Alles nur ein großes Missverständnis? Kommentar zur Versöhnung des Oberbürgermeisters mit den “Söhnen Mannheims”
Das angekündigte Krisengespräch der Band “Söhne Mannheims” mit dem Oberbürgermeister Peter Kurz wurde im Vorfeld mit Spannung erwartet. Nachdem es dann am Montagabend, 8. Mai hinter verschlossenen Türen im Collini Center stattfand, wurde anschließend eine Erklärung veröffentlicht, in der unter anderem zu lesen ist: “Nach wie vor teilen wir das gemeinsame Grundverständnis für eine offene, freiheitliche, liberale und demokratische Gesellschaft auf Basis unseres Grundgesetzes.” Und weiter: “Vor diesem Hintergrund bekräftigen wir im Geist von gegenseitigem Respekt und langjähriger Partnerschaft und auf der Grundlage der Mannheimer Erklärung unsere Überzeugung für ein Zusammenleben in Vielfalt auf Basis dieser Grundwerte.”
Nach den “Irritationen” um den Song “Marionetten”, bei dem im Pegida-Sprech gegen Politiker geschimpft wird, habe man sich “offen” und “intensiv” und mit “großer Ernsthaftigkeit” unterhalten. Ab diesem Punkt war keine Rede mehr von antisemitischen Verschwörungstheorien, von antidemokratischen Textzeilen und fragwürdigen politischen Auftritten bei Reichsbürgern. Also war alles nur ein großes Missverständnis?
Wohl kaum. Politisch ist diese Erklärung ein Armutszeugnis. Die “Söhne” distanzieren sich von gar nichts und trotzdem ist alles wieder gut. Das beschwören der “Mannheimer Erklärung” und des Grundgesetztes kommt dem Beichten beim Pfarrer gleich. Drei Vaterunser und einen kleinen Obolus in die Kasse, dann sind alle Sünden vergeben.
Es wurde für die Stadt Mannheim die Chance vertan, eine Diskussion um Antisemitismus und Verschwörungswahn in der Popmusik zu führen. Dieses Versagen müssen jetzt andere aufgreifen: Medien, politische Parteien und Gruppen – und das tun sie auch, zumindest manche, die mit einem restlichen Funken Anstand.
Selbst bei den “Söhnen” soll es intern knirschen, was verständlich ist. Von einigen Bandmitgliedern ist bekannt, dass sie sich politisch eher links verorten. Dennoch hat offenbar niemand die Courage, sich öffentlich vom Oberguru Naidoo zu distanzieren.
Aus Sicht der Stadt ist die Nicht-Auseinandersetzung mit den Texten Naidoos und das Verweigern von Konsequenzen wahrscheinlich sogar die logische Konsequenz. Es ist der Weg des geringsten Widerstands. Das bisschen Antisemitismus, die paar Verschwörungstheorien… was ist das gegen das Image des Popmusikstandorts Mannheim, das große Projekt der “Söhne” auf dem Franklin-Konversionsgelände, dazu die vielen Verflechtungen inhaltlicher und finanzieller Art der Stadt mit der Band, ihrer Stiftung und ihren Geldern. Und nicht zu vergessen: die aufgebrachte Fangemeinde hinter dem Schnulzensänger. Hätte die Stadt ernsthaft Konsequenzen gezogen und die Kooperation mit Xavier Naidoo beendet, wäre der nächste Shitstorm gewiss.
Wie sang Xavier Naidoo in “Marionetten“? “Alles wird vergeben, wenn ihr einsichtig seid Sonst sorgt der wütende Bauer mit der Forke dafür, dass ihr einsichtig seid” Da hat er mit seiner Drohung Erfolg gehabt.
cki