Friedensbotschaft aus Heidelberg nach Nord- und Ostsyrien
Mehrere hundert Menschen hissten am Sonntag, den 26. Januar, übergroße Transparente von der Alten Brücke und dem Heidelberger Schloss. Kern ihrer Botschaft: Frieden in Nord- und Ostsyrien. Anlass ist die wiederholte völkerrechtswidrige Bombardierung von zahlreichen Zivilist:innen am sogenannten Tişrin-Staudamm des Euphrat-Flusses.
Über 400.000 Menschen sind seit dem 10. Dezember wegen der Angriffe auf den Tişrin-Staudamm ohne Strom und Wasser. Eine anhaltende Bombardierung erhöht die Gefahr, dass der Staudamm getroffen wird und bricht. Das hätte als gravierende Folge unter anderem die Überschwemmung vieler nord- ostsyrischer Städte.
“Unsere Freunde und Familien demonstrieren vor Ort gegen die seit Wochen anhaltenden Angriffe auf ihre überlebenswichtige Wasser- und Stromversorgung. Sie sind unbewaffnet. Die türkische Armee ist sich dessen vollkommen bewusst. Und dennoch gibt es jeden Tag neue Berichte über Verletzte und sogar Tote durch die türkischen Drohnenangriffe. Die internationale Gemeinschaft muss diese Massaker sofort stoppen”, so die Aktivistin Mona, die Teil des Protests in Heidelberg ist.
Der Tişrin-Staudamm, über dem Fluss Euphrat, ist die Landverbindung zum Gebiet von Syrien nach DAANES. Das erklärte Ziel des türkischen Präsidenten Erdogans ist die Einnahme der hinter dem Staudamm liegenden Stadt Kobanê sowie die Zerstörung der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES). Vor genau 10 Jahren war die Stadt Kobanê zum Symbol des Widerstandes gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) geworden. Die Befreiung von Kobanê vom IS durch die kurdischen Selbstverteidigungskräfte (YPG) und die Frauenselbsverteidigungseinheiten (YPJ), unterstützt durch eine US-geführte internationale Koalition, markierten den entscheidenen Wendepunkt im Kampf gegen den IS.
Demokratische Hoffnung in Rojava
In Mitten der Wirren des ehemaligen syrischen Bürgerkrieges um die Assad-Diktatur bauten die Menschen in Nord- und Ostsyrien seit 2012 eine unabhängige demokratische Selbstverwaltung auf. Die Gesellschaftsordnung in DAANES stützt sich auf die Grundpfeiler Freiheit der Frau, Basisdemokratie und Ökologie.
Dieser hoffnungsstiftende Gesellschaftsentwurf und seine gelebte Realität in Nord- und Ostsyrien, auch unter dem kurdischen Namen Rojava bekannt, war ebenfalls Gegenstand einer internationalen Tagung am 25. und 26. Januar unter dem Titel “Perspektive Rojava” des Collegium Academicum, die durch die Stadt Heidelberg gefördert wurde.
Auf der Tagung wurde auch auf die aktuelle Situation am Tişrin-Staudamm eingegangen. Zu Gast waren unter anderem die Eltern der Menschenrechtsaktivistin Lea Bunse, die Teil des Protests am Staudamm war und bei einem der türkischen Drohnenangriffe verletzt wurde. Zurzeit befindet sie sich wie viele andere verletzte Menschen im Krankenhaus.
„Unsere Tochter Lea war empört über die Angriffe auf den friedlichen Protest am Tişren-Staudamm. Als sie erfahren hat, dass zivile Konvois ohne Grund bombardiert wurden, war für sie klar, dass sie Teil des Protestes sein muss. Als Eltern von Lea stehen wir hinter dem mutigen Einsatz unserer Tochter und dem aller Menschen, die noch vor Ort sind. Wir wünschen außerdem allen Verletzten gute Besserung und sind in Gedanken bei den Angehörigen der Getöteten.“, so äußern sich die Eltern und fordern in ihrer Rede eine Flugverbotszone über Rojava und einen sofortigen Stopp der Bombardements gegen die Zivilist:innen am Staudamm.
Bei einer Messerattacke eines Islamisten gegen einen kurdischen Aktivisten erst gestern am 25. Januar in Kiel wird deutlich, dass Islamismus auch in Deutschland eine konkrete Bedrohung für friedlichen Protest darstellt.
Deutschland als enger Verbündeter der Türkei sollte seine Verantwortung ernst nehmen und sich gegen die laufenden Menschenrechtsverbrechen des türkischen Staates gegen die Selbstverwaltung DAANES einsetzen, die seit mehr als einem Jahrzehnt aktiv gegen Islamismus und für Frieden kämpft.