Kundgebung: Syrische Oppositionelle fordern Konzertabsage [mit Videobeitrag]

„Keine Plattform für Unterstützer des syrischen Regimes in Mannheim“ stand als Forderung auf einem Plakat, das bei einer Kundgebung syrische Oppositioneller am Samstag gezeigt wurde. Anlass der Versammlung ist ein Konzert mit dem Sänger Ali Al Deek, das an Silvester in einer Mehrzweckhalle in Mannheim-Neckarau stattfinden soll. Der Musiker ist in der arabischen Welt ein bekannter Popstar. Mit seiner Unterstützung für den syrischen Machthaber Baschar Al Assad, die er in einigen Musikvideos offen zeigt, fordert er die Kritik syrischer Oppositioneller heraus.

„Wir mussten aus Syrien fliehen, unsere Familien wurden von Assad bombardiert. Wie kann ein Unterstützer dieses Regimes ein Visum für Deutschland bekommen?“ fragte ein Teilnehmer der Kundgebung, der aufgewühlt wirkte. Mit rund 50 weiteren Personen skandierte er immer wieder „Assad Kindermörder“ und „Nieder mit Assad“. In den Sprechchören, die zwischen deutscher und arabischer Sprache wechselten, wurden auch die Regierungen von Russland und Iran und die libanesische Hisbollah scharf attackiert.

„Nicht nur ein Konzert“

„In seiner Musik verherrlicht er einen Diktator“, meint Organisator Obada Alsyah zum Sänger Ali Al Deek. Seiner Meinung nach kann es in Syrien keinen Frieden geben, solange Baschar Al Assad an der Macht ist. Larissa Bogacheva ist Sozialarbeiterin in Heidelberg und berichtet, dass sie mit vielen syrischen Geflüchteten Kontakt hat, die ihr von schlimmen Verbrechen des Regimes berichtet hätten. Sie selbst hat einen russischen Hintergrund und unterstützt die Proteste gegen Ali Al Deek. Sie meint: „Das ist nicht nur ein Konzert, das ist die Propaganda des Assad-Regimes“.

Wer hinter der Organisation der Kundgebung stand und welcher politischen Strömung die Teilnehmer*innen sich zugehörig fühlen, blieb unklar. „Wir sind ein loses Netzwerk, hinter uns steht keine Organisation oder Partei“, erklärte Organisator Obada Alsyah. Einige Teilnehmer waren weit angereist, aus Heidelberg, Stuttgart und Münster. Politische Orientierung wurde bei westlichen Staaten gesucht. „Wir wollen in Syrien frei und demokratisch leben, so wie es hier in Deutschland möglich ist“, sagte ein Redner. Vorwürfe, die Gruppe stehe islamistischen oder dschihadistischen Organisationen nahe, weisen sie zurück. Dennoch kann man den Sprecher*innen im Interview nicht entlocken, welcher Fraktion im syrischen Konflikt sie nahe stehen. Sie orientieren sich an ihrer Kritik am Regime.

Seit Beginn der Proteste 2011 hat sich die Opposition in Syrien massiv gespalten. Die westlich orientierte Demokratiebewegung wurde schnell niedergeschlagen. Viele Aktivist*innen flohen ins Ausland. Verschiedene islamistische, teils vom Ausland finanzierte Milizen dominierten folglich den Widerstand und kämpfen bis heute an verschiedenen Fronten gegen die Regierung. Der kurdisch geprägte Norden hat sich im Bürgerkriegskonflikt zurück gehalten und kooperiert seit dem Angriff der türkischen Streitkräfte mit der syrischen Regierungsarmee.

