Sanierung der Einweisungsgebiete Ludwigshafen verschoben
KIM dokumentiert die Stellungnahme der Ökumenischen Fördergemeinschaft:
Wer setzt Prioritäten?
Ludwigshafen, 13. Juli 2021 – „Stillstand statt Fortschritt“ titelt die RHEINPFALZ, „Geplante Aufwertung der Ludwigshafener Obdachlosengebiete verzögert sich deutlich“ der Mannheimer Morgen. Warum überrascht die Aussage der Stadtverwaltung zum Planungsstand Bayreuther Straße nicht?
Seit mehr als 50 Jahre „leistet“ sich die Stadt Ludwigshafen zwei Obdachlosenwohngebiete, die in den letzten Jahrzehnten von einer menschenwürdigen Unterbringung immer weiter entfernt sind. Ganz egal wie politische Mehrheitsverhältnisse in Ludwigshafen waren und sind, wurden nicht nur die Wohnverhältnisse akzeptiert, nein es wurde sogar die Notwendigkeit Einweisungsgebiete dieser Größenordnung betont.
Dann 2017, nicht zu Letzt durch eine überregionale Berichterstattung zu den Verhältnissen in den Einweisungsgebieten der Stadt mit vorangetrieben, wurde die Verwaltung durch einen Mehrheitsbeschluss im Stadtrat beauftragt, ein Sozial- und Baukonzept für die Einweisungsgebiete zu prüfen. Für diese Prüfung brauchte die Verwaltung mehr als 3 Jahre und stellte dann ein Sozial- und Baukonzept vor, das alles andere als ausgereift ist. Die Wohnungen, die die Verwaltung für Wohnungslose anmieten will, sind nur für eine kleine Gruppe der Wohnungslosen, für psychisch Kranke, die mit entsprechender sozialpädagogischer Unterstützung die Wohnungen beziehen sollen. Kein großer Wurf, sondern das sollte eine Selbstverständlichkeit sein.
Was ist mit den übrigen Wohnungslosen, jene in der Kropsburgstraße, die sich Hoffnung auf eine Wohnung, auf die derzeit im Bau befindlichen Wohnungen der GAG in der Flurstraße machen? Die wenigsten werden überhaupt eine Chance haben, dass ihre Wohnungsbewerbung bei der GAG berücksichtigt wird. Ein Konzept wie mit möglichen Mietschulden aus früheren Mietverhältnissen bei der GAG umgegangen wird, sucht man im Sozialkonzept vergeblich. Aber dafür bleibt ja das zweite Einweisungsgebiet erhalten. Denn selbst, wenn die Sanierung, Abriss und Neubau in der Bayreuther Straße irgendwann erfolgen sollte, wird es in Ludwigshafen ein Obdachlosenquartier für bis 400 Menschen geben. Die Wohnverhältnisse mögen sich dann verbessert haben, aber konzeptionell, wie man grundsätzlich mit dem Problem der Wohnungslosigkeit umgeht, hat sich nichts verändert. Anfang der 70er Jahre hat der damalige Bürgermeister Janson die Neubauten der Bayreuther Straße (weiße Blöcke) als Verbesserung und sozialen Fortschritt gewürdigt, 50 Jahre später scheint sich das an gleicher Stelle zu wiederholen.
Die Empörung der politischen Parteien im Stadtparlament war groß nachdem ihnen der Baudezernent den Sachstand vorgetragen hatte. Doch wer ist in der politischen Verantwortung, dass gefasste Beschlüsse des Stadtrats auch umgesetzt werden? Man könnte auch den Eindruck gewinnen, als komme es den Parteien und ihren Vertretern ganz gelegen, dass sie die Verwaltung als die Schuldigen „anprangern“ können. 2017 wurde der Prüfauftrag mit Zustimmung aller Parteien im Stadtrat an die Verwaltung erteilt; dass mit besonderem Nachdruck auf die Umsetzung den Prüfauftrag gedrängt wurde, konnte man nicht feststellen. Hochstraße, Rathausabriss, Schul- und Kindertages-stättenausbau, Kultureinrichtungen…, Argumente warum die Sanierung oder sogar eine Quartiersentwicklung der Einweisungsgebiete nicht prioritär behandelt wird, finden sich immer wieder. Die Prioritäten jedoch werden nicht von der Verwaltung gesetzt, die Verwaltung setzt um, die Vorgaben kommen von der Politik.
Walter Münzenberger
Geschäftsführer Ökumenische Fördergemeinschaft gGmbH
Link zur SWR-Serie über die Bayreuther Straße vom 16.3.2021: „Die Bayreuther Straße in Ludwigshafen gilt als einer der ältesten sozialen Brennpunkte Deutschlands“
https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/ludwigshafen/artikel-bayreuther-strasse-pressetext-doku-lu-100.html
Das Aktionsbündnis Wohnen Ludwigshafen erhebt folgende Forderungen:
Abschaffung der Einweisungsgebiete
- Bayreuther Straße und Mundenheim West zu Wohnquartieren entwickeln: Sanierung, Umbau oder Abriss der Gebäude, Schaffung von Wohnungen unterschiedlicher Größe, die den Standards des sozialen Wohnungsbaus entsprechen
- Abschaffung von „Zwangswohngemeinschaften“, Alleinstehende sind in Einzelappartements unterzubringen
- Mietverträge statt Einweisungsverfügungen
- Einbeziehung der Bewohner*innen in die Planungen
- Umsetzung eines Sozialkonzeptes, das die angemessene Betreuung und Begleitung von hilfebedürftigen Obdachlosen (psychisch Kranke, Suchterkrankte etc.) garantiert: alternative Wohnformen und Wohneinrichtungen im Rahmen von betreutem Wohnen mit Unterstützung in den Bereichen Alltagsgestaltung, Sozialberatung, Hauswirtschaft, medizinische Versorgung etc.
- Einrichtung einer Art „Quartiersmensa“
- Ökosozial sinnvolle Bebauung der frei gewordenen Flächen in Flur- und Kropsburgstraße, kostengünstiger Wohnraum für alle Bewohnergruppen
Nach der Messerattacke von Würzburg hat Bundesinnenminister Seehofer politische Defizite bei der Integration von Flüchtlingen beklagt
„(…) Was mich an dem Fall am meisten beschäftigt, ist die Frage, wie es sein kann, dass ein 24-jähriger Mann, der zwar kein Asyl bekommen hat, aber subsidiären Schutz als Flüchtling genießt und sich rechtskonform in Deutschland aufhält, nach sechs Jahren in unserem Land in einer Obdachlosenunterkunft lebt. Damit können wir uns doch nicht abfinden. Da müssen wir, Bund und Länder, gemeinsam überlegen, ob unsere Integrationsbemühungen verstärkt werden müssen. ..“. (Augsburger Allgemeine 30.6.2021)
Eine denkwürdige Aussage – und da schließt sich die Frage an:
Würde es Herrn Seehofer schlaflose Nächte bereiten, wenn er erführe, dass es in Ludwigshafen Menschen gibt, die seit 7 Generationen in solchen Obdachlosenunterkünften leben. „Damit können wir uns doch nicht abfinden“ – doch, die Stadtverantwortlichen Ludwigshafens finden sich seit Jahrzehnten damit ab, und die Aufsichtsbehörde einer rot-grünen Landesregierung schaut auch da zufrieden zu, weil die Stadt an dieser Stelle „ordentlich“ spart.