Wahlprüfsteine der Seebrücke – Was sagen die Parteien zum Thema Flucht und Aufnahme Geflüchteter?
Die Mannheimer Gruppe der Initiative Seebrücke hat bei den Kandidat*innen zur Landtagswahl sogenannte Wahlprüfsteine zum Thema Flucht und Aufnahme Geflüchteter angefragt. Dazu wurden sechs Fragen an die Kandidat*innen zur Landtagswahl gestellt. Die Antworten von Bündnis 90/Die Grünen, SPD, FDP und DIE LINKE zum Fragenkatalog dokumentieren wir an dieser Stelle. Von der CDU hat die Seebrücke keine Antwort auf ihre Fragen erhalten. (cki)
Wahlprüfsteine – Antworten von Elke Zimmer (Bündnis 90/Die Grünen)
1) In Baden-Württemberg haben sich mehr als 30 Städte und Kommunen per Beschluss bereit erklärt, über den Verteilungsschlüssel hinaus geflüchtete Menschen aufzunehmen. Welche Pläne haben Sie und Ihre Partei, das Ziel der eigenständigen kommunalen Aufnahme zu erreichen?
Wir GRÜNEN haben uns schon auf kommunaler Ebene dafür eingesetzt, dass Kommunen und auch Landkreise zum „Sicheren Hafen“ wurden. Die grün-geführte Landesregierung ist selbstverständlich bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen. Für ein eigenes Landesaufnahmeprogramm braucht es jedoch die Zustimmung des Bundesinnenministeriums. Dieses lehnt die Aufnahme weiterer Menschen durch Landesaufnahmeprogramme ab. Um als Land beim Bund die Zustimmung für ein eigenes Programm zu fordern, sind wir auf die Unterstützung durch unseren Koalitionspartner angewiesen.
2) Werden Sie und Ihre Partei sich für ein Landesaufnahmeprogramm für besonders schutzbedürftige Geflüchtete einsetzen?
In unserem Wahlprogramm haben wir uns zum Ziel gesetzt, das Land Baden-Württemberg zum „Sicheren Hafen“ zu machen. Wir wollen ein eigenes Landesaufnahmeprogramm vorantreiben. Bundesländer, wie auch Landkreise und Kommunen wollen mehr Möglichkeiten erhalten, Menschen aufzunehmen.
3) Bisher sind alle Landesaufnahmeprogramme am Veto des Bundesinnenministers gescheitert. Das Land Berlin hat daraufhin eine Klage eingereicht. Würden Sie und Ihre Partei sich dafür einsetzen, dass Baden-Württemberg diese Klage unterstützt? Wenn nein, warum nicht?
Wir GRÜNE sind gegenüber allen Initiativen aufgeschlossen, die den Ländern mehr Gestaltungsfreiheit einräumen. Und ich befürworte diese ausdrücklich. Gleichzeitig ist aber klar: Das eine ist die rechtliche Frage, ob hier ein Einvernehmen des Bundesinnenministeriums erforderlich ist. Das andere die Tatsache, dass ein Landesaufnahmeprogramm rein praktisch nur in Zusammenarbeit mit dem Bund umgesetzt werden kann.
4) Die zivile Seenotrettung wird seit Jahren behindert und kriminalisiert. Wie stehen Sie und Ihre Partei dazu? Würden Sie und Ihre Partei sich für eine staatlich organisierte Seenotrettung einsetzen?
Wir GRÜNEN stehen zu unseren Aussagen und haben diese ausdrücklich in unserem Wahlkampfprogramm fixiert: Auf europäischer Ebene setzen wir uns dafür ein, dass zivile Seenotrettung entkriminalisiert und ein europäisch organisiertes und finanziertes ziviles Seenotrettungssystem aufgebaut wird. Denn uns ist wichtig: Das Sterben im Mittelmeer muss beendet werden!
Das heißt für uns, auch die nördlichen sowie Binnenstaaten der EU müssen Geflüchtete aufnehmen. Sie dürfen die Mittelmeeranrainer damit nicht allein lassen. Klar ist aber: Die fehlende solidarische, europäische Lösung der Flüchtlingsaufnahme darf nicht zulasten der zivilen Seenotrettung gehen und zu deren Kriminalisierung führen.
