MVV – auf dem Weg zur Energiewende?
Ein Gastbeirag von Günther Frey zum Zögern der MVV Energie bei der Energiewende
Der Slogan “Viele reden von der Energiewende – wir machen sie”[ref]Dr. Müller im Geschäftsbericht 2013/14 [/ref] fordert geradezu eine kritische Betrachtung der Entwicklung heraus. Wer ist denn mit den “Vielen” gemeint? Möglicherweise die tausende von BürgerInnen, die entweder direkt eigene PV-Anlagen errichteten oder sich an vielen Genossenschaften beteiligten und damit erst den Erfolg beim Ausbau der erneuerbaren Energien ermöglichten? Auch wenn in der Kundenzeitschrift der MVV[ref]Dr. Müller in MVV Leben Kundenmagazin, Seite 6[/ref] von der Energiewende des Jahres 2011 geredet wird, so stellt sich schon die Frage, was war davor? Immerhin hatte die MVV 2003 ein Biomassekraftwerk auf der Friesenheimer Insel gebaut. Allerdings ist es ein Kraftwerk ohne Kraft-Wärme-Kopplung und damit ohne Einspeisung erneuerbarer Wärme ins Mannheimer Fernwärmenetz. Dann dauerte es allerdings bis 2010 als der erste eigene Windpark gebaut wurde. Bis 2012 jedoch wurde das EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz)[ref]http://de.wikipedia.org/wiki/Erneuerbare-Energien-Gesetz[/ref] in entsprechenden Presse-Notizen der MVV regelmäßig als Hauptverursacher bei Strompreiserhöhungen benannt und damit diskreditiert.
Damit stellte sich die MVV zusammen mit den sog. Big4 (RWE, E.ON, Vattenfall, EnBW) mit an die Spitze der Kritik am EEG und forderte 2013 eine “marktkonforme” Reform. Konsequenterweise wird nun das EEG 2014 begrüßt: “Insgesamt gehen wir davon aus, dass die nun im Gesetz verankerten Maßnahmen zu mehr Wettbewerb und Kosteneffizienz beim Ausbau der Erzeugung aus erneuerbaren Energien führen werden.”[ref]Geschäftsbericht 2013/14, Seite 53[/ref] Insbesondere die Pflicht zur Direktvermarktung wird für “sinnvoll” gehalten und wurde bereits 2013/14 im Vorfeld mit einer eigenen Studie energisch gefordert. Dies jedoch führt geradewegs zur Dominanz der Energiekonzerne (siehe dazu insbesondere[ref]https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2014/september/energiewende-retour[/ref]). Die MVV Energie AG gehört inzwischen zu den aktivsten Firmen im Feld der Direktvermarktung.
Aufhorchen ließ dann 2014 die Mehrheitsbeteiligung (50,1 %) an der Juwi AG (Wörrstadt), die sich in Deutschland und darüber hinaus, insbesondere im Bereich Windenergie, einen Namen gemacht hatte. 2014 jedoch geriet sie in wirtschaftliche Bedrängnis und suchte Partner. Vorher übernahm die MVV bereits den Projektierer Windwärts vollständig und integrierte diese als Tochtergesellschaft ins Unternehmen. Zeichnet sich also endlich ein Aufbruch der MVV in das Feld der Erneuerbaren ab?
In der Analystenkonferenz 2014[ref]Dr. Müller Analystenkonferenz am 11.11.2014[/ref] wurde die Beteiligung an Juwi allerdings als Möglichkeit bezeichnet vor allem an der gesamten Wertschöpfungskette im Bereich erneuerbare Energien zu verdienen. Damit wurde den Erwartungen oder Ängsten an große neue Investitionen im Bereich Windenergie zunächst ein Dämpfer erteilt. Begründet wurde dies mit den langen Rücklaufzeiten des eingesetzten Kapitals bei diesen Projekten. Man darf gespannt sein, wie die Entwicklung weitergeht.
Nun aber zu den aktuellen Daten aus dem Geschäftsbericht 2013/14: Die Stromerzeugung des MVV Konzerns (in Deutschland) aus erneuerbaren Energien ist um 16% gegenüber dem Vorjahr gestiegen[ref]Geschäftsbericht 2013/14, Seite 80[/ref]. Insbesondere der Zubau an Windenergieleistung um 21 MW auf 174 MW und die Mehrerzeugung bei Bioenergie-Anlagen war verantwortlich für die Steigerung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien auf 872 Mio kWh.
