Zusammenarbeit von CDU, FDP und AfD löst Proteste auch in Mannheim aus
Die gemeinsame Abstimmung eines Antrags zur Verhinderung von Migration, den CDU, FDP und AfD gegen die übrigen im Bundestag vertretenen Parteien durchsetzen konnten, führt zu Protesten – auch in Mannheim. Am Samstag ist eine Kundgebung am Alten Messplatz geplant. Der berühmte Mannheimer Fotograf Luigi Toscano will sein Bundesverdienstkreuz zurück gegeben und sagt: „Ich will nicht für so ein Deutschland stehen“.
Antrag gegen das Grundrecht auf Asyl
Am Mittwoch hatte es im Bundestag eine hitzige Debatte zur deutschen Migrationspolitik gegeben. Die AfD hatte öffentlich angekündigt, einen CDU/CSU Antrag zu unterstützen und es war klar, dass dieser nur mit den Stimmen von FDP und AfD eine Mehrheit finden kann. SPD, Grüne und Linke hatte der CDU/CSU daraufhin Tabu- und Wortbruch vorgeworfen, da es zum ersten mal zu einer offenen Kooperation mit der faschistischen Partei kommen würde.
Der Antrag sah 5 Punkte vor:
- Dauerhafte Grenzkontrollen
- Zurückweisung aller Einreiseversuche von Ausländern ohne bestehendes Aufenthaltsrecht
- Inhaftierung aller „vollziehbar ausreisepflichtigen“ Personen
- Unterstützung der Länder beim Vollzug der Ausreisepflicht und mehr Befugnisse für die Polizei
- „Unbefristeter Ausreisearrest“ für „Straftäter und Gefährder“
Faktisch handelt es sich um einen Antrag, der das Grundrecht auf Asyl verneint. Die Abstimmung verlief so, wie befürchtet. Mit den Stimmen von CDU/CSU, FDP und AfD (und einigen fraktionslosen) fand der Antrag eine Mehrheit.
Was man ergänzend erwähnen sollte: Ein Antrag ist kein Gesetz, rechtliche Wirkung hat die Entscheidung daher noch nicht. Die Regierung wird durch einen Antrag aufgefordert zu handeln. Weitreichendere Entschlüsse könnten aber folgen. Für Freitag hat die CDU/CSU einen Gesetzentwurf („Zustrombegrenzungsgesetz“) ins Parlament eingebracht, bei dem sie erneut mit einer Unterstützung der AfD rechnet.
Der Antrag der CDU/CSU kann hier nachgelesen werden: https://dserver.bundestag.de/btd/20/146/2014698.pdf
Abstimmung unmittelbar nach Holocaust-Gedenken
Besonders abscheulich wurde die Debatte dadurch, dass kurz davor noch eine Veranstaltung zum Holocaust-Gedenktag im Bundestag stattgefunden hatte. Millionen Menschen mussten damals aus Deutschland und den überfallenen Ländern fliehen, um ihr Leben zu retten. Sie suchten Asyl in England, in der USA, in Palästina oder anderen Ländern. Den meisten gelang die Flucht nicht. Sie wurden aus politischen oder rassistischen Gründen eingesperrt, viele von ihnen ermordet.
Der Blick in die Vergangenheit sollte eigentlich allen klar machen, wie wichtig das Asylrecht ist. Trotzdem stimmte die Mehrheit des Bundestags nur wenige Stunden später für die faktische Abschaffung des Grundrechts. Asylsuchende sollen an der Grenze ohne Anhörung abgewiesen werden.
Kundgebung „Wir sind die Brandmauer“ am Samstag
Zahlreiche heftige Reaktionen wurden von dieser neuartigen Kooperation mit Faschist*innen ausgelöst. CDU-Chef Merz wurde Wortbruch vorgeworfen, da er zuvor von einer „Brandmauer“ gegen die AfD gesprochen und eine Kooperation ausgeschlossen hatte. Am Abend gab es eine Demo vor der CDU Parteizentrale in Berlin. Zahlreiche Künstler*innen haben sich mit einem offenen Brief für die „Erhaltung der Brandmauer“ ausgesprochen.
Für den kommenden Samstag, 1. Februar ist eine Kundgebung mit dem Motto „Wir sind die Brandmauer“ auf dem Alten Messplatz geplant. Die Initiative dazu hatten Marko Andelic (SPD) und Gerhard Fontagnier (Grüne). „Jetzt gilt es zusammenzuhalten und die Reihen gegen die Angriffe auf eine offene und vielfältige Gesellschaft zu stoppen“ schreiben sie in ihrem Aufruf, den wir weiter unten dokumentieren.