Egal, wo jemand herkommt; egal, wo jemand hinwill oder aus welchem Grund ein Mensch in Seenot ist: Menschen in Lebensgefahr sind zu retten und an einen sicheren Ort zu bringen. Dort, wo Menschen in Not sind, haben Staaten die Verantwortung, die Rettung zu koordinieren und zu organisieren. Dafür braucht es ein gemeinsames EU-Seenotrettungssystem. Wer sich für Menschenrechte einsetzt – ob an Land oder auf See, ist zu unterstützen und darf nicht kriminalisiert werden.
5) Was bedeutet gesellschaftliche Teilhabe von geflüchteten Menschen für Sie und Ihre Partei? Welche Pläne haben Sie, die Teilhabe-Chancen (z.B. Zugang zu Wohnraum, Bildung, kulturellen Angeboten, Arbeit/Ausbildung) geflüchteter Menschen zu verbessern?
Wenn Menschen zu uns kommen, wollen wir ab dem ersten Tag mit der Integrationsarbeit beginnen. Wir wollen keine Zeit verlieren, indem wir warten, bis der Aufenthaltsstatus endgültig geklärt ist. Geflüchtete sollen so schnell wie möglich Zugang zu integrativen Maßnahmen, zu Ausbildung, Arbeit und Wohnen bekommen. Das ist unser Ziel.
Dabei ist die Sprache der Schlüssel für gesellschaftliche Teilhabe und eine gelingende Integration. Daher wollen wir allen von Anfang die Möglichkeit geben, unsere Sprache zu lernen:
Mit der Verwaltungsvorschrift „Deutsch für Flüchtlinge“ fördert das Land bereits seit 2015 ein Sprachkursangebot, das die Integrationskurse des Bundes ergänzt. In den Vorbereitungsklassen (VABO) werden Schüler*innen u.a. in Deutsch unterrichtet, so dass sie schließlich in das Regelbildungssystem integriert werden können.
Wir wollen die Sprachbildung im Kindergartenalltag und an Grundschulen entschlossen weiter ausbauen und verbessern. Den sprachsensiblen Fachunterricht wollen wir in allen Schulen verankern. Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund sollen gezielten Unterricht in Deutsch als Fremdsprache erhalten. Mentor*innenprogramme für Eltern, mit denen wir die Familien begleiten, wollen wir bedarfsgerecht weiter ausbauen.
Unser Ziel ist es, Menschen in Not zu helfen und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich mit ihren Erfahrungen in unsere Gesellschaft einzubringen. Davon profitieren nicht zuletzt auch diejenigen, die bereits seit Längerem hier leben. Wir sorgen dafür, dass Geflüchtete bei uns ein neues Zuhause finden und schaffen langfristige Integrations- und Bleibeperspektiven.
Als grün-geführte Landesregierung haben wir auch das Programm „Chancen gestalten – Wege der Integration in den Arbeitsmarkt öffnen“ auf den Weg gebracht. Wir werden nun ein landesweites kommunales Netzwerk aufbauen, um Geflüchtete und Migrant*innen schnellstmöglich ins Arbeitsleben zu integrieren. Im Ausland erworbene Qualifikationen und Abschlüsse wollen wir fair anerkennen, nutzen und stärken. Bildung und Sprache sind für Integration, Teilhabe und Chancengerechtigkeit von zentraler Bedeutung. Wir werden deshalb die Angebote für Sprachkurse ausbauen und die begleitende Kinderbetreuung für Geflüchtete mit Kindern sicherstellen.
Wir möchten Schüler*innen mit Migrationsgeschichte unterstützen, indem wir ihre Fähigkeit zu Multiperspektiven und Mehrsprachigkeit fördern und wertschätzen. Wir wollen Diversität stärken, indem wir mehr Lehrkräfte mit Migrationsgeschichte an unsere Schulen bringen. Den muttersprachlichen Unterricht wollen wir nach dem Vorbild anderer Bundesländer in staatliche Verantwortung übernehmen und den Konsulatsunterricht abschaffen.
In den vergangenen Jahren hat die grün-geführte Landesregierung in einer Verantwortungsgemeinschaft mit den Kommunen und der Zivilgesellschaft vielen Geflüchteten geholfen. Verschiedene Maßnahmen haben die Unterbringung und Versorgung der Menschen verbessert.
Wir wollen auch in Zukunft die Situation in den Flüchtlingsunterkünften weiter verbessern.
