Corona-Kundgebung und Masken-Aktion – Gesundheitsschutz auch für Geflüchtete!
Es war vermutlich eine der ersten Versammlungen seit Wochen und auch thematisch war der Corona-Virus ein bestimmendes Thema. „Gleicher Gesundheitsschutz für alle – auch für Geflüchtete“ lautete die Forderung des Bündnis gegen Abschiebungen (BgA), Veranstalterin einer kleinen Kundgebung am Samstagnachmittag auf dem Mannheimer Marktplatz.
Viele Infektionen in Sammelunterkünften
„Es darf keine Benachteiligung beim Schutz vor dem Corona-Virus geben“, erklärte ein Sprecher die Forderung des BgA an die Behörden. In einer Sammelunterkunft in Ellwangen haben sich zahlreiche Geflüchtete mit Covid-19 infiziert. Das Zusammenleben auf engsten Raum, mehrere Erwachsene in kleinen Zimmern und die gemeinsame Nutzung der Sanitäranlagen – all das seien vermeidbare Risikofaktoren. „Zur Zeit stehen genug Unterkünfte leer, Hotels, Pensionen und so weiter. Dort könnten die Geflüchteten untergebracht und die Verbreitung des Virus verlangsamt werden“, erklärt der Sprecher die Vorschläge der Initiative.
Besonders gefährdet seien neben den Menschen in den Flüchtlingsunterkünften auch Gefangene in Justizvollzugsanstalten und Obdachlose, die auf der Straße und in den Notunterkünften mit schwierigen hygienischen Bedingungen konfrontiert sind.
In der Nachbarstadt Ludwigshafen ist in einer Sammelunterkunft die Krankheit Covid-19 ausgebrochen. Zahlreiche Geflüchtete haben sich in kurzer Zeit angesteckt. Die Stadt bemüht sich um kurzfristige Maßnahmen und alternative Unterbringungsmöglichkeiten zur Eindämmung der Infektionen. Eine komplette Sammelunterkunft unter Quarantäne zu stellen, stellt auch die Stadt vor große Herausforderungen.
Die Situation in den Unterkünften kritisiert auch Gökay Akbulut, Migrations- und Integrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. In einer Mitteilung schreibt sie „In den Sammelunterkünften für Geflüchtete gibt es keinen Raum, um sich aus dem Weg zu gehen. Ein wirklicher Infektionsschutz ist so nicht möglich. (…) Es wird deswegen nun Zeit, die Menschen in dezentralen Wohnungen unterzubringen statt eingepfercht in Sammelunterkünften.“
Masken-Aktion für die LEA
Ganz praktisch geht das Problem der Verein „Mannheim sagt Ja!“ an. Nach einem Aufruf, Schutzmasken für Geflüchtete zu sammeln, konnten der Verein bereits Spenden bereit stellen. Zudem konnten über eine Aktion der Mannheimer Bekleidungsfirma von Jungfeld 500 Masken organisiert werden, die nun an die Bewohner*innen der Sammelunterkunft Landeserstaufnahmestelle (LEA) in der Pyramidenstraße weiter gegeben werden sollen. Die Aktion bei von Jungfeld läuft weiter. Beim Kauf einer Maske kann man eine weitere kaufen, die an eine bedürftige Person vermittelt wird.
In der LEA leben 250-300 Geflüchtete auf engem Raum, oft zu viert in einem Zimmer, berichtet Gerhard Fontagnier, Stadtrat der Grünen, der mit „Mannheim sagt Ja!“ die Masken-Aktion organisiert. Man wolle erreichen, dass jede*r mindestens zwei Masken zum Wechseln hat. „Wir sollten niemand in der Krise zurücklassen und insbesondere jenen helfen, denen es an Möglichkeiten fehlt“, heißt es in einer Mitteilung des Vereins.
Eigene Auflagen zum Infektionsschutz
Zurück bei der Kundgebung auf dem Marktplatz. Die Teilnehmerzahl ist mit acht Personen zwar überschaubar, dennoch fällt die kleine Gruppe mit Schildern, Transparenten und Mundschutz auf. Es ist vermutlich die erste Versammlung, die es an diesem Ort seit Wochen gibt.
„Ich habe die Kundgebung kurzfristig angemeldet – Anlass war die Aufnahme von gerade einmal 50 Kindern aus dem überfüllten griechischen Lagern – und dem Ordnungsamt gleich dazu geschrieben, wie wir den Infektionsschutz beachten werden“, berichtet der Anmelder. Neben dem Tragen einer Mund-/Nasenschutzmaske sei auch ein Mindestabstand zueinander und eine maximale Teilnehmerzahl selbstgewählte Auflage gewesen. Flugblätter würden nicht verteilt, stattdessen werden Passant*innen darauf hingewiesen, sich am Stapel selbst bedienen zu können.
Die Versammlungsbehörde sei nach einem kurzen Telefonat einverstanden gewesen und habe keine Einwände gegen die Kundgebung gehabt. Der Entscheidung vorausgegangen war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts in dieser Woche. Das höchste Gericht hatte das pauschale Verbot einer Kundgebung in Gießen aufgehoben und die dortige Versammlungsbehörde angewiesen, den Einzellfall zu prüfen. Dieses Urteil dürfte grundsätzlichen Charakter haben. Ein pauschales Verbot von Versammlungen auf Basis der Corona-Verordnungen ist demnach nicht zulässig. Ist im Einzelfall der Infektionsschutz gewährleistet, spricht auch nichts gegen eine politische Versammlung.
