Ausstellung des Fördervereins Frieden auf der BUGA 2023: Was hat es gebracht – was ist hängengeblieben?
Interview mit Hedwig Sauer-Gürth und Walter Fischer vom Friedensbündnis Mannheim
Die Bundesgartenschau in Mannheim hat 178 Tage lang vom 14. April bis zum 8. Oktober 2023 auf dem ehemaligen Spinelli-Militärgelände in Mannheims Nordosten und in Teilen des Luisenparks stattgefunden. Über 6000 Veranstaltungen und über 2,2 Millionen Besucher*innen sind die offizielle Bilanz. Auch der Förderverein Frieden war mit der Ausstellung “FRIEDENSKLIMA! 17 Ziele für Gerechtigkeit und Frieden” auf der BUGA vertreten. Die UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) der Agenda 2030, die sich die BUGA offiziell auf ihre Fahnen geschrieben hat, machen deutlich, dass neben dem persönlichen Konsum- und der Lebensstil auch strukturelle Faktoren wie Steuersystem und Wirtschaftssystem eine Rolle spielen.
Hedwig Sauer-Gürth und Walter Fischer zogen Bilanz und stellten sich für ein Gespräch mit dem Kommunalinfo zur Verfügung. Die Fragen für das Kommunalinfo stellte Roland Schuster.
KIM: Zunächst eine Frage zum Standort auf dem Spinelli-Gelände. War die Ausstellung „Friedensklima“ gut untergebracht?
Die Ausstellung war gut eingebettet im sog. Experimentierfeld der BUGA in Nachbarschaft zu dem Gelände der Naturfreunde, des Naturgartens, des Schulgartens und des Weltackers. Davon haben wir aber auch die anderen genannten Gärten profitiert. Die Besucherzahlen waren deshalb entsprechend hoch.
In unmittelbarer Nachbarschaft z.B. befand sich der Garten des 16. Ziels der SDG „Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen“. Hier steht der Ginko-Baum, der aus Samen entstand, die der Bürgermeister von Hiroshima überbracht hat. Der Ginko-Baum steht als Friedenssymbol und für das Leben. Die kahlen und verkohlten Baumreste daneben stehen für die Zerstörung durch die Atombombenabwürfe. Nach der BUGA soll der Ginko-Baum an anderer Stelle in der Stadt verpflanzt werden. Nach der Berichterstattung in der Rhein-Neckar-Zeitung und im Mannheimer Morgen über diesen Fakt kamen viele Besucher und besuchten auch die Ausstellung von Friedensklima.
KIM: Wie ist eure Bilanz, was die Anzahl der Besucher an eurem Stand angeht?
An 152 Tagen konnte die Standbelegung gewährleistete werden. Nicht immer über den ganzen Tag. Bustouristen von Reisegruppen haben sich nicht so interessiert. Die Führungen, die täglich mehrmals stattfanden, waren unterschiedlich. Einige der Leiter haben uns wohl ignoriert, andere sind bei uns bewusst vorbeigekommen. Eine Gruppe umfasste im Durchschnitt ca. 20 Personen.
KIM: Es war bestimmt eine immense Kraftanstrengung von euerer Seite, den Stand bzw. die Ausstellung personell zu betreuen. Wie ist euch das gelungen?
In der Tat, unter der Woche und am Wochenende. Ein Mix aus Rentnern, die eher vormittags da waren, und Berufstätige für die Nachmittage. Andere Gruppen haben uns punktuell unterstützt und unseren Stand betreut. Dabei konnten sie aber auch ihr eigenes Anliegen vertreten. Das waren z.B. die DFG VK, Amnesty International, die Gruppe Free Assange, der Heidelberger Friedensratschlag, die Nahostgruppe Mannheim, die internationale Ärztevereinigung für den Weltfrieden IPPNW, die Gruppe Friedenssteuer, 13 ha Freiheit vom Mietshäusersyndikat.
KIM: Sicherlich haben die Menschen, die Interesse gezeigt haben, die Ausstellung angesehen. Gab es Interesse für die gesamte Ausstellung oder nur für einzelne Stelen?
