Anschlag auf ver.di Streikdemo in München: „Tod und Verlust darf nicht benutzt werden, um Hass zu schüren“

In Mannheim war der Morgen des Donnerstag, 13. Februar am Gewerkschaftshaus entspannt und friedlich. Eine Streikdemo mit rund tausend Beschäftigten des öffentlichen Dienst zog gut gelaunt durch die Quadrate. Erst zum Ende der Veranstaltung auf dem Alten Messplatz kamen die ersten Infos aus München.

Ein Auto war dort von hinten in eine parallel stattfindende Streikdemo gerast und hatte zahlreiche Menschen schwer verletzt. Es war ein Anschlag, offenbar religiös motiviert, wie Ermittler später mitteilten. 36 Menschen wurden zum Teil schwerst verletzt, eine Mutter und ihre zweijährige Tochter starben zwei Tage später an ihren Verletzungen.

Frank Wernecke, ver.di Bundesvorsitzender spricht vom „brutalsten Angriff auf eine gewerkschaftliche Veranstaltung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“.

Wer waren die Opfer?

Amel ist der Name der 37 jährigen Mutter, die als Ingenieurin beim Fachbereich Stadtentwässerung der Stadt München angestellt war. Sie ist in Algerien geboren und kam als Kind nach Deutschland, wo sie Umweltwissenschaften studierte.

Sie soll sich für Solidarität, Gleichheit und Arbeitnehmer*innenrechte und gegen Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung eingesetzt haben. Sie hatte beim Streik ihre kleine Tochter Hafsa im Kinderwagen dabei.

„Wir sind zutiefst erschüttert über diese schreckliche Tat. Dass friedlich demonstrierende Menschen, die für ihre berechtigten Interessen eintreten, Opfer einer Gewalttat werden, macht uns fassungslos“ sagt die bayerische Landesbezirksleiterin Luise Klemens.

Stellungnahme der Familie und Freunde

Am Samstag veröffentlichte ein enger Familien- und Freundeskreis der Opfer eine Stellungnahme, in der sie darum baten, den Tod und Verlust nicht zu benutzen, um Hass zu schüren und ihn politisch zu instrumentalisieren. Genau das ist leider direkt nach der Tat geschehen – so traurig, wie erwartbar.

„Wir möchten uns zunächst bei denen herzlich bedanken, die aufrichtige Anteilnahme und Solidarität gezeigt haben. Wir bedanken uns bei den Hilfskräften, bei den Pflegekräften, Ärztinnen für die gute Unterstützung, Begleitung und für den emotionalen Beistand. Amel ist in Algerien geboren und ist mit vier Jahren nach Deutschland gekommen. Sie studierte Umweltschutz in Köln und Bingen. Seit 2017 war sie Beschäftigte der Landeshauptstadt München als Ingenieurin. Sie war Projekt- und Sachgebietsleitung. Gemeinsam mit ihrem Mann und ihrer Tochter Hafsa lebte sie seit 2017 in München. Amel war ein Mensch, der sich für Gerechtigkeit eingesetzt hat. War aktiv für Solidarität, Gleichheit und setzte sich für Arbeitnehmer*innenrechte ein und gegen Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung. Ihr war es sehr wichtig, ihrer Tochter diese Werte mitzugeben.
Wir möchten bekräftigen, dass der Tod und der Verlust nicht benutzt werden, um Hass zu schüren und ihn politisch zu instrumentalisieren. Wir haben mit dieser Erklärung alles gesagt und möchten eindringlich darum bitten, von Anfragen abzusehen, da die Trauer und der Verlust nun im Vordergrund stehen.“
Stellungnahme der Familie und Freunde

Was zum Täter bekannt ist

Unmittelbar nach der Tat veröffentlichten bayerische Sicherheitsbehörden Informationen zum Täter, die kurz darauf wieder korrigiert werden mussten.

Nach letzten Informationen soll der Mann absichtlich und aus religiösen bzw. islamistischen Motiven in die Menschenmenge gefahren sein. Der Täter soll ein 24 jähriger Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes sein, der bislang den Behörden weder als Straftäter, noch als Islamist bekannt gewesen sei. Er sei in Afghanistan geboren und als 15 jähriger im Jahr 2016 alleine nach Deutschland gekommen. Er habe sich legal in Deutschland aufgehalten.

Die Ermittlungsbehörden konnten bislang keine weiteren Tatbeteiligten feststellen und haben auch keine Hinweise, dass der Täter Mitglied eines Netzwerks oder einer Terrororganisation, wie z.B. Islamischer Staat (IS) sei.

Antworten und Solidarität, keine politische Instrumentalisierung

Familie, Freund*innen und ver.di Kolleg*innen wird der Raum zum Trauern genommen. Bereits kurz nach der Tat wurde sie von den Rechten politisch instrumentalisiert für Spaltung, Hass und Hetze.

Am Sonntag veranstaltete die AfD in München eine Kundgebung mit Bezugnahme auf den Anschlag, unter den Teilnehmenden mehrere Bundestagskandidaten, die bereit standen, politisches Kapital aus der Angst der Menschen zu schlagen. Die Hetze der AfD greift pauschal alle Geflüchteten und Zugewanderten an. “Grenzen dicht” hätte für Täter, wie Opfer gleichermaßen Ablehnung bedeutet.

Gegen menschenfeindliche Hetze, sei sie religiös oder rassistisch motiviert, hat die AfD keine Antwort. Im Gegenteil wissen wir, dass die Täter der Anschläge von Hanau, Halle und Magdeburg allesamt Anhänger der AfD waren.

Ver.di und die Omas gegen Rechts stellten sich den Faschisten in München entgegen. Die ver.di Jugend erklärte: „Das Leid und der Schmerz unserer Kolleginnen und Kollegen gehört nicht euch.“

„Natürlich muss darüber diskutiert werden, welche Konsequenzen Verbrechen haben“, sagt dazu Frank Wernecke. Das bedeute für ihn aber nicht, das Recht auf Asyl auszuhebeln und Schutzsuchenden sämtliche Fluchtwege zu versperren.

Betroffen von solchen Angriffen seien immer auch Menschen mit Migrationsgeschichte, so wie zuletzt in Magdeburg und Aschaffenburg nun auch in München unter den ver.di-Kolleg*innen. „Wir stehen für ein solidarisches Miteinander, gerade auch in so einer dunklen Stunde.“

„Jetzt ist konkrete Hilfe, jetzt ist unsere Solidarität gefragt“, heißt es in einer Mitteilung der Gewerkschaft, die zu Spenden für die Betroffenen und ihren Familien aufgerufen hat.

Spendenkonto:
Gewerkschaften helfen e.V.
IBAN: DE55 2505 0000 0152 0114 90
BIC: NOLADE2HXXX
Stichwort: Opfer Demo München

„Wir werden uns in den kommenden Tagen und Wochen bei den mit Streiks und gelebter Solidarität verbundenen Demonstrationen und Kundgebungen Raum geben, unserer Münchener Kolleg*innen, den Opfern und ihren Angehörigen zu gedenken und als Gewerkschaftsfamilie einander auch in dieser Zeit beizustehen.“ erklärt Frank Wernecke. (cki)