• Der Aufenthalt in den Erstaufnahmeeinrichtungen soll weiter verkürzt werden.
• Die Erstaufnahme muss gut ausgestattet und Corona-konform gestaltet werden.
• Wir haben den Wohnraum in der Flüchtlingsaufnahme erhöht und eine erfolgreiche Bundesratsinitiative für Geflüchtete in Arbeit gestartet, um Bleibeperspektiven zu verbessern.
• Eine Wohnsitzauflage für anerkannte Geflüchtete sehen wir grundsätzlich kritisch.
• Durch eine umfassende Sozial- und Rechtsberatung wollen wir sicherstellen, dass Geflüchtete künftig von Anfang an über ihre Rechte und die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel informiert werden.
• Gesellschaftliche Teilhabe schließt neben Wohnen und Arbeiten auch die gesundheitliche Versorgung ein. Wir setzen uns daher dafür ein, mit der Erstregistrierung eine Gesundheitskarte auszustellen. Zudem wollen wir den anonymen Krankenschein für Menschen ohne Aufenthaltsstatus, sogenannte Papierlose, etablieren.
• Traumatisierte Geflüchtete brauchen einen schnellen und niedrigschwelligen Zugang zu Hilfe, damit sie eine Perspektive und Chancen auf Teilhabe in der Gesellschaft haben. Daher wollen wir die bestehenden psychosozialen Beratungsstellen zu einer landesweiten Versorgungsstruktur weiterentwickeln.
Um geflüchtete Menschen besser in Arbeit und Ausbildung zu bringen, unterstützen wie sie mit spezifischen Angebote. Auch diese Angebote wollen wir fortsetzen. Mit dem Programm „Integration durch Ausbildung – Perspektiven für Zugewanderte“ haben wir spezifische Hilfs- und Beratungsangebote etabliert, um zugewanderte Menschen bei der Berufswahl und bei der Integration in Ausbildung gezielt zu unterstützen.
Darüber hinaus hat die grün-geführte Landesregierung ein flächendeckendes Netz von so genannten regionalen “Kümmerern” geschaffen. Sie vermitteln die jungen Zugewanderten in Praktikum, Einstiegsqualifizierung und Ausbildung. Gleichzeitig sind die Kümmerer Ansprechpartner*innen für die Betriebe. So geben wir neu zugewanderten jungen Menschen rasch eine berufliche Perspektive und helfen zugleich den Betrieben bei allen Fragen rund um das Thema Ausbildung von Flüchtlingen.
6) Wie sollen die Städte und Kommunen bei der Erfüllung dieser Aufgaben unterstützt werden?
Als Land gestalten wir Integration maßgeblich mit. Deshalb haben wir als grün-geführte Landesregierung 2016 gemeinsam mit den Kommunen den Pakt für Integration auf den Weg gebracht. Kernstück war ein neu geschaffenes Integrationsmanagement. Heute stehen rund 1000 Integrationsmanager*innen den Geflüchteten im Alltag zur Seite und unterstützen sie mit Integrationsplänen dabei, ein selbstständiges Leben zu führen. Zusätzlich unterstützt der Pakt junge Geflüchtete in Schulen auf ihrem Weg ins Berufsleben.
2020 haben die Kommunen einmalig 15 Millionen Euro für die Integration von Geflüchteten bekommen. Damit stellt das Land den Kommunen sämtliche Bundesmittel bereit, die für die Integration Geflüchteter nach Baden-Württemberg fließen.
Neben der Unterstützung der Kommunen mit je 70 Millionen Euro in den Jahren 2020 und 2021, um die Integrationsmanager*innen fortzuführen, wurde auch der Integrationslastenausgleich verlängert.
Wahlprüfsteine – Antworten von Boris Weirauch (SPD)
1. In Baden-Württemberg haben sich mehr als 30 Städte und Kommunen per Beschluss bereit erklärt, über den Verteilungsschlüssel hinaus geflüchtete Menschen aufzunehmen. Welche Pläne haben Sie und Ihre Partei, das Ziel der eigenständigen kommunalen Aufnahme zu erreichen?
Ich unterstütze als Mannheimer Abgeordneter die Position des Mannheimer Gemeinderats, der Mannheim zum sicheren Hafen erklärt hat. Ich würde mir wünschen, dass Land und Bund den Kommunen bei der Aufnahme geflüchteter Menschen mehr Spielräume ermöglichen, als dies im Moment der Fall ist. Ich hätte mir zudem von einer grün-geführten Landesregierung definitiv mehr Druck auf das Bundesinnenministerium erhofft. In einem förderalen Staat sollte kommunales Engagement in humanitären Fragen berücksichtigt und nicht ausgebremst werden.
