Bald jährt sich das Messerattentat auf Michael Stürzenberger und den Polizisten Rouven Laur – Teufels Küche auf dem Mannheimer Marktplatz
Der 24-jährige Sulaiman A. macht sich am 31.05.24 von seiner Wohnung in Heppenheim mit der Bahn auf den Weg nach Mannheim, um auf der für diesen Tag angekündigten Kundgebung der „Bürgerbewegung Pax Europa“ (BPE) einen der Veranstalter, am besten den Islamfeind Michael Stürzenberger, zu ermorden. Ergebnis: Stürzenberger überlebt schwer verletzt, der Polizist Rouven Laur, der den Befreier des am Boden fixierten Attentäters zu Boden gebracht hatte, war nach mehreren Messerstichen nicht mehr zu retten und verstarb im Krankenhaus. Weitere vier Personen wurden teils schwer verletzt. Der Täter wurde schließlich durch eine Polizeikugel gestoppt.
Im Februar begann nun der Prozess gegen den Attentäter vor dem Hochsicherheits-Oberlandesgericht in Stuttgart-Stammheim. Das Urteil wird für den Herbst erwartet. Aussagen des Täters, der lange Zeit nicht vernommen werden konnte, sowie Zeugenaussagen lassen inzwischen ein deutlicheres Bild davon entstehen, was hier geschehen ist, und sie lassen die politischen Konsequenzen des Geschehens in einem klareren Lichte betrachten.
Stürzenberger – ein Provokateur
Was nach dem schrecklichen Geschehen in offiziellen Reaktionen keinerlei Beachtung fand, war die Tatsache, dass schon in der Durchführung der BPE-Kundgebung just auf dem Marktplatz ein erhebliches Risiko der Störung des öffentlichen Friedens und der Sicherheit lag. Dem Vorsitzenden Richter des OLG-Senats, Herbert Anderer, blieb es vorbehalten, Zeugen aus der BPE-Standbesetzung zu fragen, „warum ausgerechnet Mannheim Austragungsort der Kundgebung gewesen sei? Und warum der Marktplatz?“ (Mannheimer Morgen 25.02.25; dieser Beitrag stützt sich im Wesentlichen auf MM-Berichte zwischen 25.02. und 08.04.25) Weiter heißt es im MM: „Und in seinen Fragen schwingt mit, dass in der Stadt fast jeder zweite Bewohner Migrant ist. Und, dass das Marktviertel den Beinamen „Little Istanbul“ trägt.“
Der Täter jedenfalls fühlte sich zu einer Rachehandlung für die schon länger online beobachtete Hetze gegen den Islam und letztlich gegen die Anhänger dieses Glaubens herausgefordert. Sicher hätte er auch die BPE-Veranstaltung auf jedem anderen Platz in Mannheim heimgesucht. Aber ohne diese Veranstaltung wäre der Tag in Mannheim sicherlich ruhig verlaufen. Islam-Hasser und Islamisten ziehen sich gegenseitig an. Stürzenberger spricht zwar zunächst immer nur vom „politischen Islam“, doch im weiteren Verlauf landet er ganz allgemein beim „Islam“ und der muslimischen Bevölkerung. Richter Anderer hinterfragt in der BPE-Zeugenvernehmung aber auch die Begrifflichkeit „Politischer Islam“: „Anderer fragt, hinterfragt und bohrt immer weiter. Was denn mit dem politischen Islam überhaupt gemeint sei? Ob es denn auch einen politischen Katholizismus gebe? Ob es nicht das Wesen von Religion sei, Regeln und Normen zu definieren?“ (MM).

Bild: X | Screenshot: Der Attentäter im Angriff auf Roven Laur, welcher auf dem am Boden liegenden BPE-Mitarbeiter kniet, rechts daneben der Iraker, der den Attentäter kurze Zeit auf dem Boden hatte fixieren können, bis ihn der BPE-Mitarbeiter vertrieben hatte.