Die Mannheimer Stele über das Coleman-Areal hat mit Abstand das größte Interesse gefunden. Die meisten Besucher sind über das Ausstellungsgelände gehuscht. Nur Wenige haben deshalb die gesamte Ausstellung intensiv angeschaut. Vor Ort gab es auch kontroverse Gespräche, z.B. mit ehemaligen Soldaten oder Beschäftigten. Vielen war aber nicht bekannt, dass die Coleman eine solche Drehscheiben-Funktion für die US-Army und die NATO hat. Diese Geschichte hat also interessiert, ebenso die Verbindung der Coleman zur US-Airbase in Ramstein, die eine eigene Seite auf einer Stele gehabt hat.
KIM: Wie ist es euch gelungen, mit den Besuchern in Gespräche zu kommen? Welcher Art waren die Gespräche?
Ein sehr gutes Mittel, um ins Gespräch zu kommen, waren kurioserweise Bierdeckel die uns der Verein Zukunft Rhein-Neckar massenweise zur Verfügung gestellt hat. Die Bierdeckel hatten originelle Botschaften im Kurpfälzer Dialekt und regten die Leute zum Nachdenken an (siehe Foto). Manche wollten nicht nur einen sondern mehrere oder sogar alle verschiedenen 17 Bierdeckel haben, um damit z.B. mit Schulklassen oder Gruppen zu arbeiten.
Die Gespräche verliefen in der Regel sachlich, die meisten wünschten uns viel Glück. Eine Ukrainerin hat mich trotz kontroverser Diskussion am Ende sogar umarmt. Typische Endlos-Diskutierer und Streithansel gab es nur selten.
KIM: Spielten die aktuellen Kriege und die Hochrüstung eine Rolle?
Ja, die Ablehnung der Kriege und der Hochrüstung überwiegten eindeutig. Das Recht auf Selbstverteidigung war durchaus aber auch ein Thema. Alle aber wollten den Frieden haben und beglückwünschten uns für unsere Arbeit. Viel mehr Menschen, wie wir gedacht haben. Unsere Wahrnehmung ist: Die Menschen sind in den letzten Jahren mehr empfänglich für dieses Thema geworden. Für diese Meinung auf die Straßen zugehen, ist aber immer noch insgesamt gering.
KIM: Von woher kamen die Besucher? Wie war deren Zusammensetzung?
Nach unserem Eindruck kam über die Hälfte der Besucher von außerhalb der Region, teilweise aus ganz Deutschland. Viele Schülerausflüge waren dabei. Sie hatten ja Sonderkontigente mit Sonderpreisen. Man muss aber sagen, dass über den relativ hohen Eintrittspreis für die Tageskarte eine Art Vorauswahl getroffen wurde. Die Menschen, die für die BUGA die Tages- oder die Jahreskarte gelöhnt haben, sind eher Menschen, die an gesellschaftlichen Fragen interessiert sind.
KIM: Die meisten Gespräche waren bestimmt eher kurzweilig. Habt ihr auch nachhaltige Kontakte knüpfen können, die eurer Friedensarbeit förderlich sind?
Bei den Schülerausflügen, die meisten aus Mannheim oder der Region, waren die Menschen generell sehr aufgeschlossen. Das Infomaterial kam gut an. Es gab Gespräche mit Schülern, Lehrern und Schulen, darüber, wie das Thema Frieden im Unterricht behandelt werden könnte. Dabei wurden auch Kontakte vereinbart. Mal sehen, was draus wird.
In der IGMH gab es hierzu schon ein Pilotprojekt „Frieden am Lernort Schule“, wo Leute des Friedensbündnisses in der Schule im Unterricht aufgetreten sind. 2024 soll das Projekt weitergeführt werden.
Es wurden konkrete Kontakte z.B. mit dem Vorsitzenden des gemeinnützigen Bürgervereins „Wir sind Rheinau“ geknüpft. Er hat uns auf der BUGA beim Basteln von Friedenstauben und Friedenskranichen gesehen. So wurden wir gefragt und eingebunden in das sehr gelungene neue Konzept zur Begehung des Volkstrauertags in MA-Rheinau. Der MM berichtete darüber.
