Falscher Arzt wegen Urkundenfälschung und gewerbsmäßigem Betrug verurteilt – NSU-Anwalt übernahm Verteidigung
Am 29.11.18 wurde vor dem Amtsgericht Mannheim die Hauptverhandlung gegen den gelernten Maler und Lackierer Peter F. (Name der Redaktion bekannt) geführt. Dem Angeklagten, der als „Dr. med.“ und „Diplom-Psychotherapeut“ 2015-2016 in Mannheim eine Praxis für Kinder und Jugendliche geführt hatte, wurden Urkundenfälschung, Missbrauch von Titeln und Berufsbezeichnungen und gewerbsmäßiger Betrug zur Last gelegt. Der Kassenärztlichen (KV) Vereinigung Baden-Württemberg ist dadurch ein Schaden von über € 111.000,- entstanden. Rechtskräftig verurteilt wurde der Hochstapler zu einer Bewährungsstrafe von 3 Jahren und einem Monat. (Aktenzeichen: 1 Ls 203 Js 36 19/17)
Erdrückende Beweislast
Die Verlesung der Anklageschrift durch den Staatsanwalt brachte eine Vielzahl von Tatvorwürfen bei der öffentlichen Verhandlung ans Tageslicht. Der Angeklagte hatte bereits in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz den Versuch unternommen eine Mitgliedschaft bei den regionalen Landespsychotherapeutenkammern zu erschleichen. In Rheinland-Pfalz hegte die Berufskammer bereits 2013 Zweifel an der Echtheit der vorgelegten Urkunden (beglaubigte und übersetzte Kopien der Medizinischen Fakultät der Universität Semmelweis (Budapest/Ungarn)). Eine Überprüfung entlarvte die Unterlagen als Falsifikate. Das Amtsgericht Westerburg erwirkte deswegen einen Strafbefehl über € 6.400,- gegen den Angeklagten. Der Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg fielen die gefälschten Unterlagen zunächst nicht auf, sodass dem Mitgliedsantrag stattgegeben wurde. Mit der Mitgliedschaft war es dem Hochstapler dann möglich eine kassenärztliche Zulassung zu erhalten. Dies wiederum war die Grundlage für Peter F., einem gelernten Maler und Lackierer, sich in Mannheim im Quadrat C2 mit einer Praxis als „Dr. med.“ und „Diplom-Psychotherapeut“ für Kinder und Jugendliche nieder zu lassen (diverse Einträge auf Ärzteseiten sind im Internet selbst am 30.11.18 noch zu finden). Diese Praxis mit Angestellten wurde vom 4. Quartal 2015 bis zum 3. Quartal 2016 geführt. Abgerechnet hatte der falsche Arzt in diesem Zeitraum gegenüber der KV Baden-Württemberg Honorare in Höhe von € 111.726,- .
Während der Beweisaufnahme räumte der geständige Angeklagte die Tatvorwürfe in vollem Umfang ein. Er sagte aus, dass ihm bei einem Urlaub in seiner Heimat Ungarn in einem Lokal von „Leuten“ Universitätsabschlüsse mit entsprechenden Urkunden anboten wurden. Für diese Unterlagen habe er € 7.000,- bezahlt. Auf die Frage einer Schöffin, ob denn die Patienten nicht misstrauisch geworden wären, was seine „Qualifikationen“ als Psychotherapeut angeht, erwiderte der Angeklagte, „dass er Abitur habe und sich mittels Fachliteratur „schlau gemacht“ hätte“.
Als Zeugin vernommen wurde die Leiterin des Ressort Recht bei der Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg in Stuttgart. Sie bestätigte die Anklagepunkte und schilderte detailliert, wie man dem Betrug auf die Schliche gekommen sei. Eine Routineüberprüfung der eingereichten Unterlagen hätten Zweifel an der Echtheit erbracht. Auch in Baden-Württemberg hatte der Angeklagte, wie davor z.B. in Rheinland-Pfalz (RLP), nur beglaubigte und übersetzte Kopien von Urkunden eingereicht. Recherchen und Kooperationen mit der Berufskammer in RLP, der KV BaWü und der Universität Semmelweis in Ungarn hätten letztendlich zu Tage gefördert, dass es sich bei den Unterlagen um „Totalfälschungen“ handelte. Folglich erstatteten die KV BaWü und die Berufskammer in Stuttgart Strafanzeigen.
Die Plädoyers: Staatsanwaltschaft und Verteidigung waren sich fast einig
Die Staatsanwaltschaft (Stawa) beantragte zwei Haftstrafen, die zur Bewährung ausgesetzt werden sollten. Zwei Strafen waren wegen des in RLP bereits ergangenen Strafbefehls notwendig geworden. Der Antrag lautete: Für die Urkundenfälschungen und den Missbrauch von Berufsbezeichnungen 1 Jahr und 3 Monaten. Für den gewerbsmäßigen Betrug: 1 Jahr und 10 Monate. In Summe eine Haftstrafe von 3 Jahren und 1 Monat.
Der Vertreter der Stawa führte in seiner Begründung u.a. an, dass wenn auch dies dem Angeklagten in diesem Verfahren nicht nachgewiesen werden konnte, auch zur Last gelegt werden sollte, dass seinen Patienten eventuell therapeutische Schäden entstanden sind, abgesehen vom immensen Vertrauensmissbrauch den der Angeklagte betrieben hat.
Der Verteidiger des Angeklagten, RA Wolfgang Stahl, wollte selbst keinen Antrag zum Strafmaß stellen und schloss sich somit dem Antrag der Stawa an. In puncto möglicherweise entstandener Nachteile für Patienten, die durch seinen Mandanten „behandelt“ wurden, führte der Verteidiger an, dass seitens der Patienten keine Strafanzeigen vorliegen.
- Einwurf: Rechtsanwalt Wolfgang Stahl (Koblenz) erlangte während des NSU-Trio-Prozesses mediale Bekanntheit. Zunächst als Wahlverteidiger, später als eingesetzter Pflichtverteidiger, arbeitet er für die inzwischen verurteilte Rechtsextremistin Beate Zschäpe.
Im Namen des Volkes: mildes Urteil wegen „günstiger Sozialprognose“
Der vorsitzende Richter Michael Eichhorn sprach den Angeklagten in allen Punkten für schuldig. Die beantragten Haftstrafen werden für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Strafmildernd wertete das Gericht die Umstände, dass der nunmehr Verurteilte sich uneingeschränkt geständig gezeigt hatte und damit den Prozessverlauf erheblich verkürzte (Anmerkung: angesetzt waren 4 Verhandlungsstunden; effektiv war die Verhandlung nach knapp 2 Stunden beendet). Der Richter führte in seiner mündlichen Urteilsbegründung weiter aus – was die Strafzumessung angeht-, dass der Verurteilte inzwischen als Rettungssanitäter und Teamleiter in Berlin einer geregelten Tätigkeit nachgeht. Dieser Unterhaltszahlungen für seine Tochter leiste und „symbolisch“ monatlich € 300,- zur Schadenswiedergutmachung an die KV BaWü zahlt.
Der 38-jährige Verurteilte, der auch über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügt, hatte das letzte Wort (sinngemäß): „Ich bin froh, dass ich mit diesem Urteil einen Schlussstrich unter diese Lebenslüge ziehen kann.“
Rechtsmittel wurden keine eingelegt, damit ist das Urteil rechtskräftig.
(Bericht und Fotos: Christian Ratz)