Ethnie – Religion – „Rasse“ – fatales Durcheinander
Als sich Sulaiman A. auf Stürzenberger mit gezogenem Jagdmesser stürzt, tritt eine weitere Person in das Geschehen. Es handelt sich um einen Angehörigen der Aramäischen Minderheit aus dem Irak. Er lebt seit 20 Jahren in Deutschland. Geflohen ist er vor der Verfolgung der aramäischen ethnischen Minderheit, die zugleich überwiegend katholisch-aramäischen Glaubens ist. Die Verfolgung ist nach dem Sturz Saddam Husseins richtig losgegangen. Diese Minderheit, deren Religion auf das erste nachchristliche Jahrhundert zurückreicht, betrug lt. Wikipedia bis 2003 rund 8% der irakischen Bevölkerung; heute soll es noch knapp eine halbe Million sein. Der Rest ist geflohen. Der Iraker schildert dem Gericht: Er sei zu einer Änderungsschneiderei an den Marktplatz gekommen, um für eine anstehende Kommunion seine Jacke ändern zu lassen. Er habe auf dem Weg dorthin den Propagandastand der BPE wahrgenommen. Die BPE war ihm durchaus ein Begriff, aber offenkundig nur in puncto „Islamkritik“. Er selbst ist aufgrund seiner Erfahrungen nicht gut auf die islamische Gesellschaft in seiner irakischen Heimat zu sprechen. Nach seinem Besuch in der Änderungsschneiderei kommt er an den Marktplatz zurück und beobachtet die Aktion der BPE. Als plötzlich Unruhe entsteht, weil Sulaiman A. den Agitator Stürzenberger mit einem Dolch angreift, entschließt er sich spontan einzuschreiten. Er habe dabei „oh Allah, oh Jesus“ gerufen und sich auf den Täter gestürzt. Dieser sei auch zu Fall gekommen und es sei ihm gelungen, dessen Arm auf dem Rücken zu fixieren. Dann spürt er Schläge gegen seinen Kopf. „Mit fatalen Folgen: Kazem (Name des Irakers vom MM geändert) konnte den Messerangreifer nicht länger festhalten, der konnte sich befreien. Sekunden später stach dieser auf Rouven Laur ein, der auf dem Passanten kniete, der Kazem geschlagen hatte“ (MM). Wer da im MM „Passant“ genannt wird, ist ein Mitarbeiter von Stürzenberger, auf den Videos aufgrund seiner blauen Jacke eindeutig erkennbar. Kazem begibt sich lt. MM eine Woche nach seiner Aussage vor Gericht wieder nach Stammheim. „Kazem erhofft sich Antworten. ‚Ich will wissen, warum der Mann mich geschlagen hat‘, sagt er im Gespräch mit dieser Redaktion. ‚Es hätte nicht so kommen sollen, der Polizist hätte nicht sterben sollen.‘“ Weiter berichtet der MM: „Die Bundesanwaltschaft geht laut Anklage von einer Verwechslung, einer fatalen Fehleinschätzung des Passanten aus, der auf Kazem eingeschlagen haben soll, weil er ihn für einen Angreifer hielt.“
Dass ein Bart tragender Ausländer kein Angreifer ist, sondern einer, der den anderen Bart tragenden Ausländer auf dem Boden fixiert – diese gedankliche Leistung ist für den BPE-Mitarbeiter offensichtlich zu viel verlangt. Erst jetzt kommt es – nachdem Sulaiman A. wieder aufstehen konnte – zu den fatalen Dolchstichen in den Hals von Rouven Laur, welcher herbeigerannt war, um den BPE-Mitarbeiter auf dem Boden zu halten. Er hatte die Lage offensichtlich richtig eingeschätzt, konnte aber nicht sehen, dass Sulaiman A. sich von hinten genähert hatte, um auf ihn einzustechen. Ein in der Nähe stehender Kollege von Rouven Laur schoss daraufhin auf den Attentäter, allerdings zu spät.
Mit Rouven Laur verstarb ein Polizist, der von seiner Umgebung als sehr aufgeschlossener, hilfsbereiter Mensch geschildert wird. Seine Konsequenz auf die Tatsache, dass wir in einer Einwanderungsgesellschaft leben, war nicht, ganze Bevölkerungsteile unter Generalverdacht zu stellen und ihre Deplatziertheit in Deutschland zu verkünden, sondern arabisch zu lernen.