2. Werden Sie und Ihre Partei sich für ein Landesaufnahmeprogramm für besonders schutzbedürftige Geflüchtete einsetzen?
Die SPD Baden-Württemberg unterstützt ein Landesaufnahmeprogramm, insbesondere für die Geflüchteten in den griechischen Lagern, deren humanitäre Situation absolut indiskutabel ist. Die Menschenwürde nach Art. 1 des Grundgesetzes macht nicht an unserer Landesgrenze halt, sondern hat universelle Bedeutung. Die SPD-Landtagsfraktion hat den Ministerpräsidenten im letzten Herbst in einem Schreiben dazu aufgefordert, ein Landesaufnahmeprogramm ins Leben zu rufen und durchzusetzen. Leider bislang ohne Erfolg.
3. Bisher sind alle Landesaufnahmeprogramme am Veto des Bundesinnenministers gescheitert. Das Land Berlin hat daraufhin eine Klage eingereicht. Würden Sie und Ihre Partei sich dafür einsetzen, dass Baden-Württemberg diese Klage unterstützt? Wenn nein, warum nicht?
Ja, gemeinsam mit der SPD Baden-Württemberg unterstütze ich die Klage des Landes Berlin gegen das Veto des Bundesinnenministeriums, und ich würde es begrüßen, wenn sich Baden-Württemberg der Klage Berlins anschließt.
4. Die zivile Seenotrettung wird seit Jahren behindert und kriminalisiert. Wie stehen Sie und Ihre Partei dazu? Würden Sie und Ihre Partei sich für eine staatlich organisierte Seenotrettung einsetzen?
Die Seenotrettung im Mittelmeer darf weder kriminalisiert noch anderweitig behindert werden. Die Rettung aus Seenot ist ein Gebot der Menschlichkeit. Eine staatlich organisierte Seenotrettung wäre ein Lösungsansatz; es wäre wünschenswert, wenn dies auf europäischer Ebene abgestimmt werden würde. Es stünde aber Deutschland gut an, hier Vorbild zu sein. Die SPD würde sich im Falle einer Regierungsbeteiligung diesbezüglich dafür stark machen, eine entsprechende Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen.
Was bedeutet gesellschaftliche Teilhabe von geflüchteten Menschen für Sie und Ihre Partei? Welche Pläne haben Sie, die Teilhabe-Chancen (z.B. Zugang zu Wohnraum, Bildung, kulturellen Angeboten, Arbeit/Ausbildung) geflüchteter Menschen zu verbessern?
Die SPD hat während der gesamten Legislatur Vorschläge für eine sozialere Wohnungspolitik und bessere Bildungschancen unterbreitet, die im Wesentlichen von der grün-schwarzen Regierungskoalition nicht aufgegriffen wurden. Gleiches gilt für unseren Vorstoß für den sog. Spurwechsel, wonach Geflüchtete, deren Asylantrag rechtskräftig abgelehnt wurden, eine Bleibeperspektive erhalten, wenn sie einer Arbeit nachgehen oder eine Ausbildung erfolgreich abschließen. Grün-Schwarz hat sich insbesondere in dieser Frage über Gebühr blockiert, zu Lasten der Geflüchteten und der baden-württembergischen Wirtschaft.
5. Wie sollen die Städte und Kommunen bei der Erfüllung dieser Aufgaben unterstützt werden?
Das Land sollte das Engagement auf kommunaler Ebene stärker wertschätzen und die Kosten der Kommunen in diesem Zusammenhang voll ausgleichen.
Wahlprüfsteine – Antworten von Florian Kußmann (FDP)
1) In Baden-Württemberg haben sich mehr als 30 Städte und Kommunen per Beschluss bereit erklärt, über den Verteilungsschlüssel hinaus geflüchtete Menschen aufzunehmen. Welche Pläne haben Sie und Ihre Partei, das Ziel der eigenständigen kommunalen Aufnahme zu erreichen?
Ich halte nach wie vor eine europäische Lösung für die richtige. Wenn jede Kommune eigene Wege geht wird das nicht dazu beitragen eine gemeinsame Lösung zu finden.
