Speyer zeigt Courage – NPD steht im Abseits
Am 24.12.17 mobilisierte Markus Walter, Landesvorsitzender der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) in Rheinland-Pfalz, per Rund-E-Mail (welche dieser Redaktion vorliegt) für den 30.12.17 nach Speyer/Rhein. Unter dem Motto „Ja zur Glocke in Herxheim am Berg“ sollte gegen die Bestrebungen der evangelischen Landeskirche in der Pfalz die sogenannten „Hitlerglocken“ auszutauschen und die Maßnahme finanziell zu unterstützen demonstriert werden.
Breite bürgerliche und antifaschistische Gruppierungen wie das „Bündnis für Demokratie und Zivilcourage Speyer“ und das Aktionsbündnis „Kurfürstlich Kurpfälzische Antifa“ riefen gemeinsam zu Gegenprotesten auf, welche von Parteien, Gewerkschaften und Kirchen unterstützt wurden.
war auf Plakaten die von den 12 Vertreter*Innen aus dem rechts-nationalen Lager mitgeführt wurden zu lesen. Relativ isoliert und weitestgehend ignoriert von der Stadtbevölkerung veranstalteten die Parteivertreter und deren wenige angereisten Sympathisanten, auch aus dem Rhein-Neckar-Raum, ihre 90-minütige Kundgebung in der Nähe des Speyerer Doms. Zu den Rednern zählten neben Markus Walter, seine Lebensgefährtin Ricarda Riefling (Mitglied im Bundesvorstand der NPD und bis Mai 2017 Vorsitzende der NPD-Frauenorganisation „Ring nationaler Frauen“ (RNF)), Jan Jaeschke (NPD Rhein-Neckar) und Karl-Heinz Pfirrmann (NPD Rheinhessen). Bereits nach den ersten beiden Redebeiträgen wurde den Zuhörer*Innen klar, dass es den NPD-Vertretern weniger um die historisch-kritische Auseinandersetzung im Umgang mit den Hitlerglocken in Pfälzer Kirchen ging bzw. ob man mit den Geldmitteln der evangelischen Landeskirche nicht unter Umständen sinnvolleres tun könnte. Der Tenor der Ansprachen, die bisweilen rechtlich grenzwertige Aussagen enthielten, die wir an dieser Stelle nicht wiedergeben wollen, ging in Richtung pauschaler Hass- und Hetzrede gegen Ausländer und Migranten. Verbale Angriffe auf die Bundesregierung und die Generalschelte gegen den Mannheimer OB Dr. Kurz im Umgang mit der Flüchtlingsthematik, bei der auch ein Seitenhieb auf den gemeinnützigen Verein „Mannheim sagt Ja!“, wegen „deren Willkommenskultur“, nicht fehlen durfte. Zu unterstellen ist, dass die Vertreter der Polizei und des Ordnungsamts genau zugehört haben, um gegebenenfalls nach sachlicher und fachlicher Prüfung der gehaltenen Reden rechtliche Schritte einzuleiten. Nahezu verzweifelt klangen die Bittrufe der Rechtsausleger „deutsch“ zu wählen und Mitglied der Partei zu werden. Deren angebotene Flugblätter fanden augenscheinlich keine Abnehmer, ebenso wenig war zu beobachten, dass neue Mitglieder hätten gewonnen werden können. Beklagt wurde auch die Auflage der Ordnungsbehörde das Kennzeichen des Parteifahrzeugs zu überkleben, da man dieses als Zensur und als Eingriff in die Meinungsfreiheit betrachten würde.
Speyer bleibt bunt und vielfältig
Trotz einer sehr kurzen Vorlaufzeit gelang es den Anmeldern der gemeinsamen Gegendemonstration rund 200 Menschen zu mobilisieren. Darunter auch den Speyerer OB Hansjörg Eger (CDU), der einer der Redner war. In seiner Ansprache mahnte der Oberbürgermeister zu einem sachlichen Umgang mit den Hitlerglocken und rief die Teilnehmer*Innen dazu auf Ausländerhass und Rassismus keine Basis zu bieten. Ein Redner des Bündnisses für Demokratie und Zivilcourage untermauerte in seiner Ansprache die Kernaussagen. Starken Zuspruch erfuhren die Organisatoren der Gegenveranstaltung durch Vertreter*Innen des DGB, von Verdi, Kirchen und Parteien wie beispielsweise die Linksjugend solid Landau/SÜW, Pulse of Europe, der Antifa-Jugend Rhein-Neckar und durch die Bündnisregionalgruppe „Aufstehen gegen Rassismus Rhein-Neckar“.
