Nazi-Aktivist und ehemaliger NPD-Stadtrat Christian Hehl ist tot
Am 16. Oktober 2022 ist der langjährige rechte Aktivist Christian Rolf Hehl in einem Mannheimer Krankenhaus an Herzversagen verstorben. Mit Hehl verliert die (subkulturelle) Nazi-Szene eine wichtige Integrationsfigur. Als Bindeglied zwischen Hooligans, Rechtsrock-Business und Nazi-Szene war der Ludwigshafener ein Einstiegshelfer für junge rechte und rechtsoffene Leute in die neofaschistische Szene der Rhein-Neckar-Region. Seine bundesweit gute Vernetzung mit Alt- und Neonazis, aber vor allem in der Rechtsrock-Szene werden von den extrem rechten Strukturen nicht so leicht zu füllen sein.
Aktivist und Rechtsrock-Netzwerker
Der 1969 geborene Hehl begann seine Aktivitäten in der extrem rechten Szene als Nazi-Skinhead und Hooligan bei “The Firm”, einer Mannheimer Schläger-Truppe aus Anhängern des Fußballclubs SV Waldhof Mannheim. Christian Hehl war Mitglied in mehreren Gruppierungen der militanten Rechten – unter anderem in der 1992 verbotenen “Nationalistischen Front” (NF), in der 1993 aufgelösten “Aktionsfront Nationaler Kameraden” (ANK), der 1995 verbotenen “Freiheitlichen Deutschen Arbeiter-Partei” (FAP) sowie des Neonazi-Netzwerks “Blood and Honour” (B&H). Auch nach dem Verbot von B&H im Jahr 2000 war Hehl im Rechtsrock-Geschäft aktiv und trat in der Rhein-Neckar-Region – vor allem in den Jahren 2004 und 2005 – als Organisator von Nazi-Konzerten in Erscheinung.
Brutaler Schläger
Im November 1994 versuchte er zusammen mit anderen FAP-AnhängerInnen die verbotene Nazi-Partei als „Stuttgarter Kameradschaft” wiederzugründen. Die Gründungsversammlung wurde von der Polizei gesprengt. Hehl erhielt in der Folge eine einjährige Haftsrafe auf Bewährung, weil er PolizeibeamtInnen angegriffen hatte.
Seine Beteiligung am brutalen Überfall auf KneipenbesucherInnen im Dezember 1995 in Speyer bringt Hehl erneut vor Gericht. 1997 erhält er dafür eine erneute einjährige Haftstrafe auf Bewährung.
Im Jahr 1999 muss Christian Hehl die Haftstrafe von 1997 antreten, da er gegen die Bewährungsauflagen verstoßen hatte. Zunächst versuchte er, sich der Haftstrafe zu entziehen, und versteckte sich bei einem befreundeten Neonazi in Bruchsal. Dort wurde er von der Polizei ausfindig gemacht und festgenommen.
1997 eröffnete der mehrfach einschlägig vorbestrafte Hehl in Ludwigshafen das Ladengeschäft “Hehl’s World”, in dem neben Rechtsrock-CDs und Fanartikeln des SV Waldhof Mannheim auch Nazi-Klamotten und Waffen angeboten wurden. Aufgrund antifaschistischen Drucks wurde ihm im Mai 1998 die Konzession für den Betrieb seines Ladens entzogen, das Geschäft wurde geschlossen.
Karriere in der NPD
Christian Hehl wurde 1998 zum Beauftragten der NPD-Jugendorganisation “Junge Nationaldemokraten” (JN) für die Region Vorderpfalz ernannt. Im September 2002 trat er für die NPD als Direktkandidat in Ludwigshafen bei der Bundestagswahl an. Im Januar 2006 wurde Hehl als Beisitzer in den Landesvorstand der NPD Rheinland-Pfalz gewählt.
Bei der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz am 26. März 2006 stand er auf Platz 5 der NPD-Landesliste. Darüber hinaus war er ab 2003 zusammen mit heutigen Kadern der Kleinstpartei “Der III. Weg” und dem “Hammerskin”-Chef Malte Redeker im neonazistischen “Aktionsbüro Rhein-Neckar” führend aktiv. Das Aktionsbüro sollte Kameradschaften, Neonazi-Zirkel, rechte Subkultur und NPD vernetzen. Hehls Rolle war es, so genannte freie Kameradschaften an die NPD zu binden. Von 2003 bis 2006 wohnte er in Mannheim zusammen mit der späteren NSU-Anwältin Nicole Schneiders (damals Schäfer) in einer Wohngemeinschaft.
Bei den Kommunalwahlen 2014 in Mannheim wurde Christian Hehl für die NPD in den Gemeinderat gewählt. Bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg 2016 trat er für die Partei im Wahlkreis Mannheim I an, verfehlte jedoch den Einzug in den Landtag.
2019 trat Hehl nochmal für die NPD bei der Kommunalwahl an, diesmal auf Listenplatz 2 hinter dem rechten Aktivisten Jonathan Stumpf. Er errang jedoch keinen Sitz im Mannheimer Gemeinderat.
Drogenhändler
Der 2017 bereits 14-mal vorbestrafte Neonazi wurde im Mai desselben Jahres wegen Drogenhandels und Verstoßes gegen das Waffengesetz vom Amtsgericht Mannheim zu einer Geldstrafe verurteilt. Verteidigt wurde er in diesem Prozess von seiner früheren WG-Mitbewohnerin Nicole Schneiders. Prozessberichte: 1 | 2 | 3 | 4
Im März 2018 musste Christian Hehl vor dem baden-württembergischen NSU-Untersuchungsausschuss aussagen. Er hatte 1996 in Worms zusammen mit den späteren NSU-TerroristInnen Beate Zschäpe und Uwe Mundlos am “Rudolf-Heß-Marsch” teilgenommen. Vor dem Ausschuss behauptete er, vom NSU bis zu dessen Selbstenttarnung nichts mitbekommen zu haben.
Ab 2016 wurde es ruhiger um Hehl, was sicher auch seinem gesundheitlichen Zustand geschuldet war. Bei Straßenaktionen war er kaum noch anwesend. Hin und wieder trieb er sich beim Fußball, auf Rechtsrock- oder anderen Szene-Events herum, wie beispielsweise im Juli 2017 bei “Rock gegen Überfremdung” in Themar (Thüringen) oder auf der Beerdigung des Dortmunder Nazi-Skins Siegfried Borchardt, genannt “SS-Siggi”, im Januar 2022.
(AIHD/iL, red)
Der Beitrag wurde am 18.10.2022 aktualisiert