Verwaltung antwortet auf Idee des Ticketlosen ÖPNV
In der letzten Ausgabe des Kommunal-Info veröffentlichten wir einen Beitrag, der sich mit den Möglichkeiten und Bedingungen eines Ticketlosen Öffentlichen Personen-Nahverkehrs („Null-Tarif“) befasste. Genau in diese Richtung wies auch ein Antrag im Beteiligungshaushalt der Stadt Mannheim. Es handelt sich um Antrag Nr. 132, der 190 UnterstützerInnen fand. Gemäß den Regeln des Beteiligungshaushalts musste die Verwaltung (in diesem Fall die Geschäftsführung der MVV Verkehr GmbH) eine Stellungnahme abgeben, die wir nun im Folgenden dokumentieren. Der Diskurs bedarf sicherlich einer Fortsetzung.
Der Verzicht auf Fahrscheine und damit der Verzicht auf die Bezahlung des ÖPNV-Angebotes durch den Fahrgast liegt zunächst einmal rein formalrechtlich betrachtet nicht im Zuständigkeitsbereich der Stadt.
Der Verkehrsverbund
Die Verbandsversammlung des Zweckverbandes Verkehrsverbund Rhein-Neckar KöR (ZRN) hat eine kommunale Satzung erlassen, die verbindlich festlegt, dass Nahverkehr nach dem PBefG und dem Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG) im Verbundgebiet nur noch auf Grundlage des VRN-Verbundtarifes betrieben werden darf und den groben Rahmen für dessen Tarifstruktur geschaffen.
Die Ausgestaltung des Gesamttarifes im Detail obliegt auf dieser Grundlage der Versammlung der Verbundunternehmen der Unternehmensgesellschaft Verkehrsverbund Rhein-Neckar GmbH (URN), in der alle Betreiber von Nahverkehrslinien im VRN-Gebiet vertreten sind.
Die RNV, der BRN sowie die DB Regio AG als Betreiber der ÖPNV-Leistungen in Mannheim sind daher rechtlich verpflichtet, auch innerhalb Mannheims Fahrgäste ausschließlich unter Beachtung des VRN-Tarifes zu befördern.
Ein Nulltarif würde daher voraussetzen, dass die Stadt Mannheim aus dem Zweckverband Verkehrsverbund Rhein-Neckar austritt. Der gemeinsame Verbundtarif bildet jedoch die Basis der positiven ÖPNV-Entwicklung innerhalb der Metropolregion in den letzten drei Jahrzehnten, insbesondere als Grundlage für die Implementierung der S-Bahn Rhein-Neckar. Es erscheint politisch undenkbar, dass Mannheim diese Erfolge im ÖPNV durch einen Austritt aus dem ZRN gefährdet.
Ein erheblicher Anteil der Mannheimer Fahrgäste pendelt täglich über die Stadtgrenze in die Stadt ein oder aus. Diese Menschen sind auf einen gemeinsamen Verbundtarif angewiesen. Der Nulltarif als isolierte Maßnahme in der Stadt würde Pendler vor allem auf der DB-Schiene vom Verbundtarif in deutlich teurere Haustarife der SPNV-betreiber zwingen. Damit würde ein Anreiz auf den Umstieg zum Individualverkehr gesetzt, was die Verkehrslage in der Stadt und die Klimaziele gefährdet.
Darüber hinaus gibt es erhebliche rechtliche Zweifel daran, ob ein Nulltarif nach den Bestimmungen des § 39 Personenbeförderungsgesetz überhaupt genehmigungsfähig wäre.Die Kosten
Von diesen rechtlichen Aspekten abgesehen sprengt die wirtschaftliche Dimension eines kostenlosen ÖPNV-Angebotes völlig den Rahmen des Machbaren. Die Bus- und Straßenbahnlinien der RNV im Stadtgebiet erwirtschafteten 2014 Fahrgeldeinnahmen und Ausgleichsleistungen im Rahmen der rabattierten Schülerbeförderung und der kostenlosen Beförderung Schwerbehinderter in Höhe von rund 70 Mio. €. Die Ausgleichsleistungen sind abhängig von den Fahrpreisen des normalen ÖPNV-Tarifes und fallen mit dem Verzicht auf jedweden Fahrpreis ebenfalls weg (was den Landeshaushalt entlasten würde). Selbst wenn man unterstellt, dass die Tarifumstellung zu keinerlei Ausgleichzahlungen an die Betreiber der einbrechenden Verkehrsleistungen (insbesondere der S-Bahn) führt, würde dies bedeuten, dass im Rahmen einer ÖPNV-Abgabe jeder der rund 300.000 Mannheimer Bürger vom Säugling bis zur Rentnerin jährlich eine Abgabe in Höhe von rund 235.- € zahlen müsste, um den Haushalt nicht mit weiteren Kosten für den ÖPNV zu belasten.
Und diese grobe, rein ertragsseitige Berechnung unterstellt, dass durch die Einführung des kostenfreien ÖPNV keine nennenswerte Steigerung der Fahrgastzahlen veranlasst würde. Realistischer Weise muss man aber davon ausgehen, dass eine völlige Kostenfreiheit des ÖPNV sehr wohl zu deutlichen Fahrgaststeigerungen führen wird, die mit dem heutigen bereits sehr gut ausgelasteten ÖPNV-Angebot nicht mehr bewältigt werden können. Die Angebotskapazität müsste also deutlich erhöht werden, was bedeutet, dass nicht nur die dargestellten Erträge wegfallen würden, sondern erhebliche Investitionssummen für zusätzliche Stadtbahnfahrzeuge und Busse, höhere Personal- und Energiekosten und höchstwahrscheinlich auch Investitionen in zusätzliche Gleisanlagen und Haltestellenkapazitäten über eine ÖPNV-Umlage zu finanzieren wären. Allein ein Stadtbahnfahrzeug kostet jedoch zwischen 3 und 3,5 Mio. €.