Luigi Toscano und Albrecht Weinberg geben Bundesverdienstkreuz zurück
Der Mannheimer Fotograf und Filmemacher Luigi Toscano will in einer gemeinsamen Aktion mit dem 99-jährigen Holocaust-Überlebenden Albrecht Weinberg die ihnen verliehene Bundesverdienstkreuze zurück geben. “Entweder empfängt uns der Bundespräsident, oder wir werfen es bei ihm in den Briefkasten” sagte Toscano zu tagesschau.de
Toscano ist für seine fotografischen Werke international berühmt geworden. Er porträtierte Holocaust-Überlebende in einer sehr persönlichen und berührenden Art und Weise und kämpfte damit gegen das Vergessen an.
Toscano appelliert an die Verantwortung aller, die sich aus der deutschen Geschichte ergebe. „In all den Jahren, in denen ich an dem Fotoprojekt gearbeitet habe, haben mir die Holocaust-Überlebenden gesagt, dass es damals genauso gewesen sei und dass niemand etwas getan habe.“ sagte er in einem Interview mit der taz. „Wir dürfen nicht den gleichen Fehler machen wie damals.“
CDU dürfte ihren Kurs fortsetzen
Zwar hat sich mittlerweile auch die ehemalige Kanzlerin Merkel eingeschaltet und die CDU Strategie kritisiert. Doch ihren einstigen Rivalen Merz dürfte das wenig beeindrucken.
Nach aktuellen Umfragen im Auftrag des ZDF Politbarometers ist die Bevölkerung gespalten, was die Zusammenarbeit von CDU und AfD angeht. 47% der Befragten findet es gut, 48% finden es nicht gut. Wichtig ist aber die Differenzierung nach Parteizugehörigkeit. Von den Unions-Anhänger*innen finden 66% der Befragten die Kooperation mit der AfD gut. Das dürfte für Merz Bestätigung sein und lässt vermuten, dass die rechte Kooperation mit der AfD eher noch ausgebaut wird.
Eine Zusammenarbeit von CDU und AfD auf kommunaler Ebene ist dann wohl auch in Mannheim nur noch eine Frage der Zeit. Ist Ostdeutschland ist das ohnehin schon längst Realität. Initiativen und Bündnisse gegen rechts sollten sich davon verabschieden, bei CDU und FDP mögliche Bündnispartner zu sehen. Sie sind Teil des Problems, nicht der Lösung. Ihr Gerede von Brandmauern ist nicht mehr als opportunistisches Geschwafel.
(cki)
Terminhinweis
Kundgebung WIR SIND DIE BRANDMAUER
Samstag, den 1. Februar 2025 um 13:00 Uhr
am Alten Messplatz in der Mannheimer Neckarstadt
Das Ende der „Brandmauer“ am 29. Januar 2025, wenige Tage nach dem Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust, hat uns entsetzt. Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.
Noch im November schloss CDU-Chef Friedrich Merz jede Spekulation auf AfD-Stimmen aus und bot den demokratischen Parteien die Abklärung von Anträgen, bevor sie auf die Tagesordnung kommen, an. Wer dann aber darauf und auf Kompromisse verzichtet, verlässt die Reihe der demokratischen Parteien.
Die bewusste Spekulation auf Unterstützung durch die AfD ist ein Dammbruch und ein historisches Negativereignis, bei dem erstmals seit Gründung der Republik eine demokratische Partei mit Unterstützung der Rechtsradikalen eine zudem unnötige und nicht rechtsverbindliche Abstimmung durchdrückt.
Das undifferenzierte Hetzen auf ganze Bevölkerungsgruppen angesichts der schrecklichen Taten ist nicht lösungsorientiert, sondern menschenfeindliche Stimmungsmache. Diese Hetze ist Instrumentalisierung für die Interessen und Vorteile derer, die die Axt an Demokratie und Zusammenleben legen wollen.
Jetzt gilt es zusammenzuhalten und die Reihen gegen die Angriff auf eine offene und vielfältige Gesellschaft zu stoppen. Dazu braucht es unser aller Engagement!
Kommt alle, kommen Sie alle zu unserer stationären Kundgebung am Samstag, den 1. Februar 2025 um 13:00 Uhr am Alten Messplatz in der Mannheimer Neckarstadt
Eine private Initiative von
Marko Andelic, Gerhard Fontagnier
und weiteren Unterstützer*innen