Sahra Wagenknecht in Mannheim: „Wir brauchen einen politischen Neubeginn“
“Der Ampelregierung und der CDU/CSU die rote Karte zeigen”
Auf dem Altern Messplatz kamen am Samstag, den 25 . Mai, nach Polizeiangaben 700 Menschen zusammen, um der Kundgebung des „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (kurz BSW) zu den kommenden Europawahlen beizuwohnen.
Die Teilnehmerzahl ist insofern bemerkenswert, da dieser Wert im bisherigen Europawahlkampf der mit Abstand größte ist.
Dies ist offensichtlich der Zugkraft der Vorsitzenden der neuen Partei, Sarah Wagenknecht, zu verdanken. Außer Wagenknecht sprachen Thomas Geisel, der ehemalige Oberbürgermeister der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf, der auf Listenplatz 2 der Europawahlliste kandidiert, und Judith Benda, Platz 8.
Die Themen, die in den Reden angesprochen worden sind, decken sich mit den sieben Schwerpunktthemen, die im Kurzwahlprogramm zur Europawahl drinstehen. Einzig der umstrittene Punkt „Migration“ blieb außen vor, möglicherweise, um Konfliktstoff rauszunehmen. Man musss allerdings sagen, dass die dort umstrittenen angesprochenen Punkte wie Asylverfahren in Drittstaaten inzwischen auch von
den anderen Parteien im Bundestag außer der LINKEN vertreten werden.
Der Mannheimer Morgen konzentrierte sich in der Berichterstattung über die Veranstaltung in etwas seltsamer Weise auf Randnotizen, die der Autor auf der Veranstaltung erlebt haben will.
Wagenknecht und Geisel ließen keinen Zweifel in der Verurteilung des Ukraine-Krieges als völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands. Sie kritisierten allerdings die Rolle der Bundesregierung scharf. Statt sich für einen Waffenstillstand, der der Beginn von Verhandlungen sein könnte, einzusetzen, tue sie alles, um den Krieg weiter anzuheizen. „Kriegstüchtigkeit“ und das von Kiesewetter und Hofreiter geforderte Überschreiten der „Roten Linie“ wurde von Wagenknecht scharf kritisiert. „Was bedeutet das Überschreiten der Roten Linie?“ fragte sie und gab die Antwort. Das bedeute, dass Deutschland nun auch offiziell Kriegspartei werde. Geisel wiederum beschwor die Zeiten, als sich die EU noch als europäisches Friedensprojekt verstand. Als Gorbatschow die Vision eines „gemeinsamen europäischen Hauses“ hatte. Die von Baerbock proklamierte „wertebasierte Außenpolitik“ sei „Heuchelei und Doppelmoral, da sie Putin zwar ausgrenze, andere Diktatoren wie im Nahen Osten aber hofiere.
Wagenknecht und die anderen Redner wandten sich gegen die Tendenz, dass mit der militärischen Karte Konflikte gelöst werden sollen. Das gelte auch für den Israel/Gaza-Krieg. Wagenknecht verurteilte den Hamas-Angriff vom 7. Oktober 2024 als terroristischen Anschlag. Israels Krieg in Gaza gegen die palästinensische Bevölkerung habe jedoch mit „Selbstverteidigung nichts mehr zu tun“ und müsse sofort beendet werden.
Es wurden auch Themen angesprochen, wie Europapolitik, Sozialpolitik und Bildungspolitik. Bzgl. Europa wandte sich Geisel dagegen, dass durch eine „regelungswütige Bürokratie“ immer mehr in Brüssel entschieden werde. Die nationalen Parlamente und die Kommunen bräuchten einen größeren Handlungsspielraum. Stattdessen sollte sich die EU mit Ursula von der Leyen an der Spitze darum kümmern, wie internationale Konzerne dazu gebracht werden, vernünftig Steuern zu bezahlen, und wie Steueroasen trockengelegt werden. Zur Sozialpolitik wurde das Thema Rente angesprochen. 50 % der Renten liegen unter 1.100 € monatlich. Dass eine Rente, die zum Leben ausreichend ist, möglich sei, zeige das Beispiel Österreich. Hier liege die Durchschnittsrente bei 2.000 € und damit um 600 € über der deutschen Rente. Wie seien diese Niedrigrenten mit dem Grungesetz vereinbar, wo es gleich am Anfang heiße, “die Würde des Menschen ist unantastbar”? Auch beim Mindestlohn sei Deutschland eher Schlusslicht und bestehe Nachbesserungsbedarf. Die europäische Richtlinie zum Mindestlohn gebe für Deutschland einen Mindestlohn von über 14 € vor.
Auch die AfD wurde in den Reden erwähnt. Wagenknecht kanzelte sie als Partei, in der sich “Nazis und Faschisten“ tummeln, ab. Der Spitzenkandidat zur Europawahl, habe sich ja gerade geäußert, „Ja die SS, war doch ganz ok.“
Allerdings machten die Redner deutlich, dass die unsoziale Politik der Ampelparteien und der Vorgängerregierungen mit der CDU/CSU ein gerütteltes Maß an Mitverantwortung hätten. Geisel zitiert in diesem Zusammenhang Fabio di Masi, „die Ampel ist die Erntehelferin der AfD.“
Bei den Europawahlen gelte es, für eine andere Europapolitik zu werben. Aber es gehe mit einer Wahl des BSW auch darum, der Ampelregierung und der CDU/CSU die „rote Karte“ zu zeigen. „Wir brauchen einen politischen Neubeginn“, so Sahra Wagenknecht.
In keiner Rede durfte die Zahl 28 fehlen. Das ist nämlich für das BSW der Listenplatz bei der Europawahl.
Die Reden wurden immer wieder durch begeisterten Beifall begleitet. Sachargumente standen im Vordergrund, aber auch die Polemik gegen andere Parteienvertreter kam nicht zu kurz. Das ist in Zeiten des Wahlkampfes aber wohl normal.
Roland Schuster