KIM: Auf dem BUGA-Gelände aber auch außerhalb habt ihr viele Veranstaltungen durchgeführt. Waren die erfolgreich? Gab es auch negative Erlebnisse?
Es gab von uns 25 Veranstaltungen, 10 davon auf der Buga im Campus-Pavillon oder im Lernfeld-Pavillon.
Der Anspruch der BUGA-Gesellschaft, die einzelnen Veranstaltungen auf der BUGA inhaltlich zu begleiten, schlug ziemlich fehl. Das wissen wir von unseren Veranstaltungen, haben es so ähnlich aber auch von anderen Veranstaltern gehört. Die Veranstaltungen waren meist schlecht besucht. Der Aufwand stand in keinem Verhältnis zum Ergebnis.
Viele Gespräche über den Inhalt der Veranstaltungen mussten wir im Vorfeld mit der BUGA-Gesellschaft führen. Wir waren in diesen Fragen absolut nicht frei. Friedensthemen mussten Buga-tauglich sein Das war nervig und sehr zeitraubend. Die Veranstaltungen außerhalb des BUGA-Geländes, die wir alleine zu verantworten haben, waren besser.
KIM: Was passiert mit den Stelen bzw. Informationstafeln, die nach dem Ende der BUGA abgebaut worden sind?
Die Hauptausstellung ist im Haus des Waldes in Stuttgart gelandet. Das ist eine Bildungsstätte für Waldpädagogik. Später kommt sie zu den Friedenstagen nach Augsburg.
Die große Stele über die Coleman verbleibt in unseren Händen und soll im öffentlichen Raum temporär eingesetzt werden. Die kleinere Stele zu Coleman wollen bei öffentlichen Veranstaltungen zeigen.
KIM: Zum Schluss eine persönliche Frage. Ihr musstet ja einen hohen persönlichen Aufwand für das Gelingen dieses Projekts betreiben, hat sich dieser Aufwand gelohnt?
Trotz aller Anstrengung ein klares Ja. Und trotz einiger negativer Erlebnisse mit der BUGA-Gesellschaft und zum Teil negativer Erfahrungen mit der Presse. Der Mannheimer Morgen hat unsere Ausstellung trotz anderer Zusage nur einmal am Rande erwähnt. Der SWR, der auf der BUGA ein eigenes Studio betrieb, wurde mehrfach von uns kontaktiert. Trotzdem hat der SWR überhaupt nichts gebracht. Kriegskritische Berichterstattung scheint bei Denen nicht sonderlich hoch im Kurs zu stehen. Es ist auch insofern ein Skandal, da sich die Ausstellung über die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele im Rahmen der offiziellen Zielsetzung der BUGA bewegte. Nirgendwo wurde dieser Zusammenhang so deutlich dargestellt.
Auch finanziell war das Projekt ein ziemlicher Balance-Akt für uns. Trotz Bemühungen unsererseits gab es von offizieller Seite keine Unterstützung. Wir sprechen hier nicht nur von Geld, sondern von Beratung. Das ist leider nicht gut gelaufen.
Ausdrücklich bedanken wollen wir uns für die finanzielle Unterstützung von „Brot für die Welt“, „Katholischer Fonds“, „Bertha von Suttner Stiftung“, „Metropolregion Rhein-Neckar“ und „Energiewerke Schönau“. Zusammen mit den gebastelten Kranichen, Buttoms, Falten von Papiertauben, Malen von Bildern und vielen Spenden während der BUGA ist die Sache finanziell dann doch noch einigermaßen aufgegangen.
Außerdem wollen wir uns bedanken bei den Kooperationspartnern für die Überlassung von Räumlichkeiten für unsere Veranstaltungen: Kinderschutzbund, Haus der Jugend, Bürgerhaus Neckarstadt und Sanctclara.
KIM: Vielen Dank für das Gespräch!