Inside AfD – Eine Aussteigerin berichtet (mit Fotogalerie)
(Kandel/Südpfalz) Verschiedene Bündnisse in der Kleinstadt luden am 03.05. zu einem Vortrag mit der ehemaligen Vorsitzenden der JA (Junge Alternative) in Sachsen Franziska Schreiber ein. Die rund 160 Gäste wurden nicht enttäuscht. Authentisch und empathisch schilderte die Referentin ihren Werdegang in die Partei und ihre Beweggründe, um aus der rechtsextremen Partei 2017 auszutreten.
AfD: Bürgerbewegung/Graswurzelbewegung auf rechten Abwegen
Franziska Schreiber (geb. 1990 in Dresden) stammt aus einem linken Elternhaus. Gefallen an der AfD fand sie ursprünglich 2013/14, weil die neue Partei sich als Bürgerbewegung präsentierte. Dort wurde sie als Politneuling herzlich aufgenommen und machte rasch Karriere in der Partei. Bis zur Vorsitzenden der JA in Sachsen mit einem Sitz im Bundesvorstand der AfD brachte sie es. Bis zu ihrem plötzlichen Austritt vor der Bundestagswahl 2017 aus der rechtsextremen Partei.
Höcke dominiert die Partei – Gauland und Weidel kuschen
Die rechtsextreme „Flügelbewegung“ innerhalb der Partei bestimmt, spätestens seit dem Ausscheiden von Frauke Petry, das Geschehen. Laut Schreiber gab es schon unter der Parteiführung von Bernd Lucke rechtsradikale Kräfte in der Partei. Anfänglich glaubten gemäßigte Funktionäre noch, dass sich dies „auswachsen“ würde; man die ungewollten Rechtsradikalen wieder loswerden würde. Naiv war diese Einschätzung: 40% der Parteimitglieder sind dem rechtsextremen Flügel zuzuordnen. Die anderen 60% teilen sich parteiintern auf mindestens zwei weitere Lager auf. Sämtliche Gruppierungen innerhalb der AfD scheinen dauerhaft untereinander im Streit zu stehen, wobei der rechte „Flügel“ unter Höcke zu dominieren scheint. Aus diesem Grund, so Schreiber, begehrt kein führender Funktionär gegen Höcke auf, da ansonsten die eigene Position in der Partei akut gefährdet wäre.
Zunehmende Radikalisierung – die Macht sozialer Netzwerke
Von Anfang an schien in der AfD als Maxime zu gelten, das was in der Öffentlichkeit nicht als politisch korrekt gilt, machen die Parteimitglieder zu ihrem Credo. Extrem, extremer, rechtsextrem bisweilen zunehmend. Ein parteiinterner Kampf auf allen Ebenen, ob Orts-, Kreis-, Landesverband oder auf Bundesebene ist somit entstanden, was deren Glaubwürdigkeit angeht: „Wer kann das Unsagbare, noch unsagbarer, radikaler“ vortragen.
Den klassischen Straßenwahlkampf hat die AfD beerdigt. In sozialen Netzwerken im Internet hat die Partei ihre Zukunft entdeckt. Sogenannte “Guerilla”-Taktiken mit Unterstützung Dritter kämen zunehmends zum Einsatz. Franziska Schreiber informierte in ihrem Vortrag auch über diese Strategien. An diesen könnten sich andere Parteien ein Beispiel nehmen.
Fragen und Antworten in Kandel
In einer Podiumsdiskussion, die durch weitere Fragen aus den Rängen der Gäste gestellt wurden, von zwei Moderatoren geleitet und welche sämtlich beantwortet wurden rundete sich der Vortragsabend ab.
Beispiele (Anmerkung der Redaktion: Audiotranspriktion):
Als man dich als Denunziantin beschimpft hat, nach der Veröffentlichung deines Buches, gab es Drohungen? Wie geht man damit um?
Franziska Schreiber (F.S.) „Ich habe das in zwei Wellen erlebt. Einmal nach meinem Austritt und einmal nach der Veröffentlichung meines Buchs. Das ging von Beleidigungen und übelsten Verwünschungen, man wünsche mir Krebs und die Vergewaltigung durch Flüchtlinge, auch soweit, dass man sich durch meine Freundesliste bei Facebook nach meiner Wohnadresse fragte. Todesdrohungen wurden mir über meist anonyme Profile geschickt, aber auch über Profile mit Klarnamen – das war grotesk.
Ich habe schnell für mich beschlossen, mich da nicht hinein zu vertiefen. Es bringt nichts, da ist Dialog nicht möglich, man kommt da nicht ran. Das zieht einen nur runter. Mir war klar, dass ich viel Wut aus eigenen Reihen hervorrufe, ich habe beschlossen das so gut es geht auszublenden. Damit fahre ich bis heute ganz gut.
Mich interessiert im Fall Herrn Maaßen, der ist doch bestimmt nach wie vor in einem großen Netzwerk mit normalen deutschen Politikern noch verbunden. Was ist da bekannt? Ich glaube nicht, dass der so einfach in der Politik nicht mehr existiert.