(cki)
Weitere Bilder der Kundgebung
Pressemitteilung des Bündnis gegen Abschiebungen
„Solidarität mit Geflüchteten – insbesonders die Forderung, dass es keine Benachteiligung der Geflüchteten hinsichtlichlich des Schutzes vor der Coronavirus-Pandemie geben darf. Also gleicher Schutz für alle!“
Das war der etwas umständliche Text für die Anmeldung einer Veranstaltung, die endlich mal wieder sichtbar „unter freiem Himmel“ stattfand.
Wohl auch aufgrund eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 15. April 2020 ging es dieses Mal mit der Anmeldung beim Ordungsamt ziemlich schnell.
(In diesem Beschluss wurde das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nach Art. 8, Abs. 1 Grundgesetz endlich mal wieder vom höchsten Gericht bekräftigt!)
Erst am Freitag, den 17.04. wurde die Veranstaltung angemeldet und am selben Tag erhielten wir auch schon die schriftliche Bestätigung des Ordnungsamts.
Die Polizei war im Übrigen an diesem Tag überraschend kooperativ – sollte immer so sein, was aber leider kaum zu erwarten ist!
Trotz technischer Probleme – das Megafon war kaum zu hören – war die Aktion ein Erfolg. Es gab großenteils sehr positive Reaktionen von den vorbeigehenden Passant*innen, die uns auch mehrfach direkt ansprachen. Mit Plakaten und 3 Transparenten haben wir unsere Solidarität mit den Geflüchteten bekundet. Deutlich war auf einem Transparent unsere Hauptforderung zu lesen:
„ Gleicher Gesundheitsschutz für alle, auch für Geflüchtete!“
Auf ein zweites Transparent hatten wir geschrieben: „Geflüchtete retten, statt sterben lassen!“.
Auf Plakate hatten wir die Forderungen geschrieben: „Sammellager auflösen!“, Keine europäische Abschottung, Geflüchtete aufnehmen!“, „Bleiberecht für alle, keine Abschiebungen, keine Abschiebehaft!“
Wir waren insgesamt nur 10 Menschen – darunter 1 Kleinkind mit seiner Mutter -, die an unserer Aktion insgesamt beteiligt waren. Aber nicht alle waren gleichzeitig vor Ort.
Wir gingen mehrmals langsam und im Abstand von 3 – 4 Metern mit den Transparenten und den Plakaten auf dem Marktplalz im Kreis, um die Leute auf unser Anliegen aufmerksam zu machen.
Wir haben auch Atemschutzmasken und Schutztücher dabei! Bei unseren Rundgängen riefen wir auch auch mehrmals laut unsere Forderungen.
Die Gefahren durch das Coronavirus zu erkranken sind für Geflüchtete besonders hoch, wie übrigens auch für Obdachlose und Gefangene..
In den Hotspots an den europäischen Außengrenzen, vor allem auf den Inseln der Ägäis, aber auch in den Lagern der europäischen Länder selbst, auch in Deutschland, ist gerade wegen der engen Unterbringung – vielfach mehrere Personden in einem Raum – das Risiko der Ansteckung durch das Coronavirus besonders hoch. Hierfür ist etwas Ellwangen ein besonders krasses Beispeil. In diesem Flüchtlingslager soll die Hälfte der Geflüchteten schon positiv getest worden sein!
Es ist auch in Deutschland schon zu Protesten der Geflüchteten gegen die Lager-Unterbringung gekommen. Gerade jetzt ist die Unterbringung in Lagern unverantwortlich und rücksichtslos. Weil auch die hygienischen Bedingungen vielfach unzureichend sind. Wir fordern die Unterbringung in leer stehenden Hotels oder anderen Immobilien. Platz ist genug da!
Der Anlass unserer Aktion war die Tatsache, dass nach langem Gezerre gerade mal 48 unbegleitete Kinder und Jugendliche am Aktionstag von den deutschen Behörden aufgenommen wurden. Allein in Moria, auf der Insel Lesbos sollen aber über 20.000 Geflüchtete unter menschenunwürdigen katastrophalen und hygienisch völlig unzureichenden Verhältnissen untergebracht sein. Daher fordern wir die sofortige Evakuierung aus den griechischen Flüchtlingslaern. (Siehe mehr Details auf der web-Seite www.solidaritaet-international.de). Wir fordern die Bundesregierung auf, noch wesentlich mehr Geflüchtete als am vergangenen Samstag aufzunehmen und sich dafür einzusetzen, dass dies auch andere Länder tun. Deutschland ist in vorderster Reihe in viele militärische Interventionen verwickelt und auch wegen seiner Waffenexporte in Konfliktländer und wegen neokolonialistischen Wirtschaftspolitik ein wichtiger Verursacher von Flucht.
Neben der Auflösung der Lager fordern wir generell das System von Abschottung und Diskriminierung der Geflüchteten durch ausgrenzende Sondergesetze und repressive Maßnahmen zu beenden. Ebenfalls sollen Abschiebungen gerade jetzt insgesamt gestoppt und Geflüchtete aus der Abschiebehaft entlassen werden.
Asyl ist ein Menschenrecht! Jeder Mensch hat ein Recht auf ein menschenwürdiges, diskriminierungsfreies Leben!
Wir werden uns weiterhin nach unseren Möglichkeiten für die Verwirklung deses Rechts einsetzen. Das heißt im Grunde, dass wir für eine Gesellschaft kämpfen müssen ist, die frei ist von Profitzwang und Ausbeutung, frei von Unterdrückung, Herrschaft Sexismus und Rassismus.
Es gibt also noch viel zu tun. Packen wirs an!
Venceremos
Bündnis gegen Abschiebungen (BgA) Mannheim
Mannheim, den 19.04.2020