Nach dem Einkaufen nicht mehr heim gekommen – Mitbewohner*innen protestieren gegen Abschiebehaft
Die Bewohner*innen des Wohnprojekts 13 Hektar Freiheit auf dem Turley Gelände fordern die Rückkehr des Flüchtlings Stephen A. in sein neues Zuhause Mannheim. Er sitzt seit dem 1. August im Abschiebegefängnis Pforzheim. Aufgrund des sogenannten „Dublin Übereinkommens“ droht ihm die Abschiebung nach Italien.
Stephen A. sei vergangenen Mittwoch einkaufen gegangen und nicht mehr heimgekehrt. Er wurde dort offenbar von der Polizei kontrolliert und direkt verhaftet. Am Tag darauf soll er nach Pforzheim überstellt worden sein. Seine Mitbewohner*innen sind „geschockt und entsetzt“ und fordern die sofortige Haftentlassung. Stephen habe eine lange Flucht hinter sich und in Libyen Folter erleiden müssen. Nach langen Strapazen habe er in Mannheim einen „sicheren Hafen“ gefunden und sei seit langem erstmals zur Ruhe gekommen. Nun sei dieser positiven Entwicklung ein plötzliches Ende gesetzt worden.
Politisch verantwortlich für den polizeilichen Umgang mit Geflüchteten in Baden-Württemberg und den Betrieb des Abschiebegefängnisses ist die grün-schwarze Landesregierung. Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Asylgesetzgebung strickt jedoch die große Koalition in Berlin.
Die Hoffnungen der Bewohner*innen liegen nun bei der Ausländerbehörde in Mannheim. Über einen Anwalt soll Stephen A. einen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung gestellt haben. Die Hoffnung sei, dass sein Asylverfahren in Deutschland behandelt werde.
Über den Verein Mannheim sagt Ja werden Spenden gesammelt (Stichwort “Stephen aus Ghana”): http://www.masagtja.de/jetzt-spenden
(red)
Die Stellungnahme der Bewohner*innen von 13 Hektar Freiheit:
Wir beziehen Stellung gegen die Inhaftierung von Stephen A.
Stephen A. wurde am 31.07.2019 in Mannheim verhaftet und sitzt seit 01.08.2019 in Abschiebehaft in Pforzheim.
Stephen A. ist aus Ghana geflüchtet und lebte von 2016 bis 2018 in Italien. Während seiner Flucht hielt er sich länger in Libyen auf.
Er kam im Dezember 2018 nach Deutschland mit der Absicht einen Asylantrag zu stellen, da es in Italien für ihn nicht weiterging. Er kam zunächst in Hamm in einer Unterkunft unter, jedoch ging es ihm dort psychisch nicht gut. Die Angst, zurück nach Italien zu müssen, war so groß, das er sich gezwungen sah, diesen Ort zu verlassen.
Er verbrachte einige Tage auf der Straße und kam dann bei seiner Freundin in Mannheim unter.
Stephen holte sich die Unterstützung eines Anwaltes und beantragte am 18.06.2019 bei der Ausländerbehörde Mannheim eine Verlängerung seines Aufenthaltsstatus. Das Verfahren läuft aktuell noch, bisher hat die Behörde noch nicht auf das Schreiben reagiert.
Aus diesem Grund ist sein Status derzeit ungeklärt, was wiederum seine Verhaftung ermöglichte.Am vergangenen Mittwoch wurde Stephen A. dann beim Einkaufen von der Polizei kontrolliert und in Gewahrsam genommen. Er wurde am darauffolgenden Tag der Haftrichterin beim Amtsgericht Mannheim vorgeführt und sitzt seitdem in Abschiebehaft in Pforzheim.
Wir sind über diese Vorgänge geschockt und entsetzt, kannten wir dies bislang nur aus den Medien und durch Erzählungen einiger unseren Mitbewohner*innen.
Stephen hat auf Turley Freund*innen und eine Lebensgefährtin gefunden, nach vielen Jahren der Flucht und der Strapazen. Er konnte bei uns zur Ruhe kommen und sein mentaler Zustand hat sich erfreulich entwickelt und stabilisiert. Unsere Hausgemeinschaft schätzt ihn sehr und er ist uns allen ans Herz gewachsen.
Sein Deutsch macht bereits gute Fortschritte (er hat in kurzer Zeit Arabisch in Libyen und Italienisch in Italien gelernt). Außerdem kann er sich wunderbar auf Englisch verständigen.Seine mentale Gesundheit (posttraumatische Belastungsstörung und mittelschwere Depression nach Folter in Libyen sowie durch die Flucht durch Wüste und Meer) droht sich durch die Inhaftierung und besonders die drohende Abschiebung nach Italien zu verschlechtern.
So kann er z. B. seine begonnene Traumatherapie nicht fortsetzen und seinen behandelnden Neurologen nicht mehr aufsuchen.
Im Falle einer Abschiebung ist seine medikamentöse und therapeutische Weiterbehandlung nicht gewährleistet.
Durch die Inhaftierung wurden auch die Vorbereitungen zur geplanten Heirat mit seiner Freundin unterbunden. Außerdem hat er bereits eine Zusage für die Aufnahme eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses. Dieses kann aufgenommen werden, sobald ihm eine Arbeitserlaubnis erteilt wird.Es wird ein zwar mühsamer doch vielversprechender Integrationsprozess (ohne Kosten für den deutschen Staat) durch die für uns nicht nachvollziehbare und unmenschliche Inhaftierung unterbrochen.
Darum fordern wir die sofortige Haftentlassung und Stephens Rückkehr in sein Zuhause nach Mannheim.
Die Bewohner*innen von 13haFreiheit