„Querdenken“-Absage: Maskenpflicht bremst Verschwörungsideologen aus
Eine Versammlung der Initiative „Querdenken 621“ im Mannheimer Schlosshof wurde am Samstag kurzfristig vom Veranstalter abgesagt. Grund dafür waren Auflagen der Stadt zum Infektionsschutz. Der Mannheimer Ableger des „Querdenken“-Netzwerks, ein Zusammenschluss von Corona-Skeptiker*innen und Verschwörungsideolog*innen, wollte vor allem die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht akzeptieren und sprach wörtlich von „Rassismus“.
Die Veranstaltung mit dem Titel „Für den Erhalt unserer Grundrechte“ war für Samstagnachmittag angemeldet worden. „Querdenken 621“ um den Anmelder Patrick Schlegel hatte 1000 Teilnehmer*innen angekündigt. Die Mannheimer Initiative, die zunächst mit dem Namen „Corona Rebellen“ gestartet war, gehört zum bundesweiten „Querdenken“-Netzwerk, das seinen Ursprung in Stuttgart nahm.
Bundesweit fanden am Samstag zahlreiche Veranstaltungen in verschiedenen Städten statt. Bei den Kundgebungen wird die Corona-Pandemie als Erfindung der Herrschenden dargestellt und die Gefahr von Covid-19 verharmlost. Es wird gegen das Maske tragen und gegen Impfungen agitiert und Teile der Bewegung rufen zum gewaltsamen Umsturz auf.
„Wir empfinden das als Rassismus“
Der Auflagenbescheid der Stadt Mannheim, der dem Veranstalter am Freitag zugegangen sein soll, schrieb vor, Abstandregeln von 1,5m einzuhalten. Alle Teilnehmer*innen ab 6 Jahre müssten Mund-Nasen-Bedeckungen tragen, andernfalls seien sie von der Veranstaltung auszuschließen. Für Personen, die aus medizinischen Gründen keine Masken tragen können, akzeptiere das Ordnungsamt Plexiglas-Gesichtsschutz. Auch Redner*innen dürften während ihrer Reden die Masken abnehmen.
Dennoch akzeptierte der Veranstalter die Auflagen nicht und sagte die Veranstaltung über den Telegram-Kanal der Initiative ab. Man wolle die „Maskerade“ nicht mitmachen. Der Stadt wurde vorgeworfen, das Grundgesetz „mit Füßen zu treten“. Die Stellungnahme gipfelte in einem absurden Vergleich: „Wir empfinden das als Rassismus“ wurde die Maskenpflicht kommentiert.
Den Auflagenbescheid veröffentlichte der Versammlungsleiter auszugsweise auf dem Telegram Kanal und später bei einem Infostand. Eine Überprüfung war uns nicht möglich, eine entsprechende Anfrage des Kommunalinfo blieb bis Redaktionsschluss von der Stadt unbeantwortet. Die Polizei bestätigte jedoch vor Ort den von „Querdenken“ geschilderten Ablauf.
Interessant an dieser Geschichte ist, dass das Thema Maske tragen bei den Querdenken-Veranstaltungen bisher wohl ziemlich locker gehandhabt wurde. Während in quasi allen gesellschaftlichen Bereichen, sei es bei Veranstaltungen oder in der Gastronomie, die Maskenpflicht mittlerweile zum breit akzeptierten Standard gehört, hatten Corona-Skeptiker*innen bei ihren bisherigen Veranstaltungen offenbar große Freiheiten. Und tatsächlich kann man auf einem bei Telegram veröffentlichten Video sehen, dass bei einer Veranstaltung am 25.10.2020 im Unteren Luisenpark fast niemand eine Maske trägt. Damit scheint es nun offenbar vorbei zu sein.
„Querdenken 621 hat sich endgültig für mich erledigt“
Die Absage für den 31. Oktober sorgte innerhalb der Szene für großen Streit. In der Telegram Gruppe tobte eine aufgeregte Diskussion. Viele griffen die Orga-Gruppe an, da sie vor dem Staat kusche, manche riefen zu Spontandemonstrationen und Regelverstößen auf. Mindestens eine Klage gegen die Maskenpflicht hätten sich viele gewünscht. Mitorganisator Tom Stahl meldete sich mit einer Videobotschaft zu Wort und versuchte zu besänftigen. Dennoch gab es bis zum Abend weiter hitzige Diskussionen, Beschuldigungen und Beleidigungen.
In Mannheim zeigte sich heute eine Entwicklung, wie es sie auch in anderen Städten gibt. Ein Teil der Querdenken-Szene radikalisiert sich, ruft offen zum Umsturz auf und sieht gewalttätige Aktionen als legitimes Mittel (wie beispielsweise den Brandanschlag auf das Robert-Koch-Institut). Ein anderer Teil der Szene bemüht sich um Zurückhaltung und fürchtet zurecht um Stigmatisierung.
80 Personen ohne Maske bei Infostand
Zuletzt konnte „Querdenken 621“ doch noch einen kleinen Achtungserfolg erzielen, als sie die Maskenverweigerung bei einer Ersatzveranstaltung im Schlosshof durchsetzten. Nach abgesagter Großkundgebung versammelten sich trotzdem in der Spitze rund 80 Personen um einen Infostand. Bis auf vereinzelte Ausnahmen verzichteten alle Anwesenden auf Mund-Nasen-Bedeckung und standen eng umringt um die Büchertische und Pappaufsteller. Die hitzigen Diskussionen aus der Telegram Gruppe wurde nun im persönlichen Gespräch fortgesetzt. Der Großteil der Szene dürfte sich aber auf den Weg zu einer der anderen Querdenken-Versammlungen in Karlsruhe, Speyer oder Darmstadt gemacht haben.
Die Polizei war am Schloss zwar in großer Zahl vor Ort, hielt sich aber im Hintergrund. Die Demonstrationsauflagen galten für die Ersatzveranstaltung offenbar nicht, wie ein Polizeisprecher mitteilte, man werde aber auf die allgemeinen Abstandsregeln achten. „Wir greifen ein, wenn nötig.“ Nach etwa einer Stunde war dies dann offenbar der Fall und Anmelder Patrick Schlegel wurde von der Polizei zum Gespräch gebeten. Kurz darauf folgte eine Durchsage an die Anwesenden, doch bitte den Abstand einzuhalten. Mit grummeligen Blicken und etwas widerwillig gingen die „Corona-Rebellen“ ein paar Schritte auseinander. (cki)