Ein Raum für solidarische Perspektiven – Interview zur Eröffnung des Linken Zentrums “Ewwe longt’s” [mit Video]
An diesem Samstag schien trotz winterlicher Kälte die Sonne. Bestes Wetter also zur Eröffnung des “Ewwe longt’s- Linkes Zentrum Mannheim” in der Kobellstraße. Doch wie es für Ladenlokale in der Neckarstadt üblich ist, verschwanden die Sonnenstrahlen schnell hinter den Häuserschluchten. Hohe Gebäude, knapper Wohnraum, wenig Ladenfläche. So ist auch unser Eindruck, als wir das erst Mal einen Fuß ins “Ewwe longt’s” setzen.
Nach dem Eingang kommt gleich der Hauptraum. Dieser soll für kleinere Veranstaltungen, wie zum Beispiel Lesungen oder Gruppentreffen genutzt werden. Nebenan gibt es ein Büro mit Arbeitsplatz. Dort wurde auch das Buffet aufgebaut: Kuchen, Salate, Gemüse, Fisch, vegane Hackbällchen und natürlich Sekt – für jeden Geschmack schien etwas dabei zu sein.
Klein aber gemütlich
Weiter hinten im “Linken Zentrum” geht es zur Bar mit einer kleinen Kochecke. Dort wurde Geld gezählt, Knabberkram in Schüsseln angerichtet und Kaffee gekocht. Deneben führt eine Tür in einen kleinen Lagerraum. In der anderen Richtung geht es zur einzigen Toilette. Über den Hinterausgang geht es sogar zu einer kleinen Terrasse im Hinterhof – das macht Vorfreude auf den Sommer.
Es ist zwar recht eng und düster im Erdgeschoss eines Hauses in der Kobellstraße, aber die Aktivist*innen des “Ewwe longt’s” haben für eine freundliche Atmosphäre gesorgt: Helle Wände, dezent geschmückt mit politischen Plakaten und einer großen roten Fahne, dazu einige Pfänzchen und wenige Möbel. Vieles ist sicher noch im Aufbau, aber der Betrieb kann beginnen. Und so kommen gegen 14 Uhr auch die ersten Gäste.
Einige der ersten Besucher*innen waren gleich mal ungebetene. Rechte Störer*innen liefen ein, wurden wieder heraus gedrängt und als es vor dem Laden zum Streit kam, wurden Gäste des “Ewwe longt’s” mit Pfefferspray angegriffen. Die Polizei konnte später neun Rechte kontrollieren (KIM berichtete).
Nach diesem Zwischenfall, bei dem nach Auskunft der Veranstalter*innen drei Personen verletzt wurden, konnte die eigentliche Veranstaltung ohne weitere Probleme verlaufen. Nach und nach wurde es immer voller. Als um 15 Uhr das Programm begann, war kaum mehr ein Durchkommen durch die Räume möglich.
Solidarische Perspektiven, unabhängige Finanzierung
Die Sprecher des Zentrums begrüßten die Gäste und stellten ihr Konzept vor. Das “Ewwe longt’s” soll ein politischer Laden für die Neckarstadt sein. Ein Ausgangspunkt für politische Aktivitäten, beispielsweise das Engagement gegen Gentrifizierung, also die Verdrängung der angestammten Bewohnerschaft durch steigende Mieten. Es soll aber auch ein Raum für Theorie und Utopie sein. „Wir wollen gemeinsam mit unserer Klasse Perspektiven entwickeln für eine Welt in der die Solidarität an die Stelle der Konkurrenz und Kollektivität an die Stelle der Ausbeutung tritt.“
Der Raum ist durch seine Nutzer*innen selbstverwaltet. Sie sind stolz darauf, dass die Finanzierung ohne staatliche Fördergelder gestemmt wird: „So erhalten wir unsere inhaltliche und organisatorische Unabhängigkeit“. Natürlich sucht das “Ewwe longt’s” weitere finanzielle Unterstützer*innen.
Woher kommt eigentlich der Name des linken Zentrums “Ewwe longt’s”? Was hat es damit auf sich? Diese Antwort und weitere erfahrt ihr in unserem Videobeitrag. Das Interview führten wir am Samstag, kurz vor der Eröffnung.
Videointerview mit Aktiven vom “Ewwe longt’s”
Direktlink zu Youtube: https://youtu.be/lKalo2fm4Q0
Das offizielle Programm zur Eröffnung beinhaltete einige weitere Grußworte. Die Redner*innen kamen dabei von nah und fern. Karl-Heinz-Royen vom benachbarten Bücherladen erzählte nicht nur von der Geschichte der Räume. Vor dem linken Zentrum hatte der Künstler Walter Günderoth den Laden als Atelier gemietet. Er verstarb 2017 und blieb vielen Menschen – nicht nur in der Neckarstadt-Ost – als engagierter, kritischer und politischer Mensch in Erinnerung. Weiter berichtete Karl-Heinz-Royen auch von den Aktivitäten der Initiative Fairmieten, die sich seit Jahren gegen den Mietwucher und die Gentrifizierungsprozesse einsetzt und seinerzeit das Atelier als Treffpunkt nutzen durften.