2) Werden Sie und Ihre Partei sich für ein Landesaufnahmeprogramm für besonders schutzbedürftige Geflüchtete einsetzen?
Baden-Württemberg hat schon deutlich mehr geleistet als andere. Gerade die Aufnahme von Jesidinnen in einer Zeit als diese akut verfolgt und bedroht waren ist hier vorbildhaft gelaufen.
3) Bisher sind alle Landesaufnahmeprogramme am Veto des Bundesinnenministers gescheitert. Das Land Berlin hat daraufhin eine Klage eingereicht. Würden Sie und Ihre Partei sich dafür einsetzen, dass Baden-Württemberg diese Klage unterstützt? Wenn nein, warum nicht?
Nein, ich halte die Klage für aussichtslos.
4) Die zivile Seenotrettung wird seit Jahren behindert und kriminalisiert. Wie stehen Sie und Ihre Partei dazu? Würden Sie und Ihre Partei sich für eine staatlich organisierte Seenotrettung einsetzen?
Die Seenotrettung ist eine staatliche Aufgabe und muss auf europäischer Ebene organisiert werden.
5) Was bedeutet gesellschaftliche Teilhabe von geflüchteten Menschen für Sie und Ihre Partei? Welche Pläne haben Sie, die Teilhabe-Chancen (z.B. Zugang zu Wohnraum, Bildung, kulturellen Angeboten, Arbeit/Ausbildung) geflüchteter Menschen zu verbessern?
Sprachkurse möglichst zeitnah anzubieten und einen schnellen Zugang zum Arbeitsmarkt. Ein Einwanderungsgesetz würde eine bessere Perspektive schaffen.
6) Wie sollen die Städte und Kommunen bei der Erfüllung dieser Aufgaben unterstützt werden?
Vor allem finanziell. Mannheim leistet bereits viel, bei der aktuellen finanziellen Situation ist aber fraglich was in Zukunft noch möglich sein wird. Der Bund muss hier deutlich mehr unterstützen.
Wahlprüfsteine – Antworten von Sven Metzmaier und Isabell Fuhrmann (DIE LINKE)
1) In Baden-Württemberg haben sich mehr als 30 Städte und Kommunen per Beschluss bereit erklärt, über den Verteilungsschlüssel hinaus geflüchtete Menschen aufzunehmen. Welche Pläne haben Sie und Ihre Partei, das Ziel der eigenständigen kommunalen Aufnahme zu erreichen?
Mannheim zählt zu den mittlerweile über 30 Kommunen, die sich per Beschluss zur Aufnahme von Geflüchteten bereiterklärt haben. Dieser Antrag wurde u.a. von der LINKEN in den Gemeinderat eingebracht. Ebenfalls ging von unserer Gemeinderatsfraktion eine Anfrage zur Umsetzung dieser Resolution an die Stadtverwaltung. Doch die Handlungsspielräume auf kommunaler Ebene sind begrenzt. DIE LINKE möchte daher ein Landesaufnahmeprogramm nach Berliner Vorbild, das den Kommunen ermöglicht, eigenständig Geflüchtete aufzunehmen. Hierfür müssen die Kommunen auch die notwendigen finanziellen Mittel von Bund oder Land erhalten, da dies eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Zudem setzen wir uns dafür ein, dass § 23 des Aufenthaltsgesetzes über die Neuansiedlung von Schutzsuchenden dahingehend geändert wird, dass Kommunen und Länder zukünftig nur noch “im Benehmen” und nicht länger wie bisher „im Einvernehmen“ mit dem Innenministerium Menschen aufnehmen können. Dadurch würde eine Einwilligung des Innenministeriums entfallen und Kommunen könnten auch entgegen der Vorgaben des Innenministeriums Geflüchtete aufnehmen. Derartige Initiativen im Bundesrat wurden bisher leider nur von den Ländern Thüringen, Berlin und Bremen unterstützt. Vom grün-schwarz regierten Baden-Württemberg leider nicht. DIE LINKE Baden-Württemberg möchte sich im Stuttgarter Landtag dafür einsetzen, dass auch Baden-Württemberg derartige Bundesratsinitiativen zukünftig unterstützt.
2) Werden Sie und Ihre Partei sich für ein Landesaufnahmeprogramm für besonders schutzbedürftige Geflüchtete einsetzen?
