Veranstaltungsbericht: FRIEDENSLOGIK VERSTEHEN
Frieden hat man nicht. Frieden muss man machen
So lautet der sehr treffende Untertitel des Buchs „Friedenslogik verstehen“, das die Friedens- und Konfliktforscherin Hanne-Margret Birckenbach geschrieben hat. Bei einer Veranstaltung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, GEW, am 12. März 2025 in Heidelberg stellt die emeritierte Professorin dar, wie es möglich ist, aus der Gewalteskalation auszusteigen und die gewaltfreie Konfliktbearbeitung zu stärken.
Zu Beginn ihres Vortrags erinnerte sie an den Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker und dessen Kritik der atomaren Abschreckung. Diese beruht einerseits auf dem Aufbau eines Atomwaffenarsenals und andererseits der Drohung, diese auch einzusetzen. Weizsäcker bewies, dass damit lediglich eine instabile Balance des Schreckens erreicht werde und es zu einem eskalierenden Wettrüsten zwischen den Supermächten kommen werde.
Nach Birckenbachs Hinweis darauf, dass das politische Handeln zunehmend vom Mythos der erlösenden Gewalt geprägt sei, definierte sie ihr Verständnis von Frieden.
Frieden entsteht in der Gegenwart von Unfrieden, wenn trotz Konflikt und im Konflikt Gewalt abnimmt, Kooperation zunimmt, gesellschaftspolitische Strukturen dazu drängen, Gewalt zu unterlassen und zu kooperieren.
Dann ging sie auf den Zusammenhang von Sicherheit und Frieden ein. Das sicherheitslogische Denken entkopple das Streben nach Sicherheit und Frieden und bewirke mehr Unsicherheit und mehr Unfrieden. Demgegenüber binde friedenslogisches Denken das Streben nach Sicherheit an Frieden und führe zu mehr Sicherheit und mehr Frieden. Kurz gesagt, Frieden und Sicherheit dürfe nicht zu einem Gegensatz gemacht werden. Die NATO ist kein friedensverträgliches Sicherheitskonzept. Ein tatsächlich friedensverträgliches Sicherheitskonzept, so Birckenbach, müsse an den Kriterien kollektiv, gemeinsam, kooperativ und menschlich ausgerichtet sein.
Seit 2021 sind Atomwaffen aufgrund des völkerrechtlich in Kraft getretenen Atomwaffenverbotsvertrags (AVV) geächtet und dürften kein Instrument der Sicherheitspolitik mehr sein. Birckenbach betonte, wie wichtig das Engagement von friedens- und zivilgesellschaftlichen Gruppen für das Zustandekommen des AVV gewesen sei.
Handlungsprinzipien der Friedenslogik
Auf die fünf Handlungsprinzipien der Friedenslogik
– Gewaltprävention,
– Konflikttransformation,
– Dialogverträglichkeit,
– normorientierte Interessenentwicklung,
– Fehlerfreundlichkeit
ging Birckenbach anhand einer Grafik ausführlich ein.
Wenn scheinbar unvereinbare Interessen in der Konfliktbearbeitung aufeinander stoßen, sollte versucht werden, nach Zwischenlösungen zu suchen. Um Gewalt zu mindern, sei es wichtig, dass Formen der Kooperation gefunden werden, auch wenn die handelnden Personen gegenseitige Abscheu empfänden. Für Begegnungen und Gespräche seien geschützte Räume wichtig. Bei der Konfliktbearbeitung sei es wichtig, Personen einzubinden, die in allparteilicher Konfliktbearbeitung geschult seien.
Wie wichtig das Finden von kreativen Lösungen ist, verdeutlichte sie am Beispiel einer Gruppe von Menschen aus der Ukraine und Russland. Diese tauschten sich darüber, wie künftige Grenzen durchlässig gemacht werden können unabhängig davon, wo diese zu einem späteren Zeitpunkt verlaufen werden.
Statt Grenzen mit militärischer Infrastruktur auszurüsten wies Birckenbach auf den 1.200 Hektar großen binationalen Friedenspark hin, der im Zuge der Beilegung der Grenzkonflikte zwischen Ecuador und Peru geschaffen wurde.
UN-Institutionen zu nutzen, spielt eine wichtige Rolle in der Friedenslogik, in deren Umfeld das Lieferkettengesetz entstanden ist. Es ist auch ein Beispiel für Normverträglichkeit, ging es doch darum, menschenwürdige Arbeitsbedingungen und wirksamen Arbeitsschutz zu erreichen.
Nach dem Vortrag stellte das Publikum zahlreiche Fragen. Bei einer ging es um die Rolle von Geheimhaltung und Geheimdiensten für die Konfliktbearbeitung. Birckenbach sagte, dass Geheimdienste ein problematisches Eigenleben entwickeln und Dialogprozesse belasten könnten. Für Nachdenklichkeit sorgte ihr Hinweis, dass sie bei Aufenthalten in Russland häufig ein verbreitetes Gefühl des Verraten-Seins auf allen Seiten habe feststellen können.
Einprägsam ist Birckenbachs Bild des Friedenslogischen Handabdrucks, den es zu erhöhen gelte (siehe Abbildung). Insbesondere vom Daumen, der Gewaltprävention, müsse Druck gemacht werden.
Weiterführende Informationen
- Hanne-Margret Birckenbach: Friedenslogik verstehen. Frieden hat man nicht. Frieden muss man machen, Frankfurt a. M. 2023
- Plattform Zivile Konfliktbearbeitung, das zentrale Netzwerk zur Förderung der Zivilen Konfliktbearbeitung
Otto Reger, DFG-VK Mannheim