Kommentar: „Pressefreiheit verteidigen – Cum/Ex-Steuerflüchtlinge enttarnen“

(c)CORRECTIV

Gegen den Chefredakteur der Redaktion CORRECTIV, Oliver Schröm, wird wegen des Verdachts der „Anstiftung zum Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen“ seitens der Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt. Hierüber berichten verschiedene Medien seit dem gestrigen Tag. Auch CORRECTIV hatte einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass in der „Cum/Ex“-Affäre Details über Steuerbetrügereien in Milliardenhöhe ans Tageslicht gefördert und einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht werden konnten. Maßgeblich beteiligt an der Aufklärung der krummen und grundsätzlich illegalen „Cum/Ex“-Steuerpraktiken war der Mannheimer MdB Dr. Gerhard Schick (Die Grünen).

Journalismus ist kein Verbrechen

Ich habe den gleichlautenden Appel- und Solidaritätsbrief gerne unterschrieben.

https://correctiv.org/top-stories/2018/12/11/journalismus-ist-kein-verbrechen/?fbclid=IwAR2UWk0GQxx3n8PHwu9NpHiSdY7tXsB5UqjusngJf0q6qkULSyWAY5P1YLk

Wo kommen wir hin, wenn gegen unabhängige, kritische und investigative Medienvertreter staatsanwaltschaftlich ermittelt wird? Der Angriff auf CORRECTIV ist ein Versuch die Pressefreiheit insgesamt anzugreifen. Dagegen gilt es sich zu wehren. Frühzeitig und mit allen Mitteln des Journalismus.

Sehr zutreffend hat es meiner Meinung nach NETZPOLITIK.ORG beschrieben: (Zitat) „Statt gegen die Drahtzieher der Bankengeschäfte ermittelt die Staatsanwaltschaft jetzt gegen die Journalisten, die die Praxis aufdeckten. Auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft Zürich leiteten die Hamburger ein Ermittlungsverfahren gegen Oliver Schröm ein und vernahmen bereits einen mutmaßlichen Informanten.“

https://netzpolitik.org/2018/geschaeftsgeheimnisse-und-cum-ex-staatsanwaltschaft-ermittelt-gegen-correctiv-chefredakteur/?fbclid=IwAR0vj4jZKVsDhA56EycF1lpV-RNoe0-ytKR_wNIg79RMgIPKhgSsprCP_pk

Noch konkreter in der Sache wird am heutigen Tag die Wochenzeitung KONTEXT und so muss investigativer Journalismus gehen: (Zitat) „Um mindestens 55 Milliarden Euro ist das Gemeinwohl betrogen worden. Die Cum-Ex-Geschäfte, den größten Steuerraub in der europäischen Geschichte, haben investigative Recherchen aufgedeckt. Einer, der an den Enthüllungen beteiligt war, ist Oliver Schröm, Chefredakteur des gemeinnützigen Recherchezentrums “Correctiv”. Nun ermittelt die Hamburger Staatsanwaltschaft gegen den Journalisten, wegen des Verdachts der “Anstiftung zum Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen”. Die Anzeige hat die Schweizer Bank Sarasin gestellt, die selbst tief in den Cum-Ex-Skandal verstrickt ist.“

https://www.kontextwochenzeitung.de/editorial/402/verfolgt-die-gauner-nicht-die-journalisten-5559.html#

Dr.Gerhard Schick bei der “Monnem Bike 2017” (Archivbild)

Der Finanzexperte der Grünen, Dr. Gerhard Schick, mit an vorderster Front bei der Aufdeckung des Skandals

Mindestens zeitgleich mit den Recherchen von CORRECTIV und anderen Redaktionen berichtete der Mannheimer MdB Gerhard Schick über den „Cum/Ex“-Skandal. Gerhard Schick, der sein Mandat im Deutschen Bundestag zum Jahresende 2018 niederlegt, gilt über viele Parteigrenzen hinweg als ein ausgewiesener und anerkannter Finanzexperte.

 

 

Sehr zutreffend wird der Vollblutpolitiker von KONTEXT mit den Worten zitiert: “Nicht gegen Oliver Schröm sollte ermittelt werden”, kommentiert der grüne Finanzexperte Gerhard Schick den Vorgang, “sondern gegen die betrügerischen Finanzprofis, deren Handeln seine Recherche aufgedeckt hat.”

Ausgesprochen gut gefällt mir das Interview, welches Gerhard Schick dem Deutschlandfunk gegeben hat. Nahezu 20 Jahre haben es Regierungsparteien in Berlin versäumt diesem Steuermissbrauch einen Riegel vorzuschieben und noch heute mauert das Bundes-Finanzministerium. Von „massivem Organisationsversagen“ bis hin zur berechtigten Forderung, dass „Finanzbehörden in Europa zusammenarbeiten müssen“ geht das Interview.

https://www.deutschlandfunk.de/cum-ex-geschaefte-massives-organisationsversagen-im.694.de.html?dram:article_id=430951

Meine Position ist klar: Pressefreiheit auf allen Gebieten verteidigen und Missstände aufdecken, auch wenn es individuell zum „Shitstorm“ oder mehr gereichen sollte.

 

            Um was geht es bei „Cum/Ex“?

Auch bekannt als „Dividendenstripping“. In der Praxis geht es um Verkäufe von Aktien kurz vor dem Termin einer Dividendenzahlung. Und um den Rückkauf derselben Aktien rasch nach der Dividendenauszahlung. Deutschen Aktionären steht dabei eine Steuererstattung zu, ausländischen Anlegern hingegen nicht. Viele (deutsche) Banken haben ein Geschäftsmodell entwickelt, bei dem sie Aktien ausländischer Anleger kurz vor der Auszahlung einer Dividende kauften und sofort danach wieder zurückkauften. Im Rahmen solcher Transaktionen, als „Cum-Ex“ bezeichnet, kam es in erheblichem Maße zur wiederholten Erstattung der nur einmal abgeführten Kapitalertragssteuer. Nach Auffassung der Bundesregierung waren und sind solche Bankgeschäfte illegal. Diverse Staatsanwaltschaften sind mit Ermittlungsverfahren wegen dieser illegalen Banken-Praktiken beschäftigt.

 

 

Ein Kommentar von Christian Ratz; Foto: Christian Ratz und CORRECTIV