JobCenter Mannheim: Viel fordern, wenig fördern
Linke stimmt dem Zielerreichungsbericht und der neuen Zielvereinbarung nicht zu
ttr –Jedes Frühjahr ist es wieder so weit: Die „Gemeinsame Einrichtung“ (gE) JobCenter Mannheim berichtet über ihre Zielerreichung im Vorjahr und die Zielvereinbarung für das laufende Jahr wird vorgestellt. Der Gemeinderat soll dann den Finanz- und Stellenplan des laufenden Jahres „zustimmend zur Kenntnis“ nehmen. Die Trägerversammlung der gE beschließt das Verwaltungs- und Eingliederungsbudget, die Vertreter der Stadt Mannheim stimmen dem „vorbehaltlich der Zustimmung des Gemeinderates“ zu. Die Budgetmittel werden dem JobCenter von der Bundesagentur zugewiesen.
So also sieht die Einflussnahme des Gemeinderates auf das Handeln des JobCenters aus. Letzlich kann die Stadt nur über ihre Vertreter in der Trägerversammlung ein paar Eingliederungsmaßnahmen gestalten, an wesentlichen Vorgaben des SGB II kann sie nichts ändern. Entsprechend ist die Tätigkeit des JobCenters auch kaum Gegenstand von gemeinderätlicher Diskussion. Und selbst der einmal jährliche Termin der „Kenntnisnahme“ führt nicht zu irgendwelchen Diskussionen, wenn die Linke dies nicht erzwingt.
Aber zu diskutieren gibt es eben doch einiges.
Die Fallzahlen nehmen zu, die Engliederungsmittel nehmen ab, der Druck steigt
Obwohl die Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik deutlich geringer ist als in vielen Jahren zuvor, steigt die Zahl der Bedarfsgemeinschaft in Mannheim wieder an. Die Dauererwerbslosigkeit hat sich verfestigt, und es kommen neue erwerbsfähige Leistungsberechtigte vor allem aus den EU2-Staaten (Rumänien und Bulgarien) hinzu. 20.242 Personen waren am 31.12.2014 leistungsberechtigt, zuzüglich 8.303 Kinder unter 14 Jahren.
Auf diesem Hintergrund ist die finanzielle Ausstattung der JobCenter ein Desaster: In dem Bericht heißt es: „Das Gesamtbudget aus Verwaltungs- und Eingliederungsmitteln wurde von 2010 bis 2015 um 21,4 % (8,9 Mio. €) reduziert. Die Verwaltungskosten sind dabei im Jahr 2015 auf dem gleichen Niveau wie in 2010. Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften und der erwerbsfähigen Leistungsbezieher/innen ist im Vergleich zwar geringfügig zurückgegangen, die jährlich gestiegenen Kosten für Tariferhöhungen und Sachkostensätze sind jedoch nicht annähernd berücksichtigt. Bei den Eingliederungsleistungen wurde der jährliche Förderbetrag pro Person von 1.146 € auf 756 € reduziert (Zeitraum 2010 bis 2015).“ (Beschlussvorlage V155/2015). Tariferhöhungen der Beschäftigten müssen durch „Umschichtung“ von Förder- in Verwaltungsmittel finanziert werden.
Das Personal kommt mehrheitlich von der Stadt Mannheim. Dass die Qualifizierung erhebliche Schwierigkeiten macht, kann man folgender Aussage entnehmen (S. 27): „Die Personalgewinnung bleibt weiterhin schwierig, da der Markt Fachkräfte für diesen Bereich der Verwaltung kaum zur Verfügung stellt und Nachwuchskräfte in unzureichender Anzahl ausbildet. Von den aktuell besetzten Stellen werden derzeit 60 % des Personals von der Stadt Mannheim und 40 % des Personals von der Bundesagentur für Arbeit gestellt. Bei den persönlichen Ansprechpartnern/innen und Fallmanagern/innen beträgt das Verhältnis 80 % (Stadt Mannheim) und 20 % (Bundesagentur für Arbeit).“ Die Konflikte zwischen den „KundInnen“ und den SachbearbeiterInnen sind vorgezeichnet, die statt Fördermitteln eher mit Sanktionsdrohungen aufwarten müssen. Der Bericht enthält jedoch keine Aussagen über die Zahl ausgesprochener Sanktionen. Dies wäre unbedingt zu ändern.
Die Zielerreichung wird u.a. an dem Kriterium „Integrationsquote“ gemessen: 4.941 Personen sind demnach bis Jahresende 2014 in die „Erwerbstätigkeit“ integriert worden, 221 mehr als geplant. Also Ziel voll erreicht und übertroffen. Nur, was heißt das? Ich welche Art von Arbeitsverhältnissen wurde „integriert“? Wie viele prekäre und unstete Arbeitsverhältnisse wurden begründet? Waren die Arbeitsverhältnisse auskömmlich oder mussten die Vermittelten aufstocken? Die Berichterstattung ist rein quantitativ, sie sagt nichts über die Qualität der Arbeitsverhältnisse aus. Dies bemängelt die Linke. Die konkreten Auswirkungen der Hartzgesetze und ihrer Zumutbarkeitsregeln werden unsichtbar gemacht und der Bewertung durch den Gemeinderat entzogen – und eigentlich interessiert sich auch niemand außer der Linken dafür.