Die politische Aufarbeitung der Geschehnisse auf dem Marktplatz mündet in Konsequenzen, die der propagandistischen Macht der AfD und des von ihr adoptierten BPE weiteren Auftrieb geben
Ein Afghane ermordet einen Polizisten. „Mit Remigration wäre das nicht vorgekommen“ verkündete die Junge Alternative (AfD) wenige Tage später auf dem Marktplatz bei einer Kundgebung. Der Täter hätte schon längst abgeschoben werden müssen (obwohl vorher nicht auffällig), Syrer und Afghanen müssen – wenn sie Straftaten begangen haben – künftig sofort abgeschoben werden. An den Grenzen müssen „illegale“ Einreisewillige und potenzielle Straftäter zurückgewiesen werden. Die Grenzen müssen geschlossen und streng überwacht werden. Es gibt eigentlich keine Forderung, die nicht nach „Mannheim“ und weiteren Anschlägen, z.B dem ganz ähnlich verlaufenden Terroranschlag in Aschaffenburg, erhoben werden und nun auch die Koalitionsvereinbarungen belasten. Sie führten Merz zum Wortbruch und seiner Kumpanei mit der AfD. Dieser Forderungskatalog wurde von der vereinigten extremen Rechten (von III. Weg bis AfD) im „Manifest Kandel“ bereits nach dem Mordfall Mia V. am 27.12.2017 in Kandel erhoben, (s. Kommunalinfo Mannheim v. 8.3.18).
Die Fragen nach den eigentlichen Ursachen und wie ihnen begegnet werden kann, haben es schwer, gehört zu werden. Für das Thema kriegstraumatisierter Menschen aus Afghanistan und Syrien (und vielen anderen Krisengebieten) und wie ihnen zu einem „normalen“ Leben verholfen werden kann – gilt bis auf wenige Ausnahmen: Fehlanzeige.
Zwei unterschiedliche Geflüchtete im dem Marktplatzgeschehen – das passte nicht
Die Intervention von „Kazem“ unter Gefährdung seines eigenen Lebens wurde von WELT-TV berichtet (Interview mit „Kazem“). Gewürdigt wurde sie nur ein einziges Mal durch den Bundespräsidenten anlässlich seines Besuchs in Mannheim zu einer Gedenkkundgebung auf dem Marktplatz. Von der Stadtspitze war derlei nicht zu vernehmen.
Man kann daraus nur schließen: Das gesamte Geschehen wurde auf die Mordtat des aus Afghanistan stammenden Geflüchteten an Rouven Laur reduziert. Dass ein anderer, aus dem Irak Geflüchteter fast diese Mordtat hätte verhindern können, wenn ihn nicht ein rassistisch verblendeter Anhänger der BPE daran gehindert hätte – das passte nicht in die politische Konsequenzen-Debatte, welche schon zu diesem Zeitpunkt in Erwartung der Bundestagswahl 2025 sofort losgetreten wurde und durch das vorzeitige Ende der Ampel in einen Überbietungswettbewerb mündete.
Es stünde der Stadt Mannheim gut an, wenigstens ein Jahr nach dem Messerattentat den aus dem Irak stammenden Geflüchteten in geeigneter Weise zu ehren – mindestens so, wie die Kavaliere der Straße. Schließlich hat er unter Einsatz seines Lebens versucht, einen politischen Mord in Mannheim zu verhindern.
Neueste Erkenntnisse von ZDF Terra X history
Seit Montag gibt es die Meldung, dass im Netz detaillierte Suchanfragen nach der Mordtat von Mannheim aus russischen Quellen bereits Tage vor der Tat gehäuft auftauchten, deren Autoren somit über Täterwissen verfügt haben müssen.
Dass der russische Geheimdienst sich in den islamistischen Hass-Botschaften des Internet und Dark Nets gut auskennt und vielleicht kräftig mitmischt, kann demnach nicht ausgeschlossen werden. Es würde auch die Auffälligkeit der Vielzahl solcher Terrorangriffe vor der Europa- und jetzt wieder vor der Bundestagswahl u.U. erklären können.
Aber der Sender des Hasses ist das eine Problem. Das größere Problem ist die Antenne für solche Hassbotschaften in manchen Menschen, meist traumatisierten Menschen. Hier müsste intensiv angesetzt werden, und nicht bei den Grenzkontrollen, wo der Grenzschutz die Einreisenden offenbar fragen soll, ob sie ein Verbrechen in der Bundesrepublik planen, oder gar bei Grenzschließungen.
Die krude und tragische Mannheimer Marktplatzgeschichte in ihrer Gänze gibt genug Stoff, sich vernünftige Gedanken im Sinne eines friedlichen Zusammenlebens in einer Einwanderergesellschaft und über wirksame Gefahrenabwehr zu machen.
Thomas Trüper