Kneipe, Leseabende, politische Filme und feministische Veranstaltungen
Grußworte kamen auch von Vertretern von anderen Linken Zentren aus Baden-Württemberg. Ähnliche Läden gibt es beispielsweise in Stuttgart, Freiburg und Villingen-Schwenningen, die alle ein ähnliches antikapitalistisches Programm verfolgen.
Ein frisch gegründeter Arbeiterliederchor sang und spielte bekannte Lieder, wie das Einheitsfrontlied, Bandiera Rossa, die Internationale, das Solidaritätslied und die Moorsoldaten, begleitet von Gitarre und Trommel. Das Publikum sang mit, die Kinder tanzten und die Stimmung war bestens. Später trat Bernd Köhler, Musiker und Mitinitiator der Initiative „Bunte Vielfalt statt völkischer Einfalt“ auf.
Als endlich das Buffet eröffnet wurde, entspannte sich die Enge im Raum ein wenig und die Besuchermassen – für das Linke Zentrum definitiv zu viele – verteilten sich bis auf die Straße. Viele Gäste blieben bis zum Abend und ließen die Veranstaltung bei einem Getränk und lockeren Gesprächen ausklingen.
Mit der Eröffnungsfeier hat das Linke Zentrum sein Programm offiziell begonnen. Ab sofort soll es jeden Freitag einen Kneipenabend und zweiwöchentlich montags ein Café geben. Dazu kommen weitere Veranstaltungen, wie der SDAJ Lesekreis, eine Filmvorführung oder die Auftaktveranstaltung der feministischen Gruppe „Rosen unterm Beton“ zu ihrer Reihe zum Frauentag 2019.
Weitere Infos gibt es auf der Facebookseite von “Ewwe longt’s”
(cki)
Siehe auch: Angriff rechter Störer*innen auf Eröffnungsfeier des „Ewwe longt’s“ – Funktionär der AfD-Jugend mit dabei
Infolge der versuchten Störaktion durch Rechte, bei der drei Gäste des “Ewwe longt’s” durch Pfefferspray verletzt wurden, kam es zu zahlreichen Solidaritätsbekundungen, darunter auch von Politiker*innen von Linken und Grünen. Beim Neujahrsempfang Neckarstadt-West verurteilte der SPD-Stadtrat Thorsten Riehle die rechte Störaktion.
Uns erreichten zwei schriftliche Solidaritätserklärungen von Gökay Akbulut (MdB, Die Linke) und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), die wir an dieser Stelle veröffentlichen.
VVN Mannheim solidarisch mit Linkem Zentrum
Wir sind als Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten empört über den provokatorischen Übergriff auf Teilnehmer der Eröffnung eines Linken Zentrums in der Neckarstadt-Ost und versichern den Teilnehmern und Anhängern dieses Zentrums unserer vollen Solidarität.
Es ist nicht akzeptabel, wenn Angst und Einschüchterung von rechts als normaler Vorgang betrachtet werden, wenn Linke und Antifaschisten sich treffen und für ihre Ziele eintreten.
Wir wissen von den Widerstandskämpfern, die vor 1933 die Nazis aktiv bekämpften und vor den faschistischen Gefahren warnten, wie der Naziterror klein angefangen hat und wie sich Angst, Hass und Terror immer weiter verbreiteten. Das Ende der Naziherrschaft ist bekannt.
Deshalb dürfen wir es nie mehr zulassen, das kleine Nazis und kleine Rassisten wieder groß werden. Wehret den Anfängen.
VVN-Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, Kreisvereinigung Mannheim
Solidarität mit Ewwe longt‘s
Liebe politisch Engagierte bei Ewwe longt‘s,
vorab freue ich mich sehr, dass ihr ein Linkes Zentrum in der Neckarstadt in Mannheim eröffnet habt! Das war sicher ein Stück Arbeit und ihr habt das toll hinbekommen. Gerade heute ist ein Linkes Zentrum wichtiger denn je. Ich verfolge die Gespräche in der Straßenbahn, die politischen Debatten, lese ganze Spalten mit Hasskommentaren unter Artikeln, die sich mit Geflüchteten be-schäftigen. Das politische Klima in Deutschland hat sich verän-dert. Es kocht hoch, was vorher noch unter der Decke gehalten wurde. Es wurden wieder Dinge sagbar, die noch vor einigen Jah-ren undenkbar gewesen wären.
Ihr musstet das am eigenen Leib erfahren, als eure Eröffnungsfeier letzten Samstag angegriffen wurde. Die Angriffe auf Linke Einrich-tungen mehren sich und die Identitäre Bewegung ist da ganz of-fensichtlich eine treibende Kraft. Ich hoffe, dass dieser Angriff zeitnah aufgearbeitet wird und wünsche den Verletzten eine gute Genesung.
Ich bin mir sicher, ihr lasst euch davon nicht einschüchtern. In Zeiten der politischen Verrohung seid ihr ein Gegengewicht, ein Ort, um sich ohne kommerziellen Zwang zu treffen und gemein-sam zu diskutieren, wie eine solidarische Welt aussehen könnte.
Die Menschenrechte im Herzen und eine fundierte Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse im Kopf – so schreiten wir voran!
Mit solidarischen Grüßen
Eure Gökay Akbulut