Das Resümee der Kurfürstlich Kurpfälzischen Antifa geben wir im Wortlaut wieder:
„Speyer ist bunt – nicht braun!
Ein Resümee:
Trotz kurzer Vorlaufzeit von nicht einmal 48 Stunden konnten wir zusammen mit dem “Bündnis Demokratie und Zivilcourage Speyer” und der Hilfe zahlreicher Multiplikatoren auf Facebook ein buntes, breites und machtvolles Zeichen gegen die Ewiggestrigen in Speyer setzen. Dies hat Signalwirkung über Speyer hinaus und strahlt in die gesamte (Kur)Pfalz hinaus. Es gibt keine Naziveranstaltung ohne Gegenprotest.
Und diejenigen, die sich gegen menschenverachtende Ideologien stellen, sind die Bevölkerung. Das selbsternannte “Volk” ist nur ein wirres Völkchen.
Speyer hat auch gezeigt: bürgerliche, gemäßigte und antifaschistische Aktionen und Verbände sind dann besonders machtvoll, laut und bunt, wenn sie zusammen agieren und differenzierende Ansichten für ein gemeinsames Handeln gegen Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und Faschismus hintenanstellen.
Im Vergleich zu anderen Demonstrationen, an denen wir in 2017 teilgenommen haben, war auch das Auftreten der Polizei vergleichsweise gemäßigt.
Dennoch gibt es Kritik: einige der Auflagen scheinen uns überzogen und weniger der “Durchsetzung einer geordneten Veranstaltung” geschuldet, als Handhabe für Repression zu haben.
So steht das auferlegte Verbot des Kürzels “ACAB” in klarem Widerspruch zur Rechtsprechung des BVerfG.
Rednerlisten und Ordnerlisten mit Adresse und Telefonnummern erscheinen uns als ein Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Die Vorab-Anmeldung von Anzahl und Größe von Transparenten ist schlicht nicht praktikabel, da wir als Veranstalter keinen Einfluss auf die von den Demonstrationsteilnehmern mitgebrachten Fahnen und Transparente haben.
Dennoch, alles in allem wurde seitens der Ordnungsbehörden und der Polizei ungewöhnlich kooperativ verfahren, wenn wir es mit anderen Demos in 2017 vergleichen.
Inwieweit seitens der Polizei DemoteilnehmerInnen gefilmt wurden und was mit diesen Aufnahmen tatsächlich passiert, entzieht sich unserer Kenntnis. Unsere Admina M. wurde gefilmt, woraufhin sie den filmenden Polizisten ebenso gefilmt hat.
Dass es wichtig war, auch der in Speyer anwesenden unbeteiligten Öffentlichkeit zu zeigen, dass Nazipropaganda nicht unwidersprochen bleibt, bewies der Spontanumzug zahlreicher AntifaschistInnen vom Veranstaltungsort über den Weihnachtsmarkt zum selbstverwalteten Kulturzentrum „Eckpunkt“, der von spontanem Applaus der Bevölkerung begleitet wurde.
Warum die Polizei sich bemüßigt fühlte, am Kulturzentrum Eckpunkt die TeilnehmerInnen der Spontandemo zu blockieren, entzieht sich unserer Kenntnis.
Nochmals ein herzliches Dankeschön an alle TeilnehmerInnen, UnterstützerInnen und MitorganisatorInnen.“
Der Aufruf des Bündnisses für Demokratie und Zivilcourage Speyer im Wortlaut:
„Liebe Bündnismitglieder,
das Bündnis für Demokratie und Zivilcourage ruft gemeinsam mit dem Aktionsbündnis „Kurfürstlich Kurpfälzische Antifa“ zu einer Gegenkundgebung anlässlich der NPD Kundgebung am Samstag den 30.12.2017 in der Zeit von 10:30 Uhr bis 12:30 Uhr auf. Treffpunkt: Domplatz 1b / Platz neben dem Dom-Info-Pavillon.
Lasst uns laut und deutlich, gemäß unserem Motto
FRIEDLICH GEMEINSAM & ENTSCHLOSSEN
braune Hetze in Speyer als unerwünscht erklären.
Speyer ist und bleibt bunt, nicht braun.
Mit freundlichen Grüßen
Orgateam des BfDuZ“
(Rick de la Fuerte)
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