Grüne solidarisieren sich

Einige deutsche Unterstützer*innen hatten sich zur Kundgebung dazu gesellt, verteilten Flugblätter und bemühten sich, mit Passant*innen ins Gespräch zu kommen. Im Vorfeld hatten sich die Mannheimer Grünen mit dem Protest solidarisiert und eine Erklärung abgegeben, in der sie schreiben: „Mittäter*innen und Unterstützer*innen können keine Narrenfreiheit genießen. Der Sänger Ali Al Deek bekennt sich öffentlich, unmissverständlich und eindeutig zu Baschar Al Assad. (…) Ali Al Deek hat in Mannheim keine Bühne verdient und stört das friedliche Zusammenleben in unserer Stadt.“

Am Protest der syrischen Oppositionellen gibt es auch Kritik. Die Position, ohne Assad könne es in dem festgefahrenen Konflikt keinen Friedensprozess geben, vertreten Teile der Friedensbewegung. „Seit dem Beginn des türkischen Angriffs auf Syrien im Oktober schützt die syrische Armee auch den Norden des Landes – zum Teil gemeinsam mit den SDf, zum Teil parallel zu ihnen. Was also ist falsch daran, wenn Ali Deek die syrische Armee – und die syrische Regierung – unterstützt?“ schreibt Manfred Ziegler in einem Leserbrief dem KIM (der ganze Leserbrief findet sich weiter unten).

Wie geht es weiter?

Eine Absage des Konzertes scheint unwahrscheinlich. Die private Veranstaltung in der Mehrzweckhalle im Neckarauer Gewerbegebiet ist durch einen Mietvertrag abgesichert. Die Stadtverwaltung sieht den Auftritt des syrischen Musikers zwar kritisch, weist aber darauf hin, keine Handhabe für ein Verbot zu haben.

Offizielle Ankündigungen für Proteste am Silvesterabend gibt es noch nicht, doch bei der Kundgebung ist in Gesprächen bereits zu hören, dass durchaus weitere Aktionen stattfinden sollen. Derweil ist auch eine Einmischung von Assad-treuen Syrern in die Diskussion nicht ausgeschlossen. Von denen soll es in Deutschland nicht wenige geben, sagt uns ein Teilnehmer der Kundgebung am Ende.

(cki)

 


Videobeitrag | Direktlink zu Youtube: https://youtu.be/H6RflTTlcz4

 

Leserbrief: Ohne die syrische Armee wäre das Land längst zerfallen

zum Artikel Wirbel um Auftritt eines syrischen Popstars vom 24.11.2019

In dem Beitrag “Wirbel um Auftritt eines syrischen Popstars” schreibt “cki” über Ali al-Deek, er sei ein glühender Anhänger des Assad-Regimes und mache militaristische Propaganda für die syrische Regierung. Mit leichter Hand wird dabei Propaganda für Erdogan und Syrien durcheinandergeworfen und weil‘s so schön ist gleich noch der Faschismus oben drauf gesetzt.

Natürlich gibt es syrische und andere Aktivisten, die Deek nicht verzeihen, dass er sich nie der Opposition angeschlossen hat. Einer Opposition übrigens, die doch stark von Erdogan beeinflusst ist, wie die Verhandlungen in Genf um eine neue syrische Verfassung zeigen.

Deek ist ein Pop-Star aus Syrien und macht arabische Unterhaltungsmusik. Aus seiner Unterstützung für die syrische Armee macht er kein Hehl.

Syrien befindet sich in einem Krieg, in dem Zehntausende von Dschihadisten aus Syrien und aller Welt das Land verwüstet haben. Ohne die syrische Armee wäre das Land längst zerfallen, die religiösen und ethnischen Minderheiten wie Christen, Alawiten und Kurden ermordet oder vertrieben.

Seit dem Beginn des türkischen Angriffs auf Syrien im Oktober schützt die syrische Armee auch den Norden des Landes – zum Teil gemeinsam mit den SDf, zum Teil parallel zu ihnen. Was also ist falsch daran, wenn Ali Deek die syrische Armee – und die syrische Regierung – unterstützt?

Leider lässt der Artikel im Kommunalinfo jegliche kritische Auseinandersetzung mit Syrien vermissen – sowohl mit der Regierung, als auch mit den Aktivisten.

(Manfred Ziegler)