wäre ein Beschluss im Gemeinderat am 14.11. möglich, sodass Teile der Quadrate, Bereiche um den Wasserturm sowie des Alten Messplatzes und der Vorplatz des Hauptbahnhofes zu bestimmten Zeiten (wochenendes und an Feiertagen von 6-20 Uhr) bereits zum 24.11. zu einer Waffen- und Messerverbotszone werden können.

Quelle: www.mannheim.de/de/nachrichten/waffen-und-messerverbotszone-geplant
Neben den Bestimmungen des Waffengesetzes, welches das Mitführen von Waffen- und bestimmten Gegenständen bereits verbietet, soll die Verbotszone auch Messer mit fester oder feststellbarer Klinge bis 4cm Länge umfassen, die vom Waffengesetz nicht erfasst sind. Die Verordnung liefert die Grundlage, den Besitz von Waffen oder Messern innerhalb der Zone anzuzeigen und mit einem Bußgeld (bis 10.000€) zu belegen. Für die Kontrolle der Verordnung soll die Polizei zuständig sein, wobei darauf hingewiesen wird, dass über die allgemeinen Kontrollmöglichkeiten nach dem Polizeigesetz oder der Strafprozessordnung hinaus, mit der Einrichtung einer Verbotszone keine weiteren Kontrollbefugnisse verbunden sind. Für die allermeisten Bürger und Bürgerinnen werde sich also gar nicht viel ändern und es sei aber auch klar, dass sich dadurch nicht alle Straftaten verhindern ließen, so die Einschätzung von Polizeipräsident Kollmar.
Dass mit der Verordnung keine Ausweitung der Kontrollmöglichkeiten einhergeht, mindert zunächst einmal die Befürchtungen, dass Menschen, die ohnehin bereits einem erhöhten Kontrolldruck ausgesetzt sind, noch leichter in den Fokus polizeilicher Maßnahmen geraten, wenn sie sich in der Innenstadt aufhalten. Auf Grund der Einrichtung einer “Ermittlungs- und Präsenzkonzeption Zentrum” wird dennoch mit einer sichtbareren Präsenz von Polizeikräften im Zentrum der Stadt zu rechnen sein.
In Bezug auf das subjektive Sicherheitsbefinden, was auch als Grund für die Waffenverbotszone heangezogen wird, ist wol fraglich ob es eher zu mehr gefühlter Sicherheit (Toll, die Polizei ist immer in der Nähe!) oder zu mehr gefühlter Unsicherheit (So viel Polizei? Hier muss es ja sehr unsicher sein!) führt. Überhaupt bietet der Verweis auf ein Fallen oder Steigen bestimmter Werte des subjektiven Empfindens nur unzureichende Hinweise auf konkrete Ursachen für existenzielle Gefühle von Angst und Sicherheit und schon gar nicht, wie diesen zu begegnen sei. In einer vermeintlich immer unsicherer und unüberschaubarer werdenden Welt, scheint es nur verständlich, wenn das Sicherheitsempfinden großer Teile der Bevölkerung sinkt, unabhängig davon, wie hoch das Risiko ist in der Mannheimer Innenstadt Opfer einer schweren Straftat zu werden.
Die Frage, ob eine solche Waffenverbotszone notwendig sei, lässt sich damit allein nur schwer beantworten. Bezieht man sich bei dieser Frage aber allein auf Zahlen, gerät man schnell in einen heiklen Diskurs darüber, ab wie viel Verletzten oder gar Getöteten eine Sicherheitsmaßnahme nun angemessen sei.
Umso wichtiger ist jedoch die Forderung, dass die Stadt Mannheim Maßnahmen, die in Rechte von Bürger:innen eingreifen, auch evaluiert und überprüfbar macht. Das heißt nicht nur die zugrundliegenden Zahlen bereitzustellen, sondern auch zu erklären, anhand welcher Kriterien sie den Erfolg oder Misserfolg von Maßnahmen bemisst. Eine wissenschaftliche Begleitung wäre zudem wünschenswert, vor allem weil sich Erfahrungen mit solchen Verbotszonen aus anderen Städten wie Leipzig oder Stuttgart nur bedingt auf Mannheim übertragen lassen, da es sich jeweils um Städte mit eigenen Besonderheiten handle, wie auch Polizeipräsident Kollmar zugibt.
Aus der Frage der jeweiligen Kriterien ergeben sich dann auch zwangsläufig Fragen nach den Folgen, wenn bestimmte Werte erfüllt oder nicht erfüllt werden. Wird die Verbotszone aufgehoben, wenn die Anzahl der beschlagnahmten Messer unter einem bestimmten Wert bleibt? Wird die Verbotszone ausgeweitet, wenn die genannten Straftaten in der Innenstadt zwar nachlassen, sich aber nur in umliegende Bereiche verlagern? Spricht ein sich erhöhendes Sicherheitsemfpinden für den Beibehalt oder die Beendung der Verordnung?
Auf diese Fragen lieferte die heutige Pressekonferenz leider nur ungenügende Antworten. Für den aktuellen Stand der Planungen scheinen diese zwar auch weniger relevant zu sein, eine Beschäftigung damit wird mittelfristig jedoch unerlässlich, wenn man die Maßnahme ergebnisoffen überprüfen will, was nicht die Aufgabe der Polizei ist, aber sicher diejenige der sie demokratisch kontrollierenden Institution, also der Stadt Mannheim. Auch aus der Frage nach den Ursachen für die zunehmenden Gewaltdelikte und des Mitführens von Messern, ergibt sich ein Auftrag an die Verantwortlichen der Stadt Mannheim, da die Polizei für derlei ungeeignet erscheint.
Polizeipräsident Kollmar könne sich überhaupt nicht vorstellen, wozu man zum Spazieren, Einkaufen oder Essengehen in der Mannheimer Innenstadt ein Messer brauche. Nun sind Innenstädte nicht nur Orte für Besucher:innen, die sich ihrer Shopping- und Lebenslust hingeben, um es sich danach wieder in ihren beschaulichen Vororten bequem zu machen, sondern auch Lebensorte vieler Menschen und damit Kristallisationspunkte gesellschaftlicher Konflikte. Über die Nicht-Sinnhaftigkeit des Tragens von Waffen lässt sich aus der Perspektive der gehobenen Mittelklasse natürlich leicht urteilen. Fest steht jedoch, dass bestimmte Gruppen, vor allem männliche Jugendliche, für sich Gründe finden, bewaffnet unterwegs zu sein. Sei es jugendlicher Geltungs- und Selbstbehauptungsdrang, ein tatsächliches Schutzbedürfniss auf Grund von Bedrohungen oder auch nur das Gefühl von Macht in einer Welt, die das Individuum immer ohnmächtiger erscheinen lässt.
Wenn man sich nicht mit den Ursachen beschäftigt und stattdessen komplexe Phänomene wie Jugenddelinquenz, Gewalt- und Straßenkriminalität auf die reine Verteilung von Messern in einem bestimmten Gebiet runterdampft, droht auch die Waffenverbotszone eine oberflächliche Maßnahme zu werden, die sich lediglich dem Erleben und Sicherheitsempfinden der Besucher:innen der Mannheimer innenstadt widmet und den Blick auf nachhaltige Lösungen verstellt.
DeBe