Ein derartiges Landesaufnahmeprogramm befürworten wir. Kommunen brauchen in dieser Angelegenheit einerseits rechtliche Absicherung und andererseits mehr Autonomie bei der Aufnahme zusätzlicher Geflüchteter. Denn mit einem Landesaufnahmeprogramm hätten Kommunen mehr Handhabe dabei, Geflüchtete aufzunehmen, ohne von Bundes- und Landesinnenministern daran gehindert werden zu können.
3) Bisher sind alle Landesaufnahmeprogramme am Veto des Bundesinnenministers gescheitert. Das Land Berlin hat daraufhin eine Klage eingereicht. Würden Sie und Ihre Partei sich dafür einsetzen, dass Baden-Württemberg diese Klage unterstützt? Wenn nein, warum nicht?
Ja, wir unterstützen diese Klage. Die unrechtmäßige Blockade durch Innenminister Seehofer darf nicht wehrlos hingenommen werden. DIE LINKE möchte auch, dass für Baden- Württemberg ein Landesaufnahmeprogramm aufgelegt wird. Dies lässt sich ohne Klage gegen Innenminister Seehofer aber nicht umsetzen. Ob Baden-Württemberg sich der Berliner Klage
anschließt oder eine eigene Klage einreicht, muss entsprechend der besseren Erfolgschancen geprüft werden.
4) Die zivile Seenotrettung wird seit Jahren behindert und kriminalisiert. Wie stehen Sie und Ihre Partei dazu? Würden Sie und Ihre Partei sich für eine staatlich organisierte Seenotrettung einsetzen?
Die Kriminalisierung der Seenotrettung und ihrer Unterstützer*innen ist ein Skandal. Wir fordern daher, diese Kriminalisierung sofort zu beenden, da sie sich gegen Menschenwürde und Zivilcourage richtet. Wir unterstützen die Helfer*innen, die das Ertrinken der Menschen nicht zulassen und aktiv werden. Die Arbeit und die Anliegen der Seebrücke und anderer Organisationen unterstützen wir. Die Partei DIE LINKE fordert auf europäischer, Bundes- und Landesebene umgehend die Aufnahme einer staatlich organisierten und finanzierten zivilen Seenotrettung. DIE LINKE ist klar antirassistisch und setzt sich für offene Grenzen für alle Menschen ein.
5) Was bedeutet gesellschaftliche Teilhabe von geflüchteten Menschen für Sie und Ihre Partei? Welche Pläne haben Sie, die Teilhabe-Chancen (z.B. Zugang zu Wohnraum, Bildung, kulturellen Angeboten, Arbeit/Ausbildung) geflüchteter Menschen zu verbessern?
Gesellschaftliche Teilhabe ist ein wichtiger Faktor für das Einleben in einer neuen Gesellschaft. DIE LINKE setzt sich ein für eine dezentrale Unterbringung und freie Wohnortwahl für geflüchtete Menschen. Durch Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus soll die integrative Unterbringung von Flüchtlingen erleichtert werden. Für die medizinische Versorgung werden ein anonymer Krankenschein zur Behandlung von Menschen ohne Aufenthaltspapiere und eine elektronische Gesundheitskarte für Geflüchtete benötigt. Das Asylbewerberleistungsgesetz muss abgeschafft werden. Geflüchtete müssen stattdessen dieselben Sozialleistungen und auch Anspruch auf die gleichen Sozialstandards haben wie Personen mit deutschem Pass erhalten. Geflüchtete benötigen Bargeld anstatt Essens- und Kleidungsgutscheine. Das Angebot an Deutschkursen, die kostenlos sein müssen, muss vergrößert werden. Wir fordern einen ticketfreien öffentlichen Personennahverkehr, wovon auch Geflüchtete profitieren würden, denn Mobilität ist Voraussetzung für Teilhabe.
6) Wie sollen die Städte und Kommunen bei der Erfüllung dieser Aufgaben unterstützt werden?
Kommunen müssen mehr Rechte bei der Aufnahme von Geflüchteten und die hierfür notwendigen Finanzmittel aus Bundes- und Landesmitteln erhalten. Wir lehnen ab, dass den Kommunen die Kosten für Flüchtlinge erst im Nachhinein erstattet werden (Spitzabrechnung). Kommunen sollen stattdessen mit einem Pauschalbetrag in ausreichender Höhe ausgestattet werden.