F.S.: „Mir ist nur bekannt, dass er sich bisher dagegen entschieden hat einer Partei beizutreten, es ist auch aus seiner Sicht klug, das nicht zu tun. Er wird jetzt natürlich regelmäßig als Kronzeuge herangezogen werden, seine Aussagen haben als ehemaliger Verfassungsschutzpräsident natürlich ein gewisses Gewicht und er wird immer wieder seine Meinung zu diesen Sachen sagen. Die werden auf bürgerliche Wählerschichten ausstrahlen, das ist die gefährliche Rolle, die ich ihm zumesse. Wie weit er sich politisch aus seinem Background herausbegeben wird, also vielleicht wieder ein Amt anstreben wird, das kann ich überhaupt nicht abschätzen.
In manchen rechten Internetforen stellt man sich den „Tag X“ so vor, dass sich Bundeswehr und Polizei mit Rechten solidarisieren und die so genannten Volksverräter gemeinsam aus den Parlamenten jagen, gibt es diese Gedanken auch in der AfD ?
F.S.: Die AfD hat nicht umsonst sehr schnell damit begonnen ein gutes Verhältnis zur Polizei aufzubauen. Z.B. dass man vor und nach Demonstrationen ganz demonstrativ bei der Polizei bedankt, dass man gezielt auf diese gute Beziehung hinsteuert. Wir müssen uns aber vor Augen halten, dass die allermeisten Polizisten und Bundeswehrsoldaten damit nichts zu tun haben, es ist wichtig, dass wir uns das immer wieder vor Augen führen und uns nicht in Fatalismus reinreiten lassen. Dann verlieren wir das Vertrauen in die Institutionen und behandeln ihre Repräsentanten entsprechend, dann könnte sich das Ganze in eine selbsterfüllende Prophezeiung verwandeln und da würde ich sehr vorsichtig sein. Aber nach dem was ich weiß und höre kann man sagen, das ist eine Minderheit, wir haben auf gar keinen Fall eine Polizei oder Bundeswehr die kurz davor ist geschlossen die AfD bei der Vorbereitung eines „Tag X“ zu unterstützen.
Nach meiner Wahrnehmung war das Verhältnis Höcke / Poggenburg in der Vergangenheit recht eng. Warum hat Höcke nicht versucht Poggenburg zu halten als dieser ausscherte, bzw seine Machtposition eingesetzt, um einen Gesinnungsgenossen noch weiter neben sich zu haben?
F.S.: Der Eindruck hat von Anfang an getäuscht. Höcke hat Poggenburg gehasst, und zwar schon deshalb, weil es für ihn eine Qual gewesen ist sich durch dessen intellektuelle Unterbelichtheit mit ihm unterhalten zu müssen. Höcke wollte immer an seiner Seite einen „Kronprinzen“ haben mit dem er sich auf Augenhöhe unterhalten kann. Das hat auch dazu geführt, dass er mit Götz Kubitschek so ein inniges Vertrauensverhältnis hat, weil ihm das einfach in der AfD gefehlt hat. Mittlerweile bildet sich dieses Verhältnis über Andreas Kalbitz.
Wie sieht es aus mit den Verflechtungen von Rechten Parteien in Europa, von denen man das ein oder andere hört? Man hört von Spenden, oder nicht ganz nachzuvollziehenden Zahlungen, bei denen man irgendwelche „Eminenzen“ im Hintergrund vermutet. Gibt es da Informationen darüber, wie sowas läuft?
F.S.: Wir haben ja den Überbringer der Spenden ermittelt aber wir wissen noch immer nicht wer der Geldgeber im Hintergrund ist. Das Narrativ, dass die AfD z.B. aus Osteuropa gesponsort wird ist nichtzutreffend, es gab Zahlungen aus Russland, das bestreite ich nicht, aber es deutet einiges dagegen, dass das die Haupteinnahmequelle ist.
Zurzeit spielt ja in der öffentlichen Diskussion der Klimawandel eine immer größere Rolle. Es gibt z.B. die Aussage eines Rheinland pfälzischen AfD Politikers, der gesagt hat „Die Kinder und Jugendlichen die Freitags demonstrieren, das ist das letzte Aufgebot der Grünen“ aber Tatsache ist, in dem Bereich hat die AfD überhaupt nichts zu bieten. Wird dieses Thema innerhalb der AfD diskutiert? Wird das als Gefahr gesehen, wie geht die AfD damit um?
F.S.: Im Wesentlichen können wir mit Stand heute sagen, dass die AfD sich dafür entschieden hat ihren Mitgliedern das zu verkaufen was der Weg des geringsten Widerstands ist. Diese Entlastung von der persönlichen Verantwortung irgendetwas ändern zu müssen ist natürlich bequem. Und vor allem auch deswegen sehr günstig für die AfD, weil man sich mit der lästigen Frage was man denn politisch dagegen tut, nicht beschäftigen muss. Das ganze Problem wird verleumdet. Das machen sie in der Regel so, dass sie sich auf die Hand voll Wissenschaftler beruft, die den Klimawandel anzweifeln.
(Bericht und Fotos: Christian Ratz)
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