Bei einer Stromerzeugung des Konzerns von insgesamt 3,9 Mrd kWh machen die Erneuerbaren jedoch gerade mal 23% (+3% gegenüber 2012/13) aus. Der Anteil des Windenergiestroms betrug lediglich 33%. Der verbleibende Anteil wird in Holz- sowie Müllheizkraftwerken (aus biogenem Anteil am Abfall sowie sog. Ersatzbrennstoffen) erzeugt.
In Deutschland betrug der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung 2014 bereits 31%.
Der Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) an der gesamten Stromerzeugung lag bei 28% (-4%). Erneuerbare und KWK haben einen Anteil von 51% an der gesamten Stromerzeugung der MVV und werden als umweltfreundlich bezeichnet. Der Hauptanteil des KWK-Stroms kommt jedoch aus klimaschädlichen Steinkohlekraftwerken (Großkraftwerk Mannheim GKM und Gemeinschaftskraftwerk Kiel GKK) mit einer erheblichen Schadstofffracht in die Atmosphäre. Selbstverständlich ist KWK, nur damit kein Missverständnis entsteht, eine sehr wünschenswerte Energietechnik zur besseren Ausnutzung des eingesetzten Brennstoffs (statt z.B. 41-46%, nur Stromerzeugung, dann etwa 50-60% mit KWK). Durch die gekoppelte Wärmeproduktion, können Öl- und Gasheizungen, alte Nachtspeicher- und Kohleöfen durch Fernwärme ersetzt oder neue Gebäude gleich von vornherein an die kommunale Fernwärmeversorgung angeschlossen werden. Die Umwelteffekte durch Vermeidung von lokalen Emissionen verringern u.a. auch nennenswert die Belastung der Luft mit Schadstoffen in den Stadtquartieren.
Der eingesetzte Brennstoff Steinkohle ist das Hauptproblem. Wäre der neue Block 9 des GKM als Gas- und Dampfturbinenkraftwerk (GuD) mit KWK gebaut worden, so lägen die CO2-Emissionen bei weniger als der Hälfte und der Schadstoffausstoß ein vielfaches niedriger (z.B. Quecksilberemissionen bei Null). Diese Alternative wurde leider ignoriert. Während es RWE im saarländischen Ensdorf nicht gelang ein Steinkohle-Kraftwerk mit 2 mal 800 MW gegen den Widerstand der Bevölkerung durchzusetzen, hatte man in Mannheim offenbar mehr Erfolg. Im Saarland wurde kein neues Kraftwerk in Ensdorf gebaut. Das bestehende alte Kraftwerk wurde als Industriekraftwerk weitergeführt.
Die restliche Stromerzeugung der MVV, ohne KWK, hat demnach einen Anteil an der Gesamterzeugung von 49% (+1% gegenüber 2012/13) und kommt ebenfalls vorwiegend aus den bereits genannten Steinkohlekraftwerken (70%). Immerhin kommen demnach ca. 15% der Stromerzeugung bereits aus erdgasbefeuerten Block-Heizkraftwerken (BHKW).
In Kiel gab es 2014 ein weiteres Ereignis, das die Zukunft des MVV Konzern prägen könnte. So verlautbarte die MVV-Führung am 2.5.2014, dass sie sich aus dem gemeinsam entwickelten Vorhaben eines neuen Gasheizkraftwerkes zurückzieht. Die MVV ging sogar soweit der Stadt Kiel den Rückkauf der Anteile der MVV an den Stadtwerken zu empfehlen. Monate der Irritation und Verärgerung in Kiel gingen ins Land, bis es im März 2015 doch noch zu Gesprächen über die Finanzierung kam[ref]www.kn-online.de, 18.3.2015[/ref]. Dazwischen gab es in Kiel auch Überlegungen eine kommunale Netz-GmbH zu gründen (Rekommunalisierung der Netze). Das alte Steinkohlekraftwerk (GKK, Inbetriebnahme 1970, 354 MW) soll nach Plänen der Stadtwerke 2018/19 durch ein neues modernes Gasmotoren-Heizkraftwerk (GHKW mit 200 MW, Investition 290 Mio €)[ref]https://www.stadtwerke-kiel.de/swk/de/unternehmen/aktuell/gasheizkraftwerk/gasheizkraftwerk.jsp#tab11[/ref] ersetzt werden. Auch dies könnte die Erzeugungsstruktur des MVV Konzerns positiv verändern (falls die MVV sich daran beteiligen würde) und insbesondere die Kieler Klimabilanz nachhaltig verbessern. Könnte dies nicht ein Musterprojekt für den Gesamtkonzern werden?