Nicht erreicht wurde das Ziel, die Zahl der langfristigen Leistungsbezieher zu senken. Die Zahl stieg um 163 auf 12.978 Personen. Sie profitieren nicht vom „Aufschwung im Arbeitsmarkt“.
„Jungendarbeitslosigkeit unter 1%“
Und wie seit Jahren vermeldet das JobCenter: „Jugendarbeitslosigkeit 0,3% – Ziel erreicht“. Die Linke kritisiert jedes mal diese von den übrigen Parteien allzu gern aufgenommene Freudenbotschaft als statistisch motiviert und durch teilweise für die jungen Menschen schädliche Maßnahmen herbeigeführt. Während ein Teil der jugendlichen Erwerbslosen in der Tat größte Schwierigkeiten haben, sich in den Arbeitsmarkt einzupassen, weil sie nicht angepasst sind, gilt dies für einen anderen Teil nicht: Wer jedoch am Tag der Antragstellung keinen Job oder Ausbildungsplatz hat, wird unweigerlich und umgehend in die „Maßnahmen“-Maschine der Maßnahmenträger hineingezogen.
„Die Intention besteht darin, bei jungen Arbeitslosen im SGB II sofort einen Anstoß zu geben und aktiv zu werden (sofortige Aktivierung), d.h. außer bei Krankheit, Behinderung oder Schwangerschaft für die Geldleistung eine Gegenleistung einzufordern.
Daraus ergeben sich folgende Strategien:
- Eine konsequente Vermittlung in ein Praktikum auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, wenn eine sofortige Vermittlung in Arbeit oder Ausbildung nicht möglich ist.
- Durch eine hohe Kontaktdichte Aktivität bzw. Aktivierung zu erhalten oder dahingehend auszubauen, damit die jungen Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt kommen. Dies setzt eine hohe Qualität der Mitarbeiter/innen voraus, wie z.B. die Qualifizierung zum Fallmanager/in.“
Aus dem in SGB II formulierten Recht jungen Menschen unter 25 auf einen Arbeitsplatz bzw. eine Ausbildung wird ruck-zuck eine Maßnahme oft von zweifelhaftem bis überhaupt nicht vorhandenem Nutzen. Jahrelange „Karrieren“ in Maßnahmen-Schleifen ergeben sich immer wieder aus dieser Praxis. Die Linke fordert, dass unter 25-Jährige die Chance haben müssen, sich über die Bundesagentur vermitteln zu lassen. Gegebenenfalls sind bei Startschwierigkeiten Berufsbegleiter zur Seite zu stellen. Das klappt nicht gleich am Tag der Antragstellung auf Grundsicherung. Die jungen zu Vermittelnden wären möglicherweise einige Zeit „arbeitssuchend“ und somit in der Erwerbslosenstatistik sichtbar, die dann nicht mehr 0,3% ausweist. „900 Integrationen in Arbeit und Ausbildung“ sind für 2015 vorgesehen.
In der Hauptausschusssitzung, die sich nach dem Arbeits-, Wirtschafts- und Sozialausschuss mit dem Zielerreichungsbericht des JobCenters befasste, entgegnete der Oberbürgermeister, er halte es für erforderlich, dass junge Menschen, die Unterstützungszahlungen beantragen auch eine Gegenleistung erbringen. Er könne die Kritik nicht nachvollziehen. Sollte es jedoch nachweisbar sein, dass Jugendliche in die beschriebenen Schleifen statt in den Ersten Arbeitsmarkt gelangen, müsse man darüber reden. Also wird man darüber reden.
Als in der Sozialausschuss-Sitzung eine Woche zuvor Gökay Akbulut (Linke) gestützt auf ihre berufliche Erfahrung und auf die Kenntnis der Situation vor allem in Migrationsfamilien die Sinnlosigkeit der Maßnahmenschleifen schilderte und die Verfestigung der Dauererwerbslosigkeit anprangerte, brach ein Sturm der Entrüstung los. Die Realität ist für viele Gemeinderäte offenbar schwer zu ertragen. Positive Zielerreichungsbotschaften werden bevorzugt.
Die Linke wird die Chance, dass über das JobCenter in der Kommunalpolitik diskutiert werden muss, nutzen, ein differenziertes und dann auch bewertbares Berichtssystem zu fordern. Man wird sehen, wie sich die anderen Parteien dazu verhalten.