Trotz vielfältiger Kritik: Ampelfraktionen und Union einig bei Antisemitismus-Resolution
Der Bundestag hat in seiner Sitzung am 7. November 2024 den von den Fraktionen SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vorgelegten Antrag „Nie wieder ist jetzt – Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken“ verabschiedet. Der Antrag ist vor allem als Antisemitismus-Resolution bekannt.
Auswirkungen nicht nur in Berlin auch in Mannheim
Schon in der Vergangenheit sind Veranstaltungen mit kritischem Israel-Bezug vor allem in öffentlichen Institutionen unterbunden oder abgesagt worden. Personen mit israel-kritischen Positionen sind unter Druck geraten. Auch in Mannheim gibt es hierfür mehrere Fälle. Die Resolution wird, auch wenn sie rechtlich gesehen keinen bindenden Charakter hat, weit in das gesellschaftliche Leben hineinwirken und zu einer weiteren Verschärfung der bisher geübten Praxis führen.
Es ist zu befürchten, dass der Kampf gegen den Antisemitismus nur vorgeschoben ist und stattdessen israel-kritische Positionen stigmatisiert und die Meinungsfreiheit eingeschränkt werden.
Abstimmungsverhalten
Die Fraktionen der CDU/CSU und FDP haben der Resolution einstimmig zugestimmt. Die Fraktionen der SPD und Grünen haben bei einigen Enthaltungen zugestimmt. Die Gruppe der LINKEN und der BSW haben eigene Änderungsanträge eingebracht. DIE LINKE hat sich bei der dann mehrheitlich verabschiedeten Resolution geschlossen enthalten. Einzig die Gruppe Bündnis Sahra Wagenknecht hat gegen die Resolution gestimmt. Bemerkenswert: Die Abgeordneten der AfD haben geschlossen für die Resolution gestimmt. Vertreter der AfD haben in ihren Reden besonders vehement ihre Unterstützung deutlich gemacht.
Kritik an der Resolution
Im Vorfeld der Abstimmung hat es heftige Kritik an dieser Resolution gegeben. In einem Beitrag in der FAZ vom 23.10.2024 haben namhafte Wissenschaftler und andere bekannte Personen auf eine Änderung des Resolutionsentwurfs gedrängt. Ebenso Nichtregierungsorganisationen und Menschenrechtsgruppen, die befürchten, dass ihre Arbeit noch mehr eingeschränkt wird. Alles, was in Wissenschaft und Kultur Rang und Namen in Deutschland hat, hat sich gegen diesen interfraktionellen Antrag öffentlich positioniert.
Dessen ungeachtet hat der Bundestag am 7. November trotzdem den entsprechenden Antrag auf die Tagesordnung gesetzt. Die Abgeordneten konnten über den von den Ampelparteien und der CDU/CSU vorgefertigten Resolutionsentwurf letztendlich nur abstimmen. Im Vorfeld gab es für die Abgeordneten weder im Parlament noch in den einzelnen Fraktionen die Möglichkeit auf den Inhalt der Resolution Einfluss zu nehmen. Es gab keine Debatte. Die Methode war: Friss oder stirb. Unter demokratischen Gesichtspunkten betrachtet mehr als bedenklich.
Kritikpunkte
Von den vielen Kritikern der verabschiedeten Resolution werden vor allem folgende Kritikpunkte wurden genannt:
- Die der Resolution zu Grunde liegende Antisemitismus-Definition sei bedenklich, da sie ungenau sei und Raum dafür gibt, um Israel-bezogene Kritik generell mit Antisemitismus gleichzusetzen.
- NGOs und Institutionen droht die Streichung von Fördermittel, wenn sie nicht entsprechend der Resolution handeln. Menschenrechtsorganisationen haben die Sorge, die Förderung zu verlieren, wenn sie die Netanyahu-Regierung kritisieren.
- Letztlich führe die Resolution zu einer bedenklichen Einschränkung der Kunst- Wissenschafts-, und Versammlungs- und Meinungsfreiheit.
- Die Kritik richtete sich auch gegen die Formulierung in der Resolution, in den vergangenen Monaten sei “nicht zuletzt das erschreckende Ausmaß eines Antisemitismus deutlich geworden, der auf Zuwanderung aus den Ländern Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens basiert”.