Die Zeichen in Mannheim stehen jedoch geradezu konträr. Mit der Inbetriebnahme des Block 9 mit 900 MW im Großkraftwerk Mannheim (GKM) Mitte 2015 wird alles überschattet. Das GKM erhöht damit seine elektrische Gesamtleistung um 460 MW (Blöcke 3 und 4 werden stillgelegt) und die Wärmeleistung um 500 MW. Block 9 in Mannheim wird schätzungsweise 0,7 Mrd kWh zusätzlichen Steinkohlestrom für die MVV zur Verfügung stellen können. Das wäre fast soviel wie die Erzeugung an erneuerbarem Strom im gesamten Konzern 2014 (0,87 Mrd kWh).
Grund genug weitere Stilllegungen von Steinkohleblöcke des GKM zu planen und die notwendigen Ersatzkapazitäten, falls überhaupt erforderlich, auf Basis von Erdgas und Biogas zu bauen (GuD und/oder GHKW). Block 6, ein reiner Stromerzeuger ohne KWK (280 MW), ist in diesem Jahr bereits 40 Jahre im Betrieb, eine sog. “alte Möhre”. Die Stilllegung dieses Blocks zu verlangen ist die Minimalforderung für die lokale Agenda.
Über die energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Bund wird gerade heftig gestritten. Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat mit seinem Entwurf eines neuen “Marktdesign” für den Strommarkt und dem darin enthaltenen “Klimabeitrag” zumindest geplant alte Braunkohlekraftwerke sanft aus dem Markt zu drängen. Sofort war die Allianz der Braunkohlelobby (RWE, auch die Länder NRW, Brandenburg, Sachsen und u.a. IGBCE….) auf dem Plan.
Steinkohlekraftwerke mit KWK würden übrigens durch den Entwurf weitgehend verschont bleiben. Auch der Block 9 wäre davon nicht berührt (selbst Block 7 und 8 weitgehend) sondern erhielte auch noch über eine Änderung des Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetzes (KWKG) eine Erhöhung der Förderung.
Am 25.4. haben viele tausend Menschen für ein Ende der Braunkohleverstromung demonstriert und so ein starkes Signal für den Klimaschutz gesendet (www.anti-kohle-kette.de). Die Notwendigkeit für ein Kohleausstiegsgesetz bleibt trotz der wachsweichen Vorschläge aus dem Hause Gabriel nach wie vor aktuell [ref] https://www.greenpeace.de/presse/publikationen/studie-kohleausstiegsgesetz [/ref].
Infos zu Eigentümerstrukturen:
Eigentümerstruktur des Großkraftwerks Mannheim:
- 40 % RWE
- 32 % EnBW
- 28 % MVV
Gesellschafter der MVV Energie AG:
- 50,1 % Stadt Mannheim
- 16,3 % RheinEnergie AG
- 22,5 % EnBW AG
- 6,3 % GDF SUEZ Energie Deutschland GmbH
- 4,8 % Streubesitz
Beteiligung der MVV Energie an anderen Stadtwerken:
- 51 % Stadtwerke Kiel AG
- 48,46 % Energieversorgung Offenbach
- 48,4 % Stadtwerke Ingolstadt Beteiligung GmbH
- 38 % Stadtwerke Sinsheim Versorgungsgesellschaft mbH & Co. KG
- 25,1 % Stadtwerke Buchen GmbH & Co. KG
- 25,1 % Stadtwerke Walldorf GmbH & Co. KG
- 10 % Stadtwerke Schwetzingen GmbH & Co. KG