Kommentar: Ein Schritt vorwärts – drei Schritte zurück!
Kommentar zur Demonstration „Nein zum Krieg – Solidarität mit Afrin!“
In leichter Abwandlung des Leninschen Zitates sei mir eine solche Beurteilung der Demonstration vom 24. Februar in Mannheim gestattet.
Was ist der Fortschritt?
Ein Fortschritt ist sicherlich, dass eine Demonstration solchen Zuschnitts, d.h. mit türkisch/kurdischer Thematik endlich mal wieder durch die Mannheimer Innenstadt demonstrieren konnte. Die VeranstalterInnen hatten im Vorfeld deutlich gemacht, dass das ein ganz wichtiger Punkt sei und ggf. auch rechtlich zu überprüfen wäre. Letztendlich haben sie sich an diesem Punkt durchgesetzt, mussten aber hohe Auflagen bzgl. dem Flaggen- und Fahnenverbot, auch bekannt als „PKK-Verbot“, akzeptieren. Das war auch nicht anders zu erwarten., da hierzu die Musik nicht in Mannheim sondern in den Innenministerien von Berlin und Stuttgart gespielt wird. Diesbezügliche Auflagen wurden deshalb von den VeranstalterInnen zwar nicht gutgeheißen aber akzeptiert. Sowohl die VeranstalterInnen als auch die Ordnungsbehörden signalisierten auf Grundlage des Genehmigungsbescheids samt seiner Auflagen die Demonstration erfolgreich und ohne Störungen durchführen zu wollen. Dies ist dann auch gelungen. Trotzdem bleibt ein Unbehagen, da noch unmittelbar vor der Demonstration eine Verschärfung der Auflagen probiert wurde.
Drei Schritte zurück – was ist passiert?
Bei der Auftaktkundgebung macht meine Person den teilnehmenden DemonstrantInnen gemäß des Genehmigungsbescheids die TeilnehmerInnen mit den Auflagen bekannt, u.a. wurden die insgesamt 33 Fahnen und Symbole gezeigt. U.a. war dabei ein Abbild mit dem PKK-Führer Öcalan, der laut Genehmigungsbescheids weder nicht auf grünem oder gelben Hintergrund gezeigt werden dürfe, das sonst ein Organisationsbezug zur PKK herzustellen sei. Kurdische Menschen zeigten auf Fahnen das Abbild von Öcalan auf weißem Hintergrund. Im Vorfeld der Demonstration bei einer Vorbesprechung hatten sich VeranstalterInnen und die Ordnungsbehörden darauf geeinigt, gemäß der aktuellen Praxis dies zu gestatten. Die Polizeiführung wollte nun auch Öcalan auf weißem Hintergrund plötzlich verbieten, und verlangte vom Veranstalter auf die TeilnehmerInnen entsprechen einzuwirken. Der Veranstalter lehnte dies ab, das dies nicht den Vereinbarungen und dem Genehmigungsbescheid entspreche. Hintergrund ist offensichtlich, dass es eine brandneue Anweisung aus dem Innenministerium gäbe, die eine nochmalige Verschärfung des „PKK-Verbots“ vorsieht. Die Mannheimer Polizeieinsatzleitung und die Demonstrationsleitung konnten sich dann vernünftiger Weise darauf verständigen, dass Fahnen und Symbole, die laut Genehmigungsbescheid nicht verboten sind, auch mitgeführt werden dürfen. Alles andere hätte in der Tat zu folgenreichen Auseinandersetzungen führen können.
Präventiv-Videoaufnahmen?
Die Polizei hat die Demonstration von Anfang bis Ende durchgängig durch Videoaufnahmen gefilmt. Das ist mittlerweile immer häufiger üblich. Angeblich zum Schutz der DemonstrantInnen. Das Material wird danach von der Polizei gesichtet und gegebenenfalls der Staatsanwaltschaft vorgelegt. Jedes Parolenrufen oder Fahnenschwenken wird so einem Kriminalitätscheck unterworfen. Dazu soll auch die Bekanntgabe der Auflagen durch den Veranstalter gehören. Er habe hierbei die verbotenen Symbole gezeigt. Der Staatsanwalt müsse prüfen, ob dies legal sei. Der Veranstalter argumentiert, er ist lediglich seiner Informationspflicht nachgekommen. Hier zeigt sich wieder einmal die Absurdität und Widersinnigkeit des PKK-Verbots. Es zeigt sich aber auch der doppelte Charakter der Videoaufnahmen. Dem Veranstalter wird präventiv unterstellt, gegen Auflagen zu verstoßen. Das ist präventive Verdachtsermittlung. Wir hier nicht der Datenschutz und das Versammlungsrecht untergraben?
Bundesweite Verschärfung des PKK-Verbots in Vorbereitung
In Köln ist dem bisher legalen kurdischen Dachverband NAV-DEM offensichtlich grundsätzlich das Recht aberkannt worden, Demonstrationen durchzuführen. Auch die Mannheimer Ereignisse legen nahe, dass bundesweit eine Verschärfung geplant ist. Die von der Polizei erwähnte aktuelle Verschärfung gibt es ohne Zweifel. Anscheinend kommt das vom Bund. Zu klären wäre die Rolle der Länder. Das sog. PKK-Verbot ist schon jetzt unzumutbar. Mit den geplanten Verschärfungen führt es zu einem quasi Versammlungs- und Meinungsverbot für kurdische Anliegen. Eine aktuelle Auseinandersetzung mit diesem Verbot ist notwendig. Das sog. PKK-Verbot muss weg!
Die Rolle der Bundesregierung ist beschämend – sie darf damit nicht durchkommen
Die Stimme der Bundesregierung im Syrien-Krieg ist auf einmal wieder laut geworden. Aber nicht gegen die Türkei. Auch nicht gegen gegen Waffeneinsätze der deutschen Leopard -Panzer, die eine wichtige Rolle im Angriffskrieg der Türkei inne haben. Auch nicht gegen die Islamisten der sogenannten Freien Syrischen Armee, die im Verbund mit den türkischen Streitkräften Kriegsverbrechen und mit westlicher Bewaffnung Krieg gegen die Bevölkerung in Afrin und Rojava führen.
Die Bundesregierung protestiert auch nicht gegen die Raketen der Dschihadisten-Milizen von Al-Nusra und Anderen auf Damaskus. Sie protestiert ausschließlich gegen die Bomben und Raketen der syrischen Streitkräfte und macht hierfür Assad und Putin persönlich verantwortlich. Ja, auch die Bevölkerung von Ost-Ghuta erlebt Schreckliches. Das Gemetzel insbesondere der Zivilbevölkerung muss ein Ende haben. Menschenrechte gelten überall. Deshalb müssen alle Gemetzel ein Ende haben.
Wo aber bleibt die Verantwortung der Bundesregierung? Die Doppelmoral und Einseitigkeit der Bundesregierung in diesem Krieg schreit zum Himmel.
(Roland Schuster)