- Außerdem vermenge die Resolution in einer merkwürdigen Art und Weise innen- und außenpolitische Problemstellungen. Der Kampf gegen Antisemitismus werde vermengt mit der Unterstützung des Staates Israels. So ist es kein Zufall, dass in der Resolution zwar der Hamas-Überfall vom 7. Oktober 20023 genannt wird aber mit keinem Wort Israels militärisches Vorgehen in Gaza, Westjordanland und im Libanon.
- Mit der Resolution isoliere sich Deutschland auch auf internationaler Ebene, wo Israels Vorgehen zumeist entschieden verurteilt wird.
Der bekannte israelisch-deutsche Philosoph Omri Boehm sagt in einem Interview: „Wenn die EU keine Haltung in diesem Konflikt findet, wird sie zerrissen. Manche sagen, Europa könne nicht erlauben, dass sich jüdische Bürger unwohl finden. Das ist absolut wahr. Europa kann aber auch nicht akzeptieren, dass seine muslimischen Bürger sehen, wie europäische Regierungen die Zerstörung von Gaza tolerieren. Die EU müsste viel stärker auf dem internationalen Recht bestehen.“ (NZZ 16.11.2024).
Wenn diese Positionsbeschreibung für die EU gilt, dann gilt sie erst recht für Deutschland und seine Antisemitismus-Resolution.
Resolution erweist dem Kampf gegen Antisemitismus einen Bärendienst
Es gibt viele Stimmen, die befürchten, dass mit der Resolution gegen Antisemitismus das genaue Gegenteil erreicht wird. Außerdem: Internationale Isolierung und Herabsetzung von Arabern und muslimischen Migranten.
Es lohnt sich auch nachträglich, den alternativen Resolutionsvorschlag der Wissenschaftler (Ralf Michaels, Jerzy Montag, Armin Nassehi et al.), der am 23.10. in FAZ erschien und über 1.400 Unterstützerunterschriften erhalten hat, anzusehen.
Es lohnt sich die Abstimmungstexte, die Änderungsanträge, das Plenarprotokoll mit den einzelnen Reden und Erklärungen von Abgeordneten anzusehen bzw. einzelnen Reden nachzuhören.
Leider ist eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit weitreichenden Folgen zunächst einmal verloren.
Bemerkenswerte Initiative von MdB Cademartori
Im Vorfeld der Abstimmung im Bundestag hat sich die Mannheimer Bundestagsabgeordnete Isabel Cademartori (SPD) mit einer bemerkenswerten Initiative an alle SPD-MdBs gewandt und auf eine Änderung des Resolutionsentwurfs gedrängt. Sie hat auch auf einem gemeinsamen Brief an die Verhandler von ihr, Ex-OB Peter Kurz und der Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Mannheim, Heidrun Deborah Kämper, verwiesen. Eine Antwort habe es leider nicht gegeben.
Die Argumentation bewegt sich auf der Linie des alternativen Resolutionsvorschlags, der in der FAZ vom 23.10. abgedruckt war. Cademartori beklagt auch, dass der Resolutionsentwurf in keiner Weise im Vorfeld diskutiert werden konnte. Leider konnte sie sich nicht durchsetzen. In der Abstimmung hat sie sich enthalten. Ihre persönliche Erklärung ist im Plenarprotokoll nachzulesen.
Roland Schuster
Auf der Webseite des Deutschen Bundestags sind die Anträge, das Amtliche Protokoll, das Plenarprotokoll und die Änderungsanträge dokumentiert. Die Reden und die Erklärungen einzelner Abgeordneten sind im Plenarprotokoll nachzulesen. Ebenso sind alle Reden der Vertreter der Fraktionen und Gruppen als Video anzusehen und anzuhören.
Interfraktioneller Antrag Antirassismus Resolution:
https://dserver.bundestag.de/btd/20/136/2013627.pdf
Änderungsantrag der Gruppe DIE LINKE:
https://dserver.bundestag.de/btd/20/136/2013653.pdf
Änderungsantrag der Gruppe Sahra Wagenknecht:
https://dserver.bundestag.de/btd/20/136/2013654.pdf
Plenarprotokoll der Sitzung vom 07.11.2024: