Aktualisiert mit Terminankündigung! US-DEFENDER EUROPE 2020: Coleman-Areal in Mannheim Teil von NATO-Großübung
NATO-Großübung: Coleman in Mannheim-Sandhofen ist als logistische Drehscheibe involviert
(Hinweis: Terminankündigung am Ende des Artikels)
Seit Monaten in Vorbereitung – nun wird umgesetzt: Die größte NATO-Militärübung unter US-amerikanischer Führung in Europa seit 25 Jahren.
Der Zeitpunkt: Januar bis Mitte Mai 2020. Die eigentlichen Manöver sollen im April und Mai stattfinden.
Ein wichtiger Teil davon spielt sich die kommenden Wochen in Mannheim ab. Das 214 ha große Coleman-Areal in Mannheim-Sandhofen, das von der US-Army als Militärstandort für die Lagerung, Wartung und Bereitstellung von Panzern und anderen Militärfahrzeugen genutzt wird, dient als logistische Drehscheibe. Die militärischen Aktivitäten dort sollen bis Ende Februar dauern.
Militärübungen vor allem in Osteuropa
Es werden rund 20.000 US-Soldaten aus den USA quer durch Deutschland bis nach Osteuropa verlegt. Insgesamt werden 37.000 Soldaten aus 18 Nationen beteiligt sein. Ein Signal – heißt es von Seiten der US-Armee und den NATO-Staaten. Es ist klar, an wen sich das Signal richtet: Russland. Und die Bundeswehr spielt hierbei eine große Rolle, wie der Inspekteur der Streitkräftebasis, Generalleutnant Martin Schelleis im Online-Statement der Bundeswehr bestätigt.
“Host Nation Support” – die Aufgabe der Bundeswehr
Unterstützung vor Ort – ist das Stichwort für diese Übung aus deutscher Sicht. Die Bundeswehr wird sich mit bis zu 1.500 Soldaten als Unterstützung der US-Truppenverlegungen beteiligen.
Damit verbunden ist die Logistik in Mannheim. Hier befindet sich eines von vier sogenannten “APS”. Das sind Materiallager der US-Armee. Die Mannheimer Coleman Baracks haben für das „Host Nation Support“ eine zentrale Funktion.
Seit dem 27. Januar bis Ende Februar werden Container aus Coleman für die US-Armee transportiert.
80 Soldaten der Bundeswehr in Coleman
Ende Februar soll die Aktion in Mannheim zu Ende sein. Bis dahin werden rund 80 SoldatInnen vor Ort sein: Kraftfahrer, Gefechtsstandpersonal, Reserve und der Verpflegungstrupp.
Die Container werden auf Lkws der Bundeswehr verladen. Soldaten des Logitsikbatallions Walldürn (Neckar-Odenwald-Kreis) sind vor Ort, um die US-Armee zu unterstützen. Panzer der US-Streitkräfte sind bereits am ersten Tag der Übung per Bahn aus Coleman verlegt worden.
Schon im vergangenen Jahr hatten Soldaten der Bundeswehr auf dem “Coleman”-Gelände zusammen mit US-Soldaten das Verladen trainiert. Vor allem aber ging es darum zu prüfen, ob US-Material auf Fahrzeugen der Bundeswehr transportiert werden kann. Dafür bedurfte es einer technischen Abnahme. Es gab grünes Licht. Seitdem darf Material der US-Armee auch auf Transporter der Bundeswehr verladen werden.
Nach Auskunft der Bundeswehr geht es um „Absicherung und Begleitung, Routenplanung, Betankung, Unterkünfte, Verpflegung und IT-Anbindung”.
Die Bundeswehr nennt ein Beispiel für die Kooperation: „Passen also ein M1 Abrams oder der amerikanische Schützenpanzer Bradley auf die deutschen Schwerlasttransporter Mammut und Elefant? […] Gemeinsam packten die bi-nationalen Profis an und stellten ihre Fahrzeuge der Prüfungskommission vor. Das Ergebnis: Deutsche Logistikverbände können und dürfen ab sofort auch amerikanische Gefechtsfahrzeuge auf deutschen Straßen transportieren. Eine wichtige Erkenntnis und ein Fortschritt nicht nur für Defender 20. Denn die erstellten Zertifikate behalten über die Übung hinaus ihre Gültigkeit. Das erleichtert künftige Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Logistik erheblich.“
Konvois rollen in der Nacht
Die Container werden mit Konvois immer in den Abendstunden und der Nacht weiter transportiert. Zwischen 19 Uhr und 6 Uhr morgens – heißt es von Seiten der Bundeswehr. Sonntags nur mit Ausnahmegenehmigung. Und in den Osterferien gar nicht. In Baden-Württemberg sind nach Auskunft der Bundeswehr die A61 und A6 von den Transporten betroffen.
Die Routen der Militärtransporte
Nach Auskunft der Bundeswehr und der Ministerin Kramp-Karrenbauer sind für den Lufttransport die Flughäfen in Berlin, Bremen, Hamburg, Frankfurt a.M., München, Nürnberg und Ramstein vorgesehen.
Für den Seetransport die Häfen in Belgien, Frankreich, den Niederlanden sowie der Seehafen Bremerhaven und die Binnenhäfen Bremen, Duisburg, Krefeld und Mannheim.
Die Hauptstrecken für die Transporte über die Straße sind sind geplant von Venlo und Aachen über Dortmund – Hannover – Berlin – Stettin; Mannheim – Hannover sowie Mannheim – Nürnberg – Dresden – Görlitz. Das sind die zwei “West-Ost-Achsen”. Die “Transportroute Nord-Süd” führt über die Städte “Bremerhaven – Hannover – Frankfurt/M – Mannheim.
“Rasträume” für die Transportfahrten sind die militärischen Liegenschaften in Rheindalen, Augustdorf, Burg Lehnin, Oberlausitz, Garlstedt, Stadtallendorf und Frankenberg.
Ziele und Bedeutung von Defender 2020
Annegret Kramp-Karrenbauer und die Bundeswehr betonen unisono die Bedeutung dieser militärischen Großübung.
Die Veränderung der sicherheitspolitischen Lage seit 2014 mit einer möglichen Bedrohung der Sicherheit, insbesondere unserer Bündnispartner in Osteuropa, erfordert von der NATO die Fähigkeit, starke militärische Kräfte schnell verlegen zu können…
Das ist ein starkes und notwendiges Bekenntnis zu den gemeinsam in der NATO beschlossenen Maßnahmen zur Steigerung der Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit. Insbesondere die Vereinigten Staaten von Amerika senden ein sichtbares Zeichen, dass sie ihren Beitrag für den Schutz Europas entnehmen.“ (aus der Antwort der Bundesministerin Annegret Kramp-Karrenbauer auf eine Anfrage der LINKEN im Bundestag).
Die Rolle Deutschlands bei US DEFENDER Europe 2020
„Der Bundesrepublik Deutschland als zentraleuropäischem NATO-Staat, durch welchen zahlreiche wichtige Verbindungslinien verlaufen, kommt bei der Bündnisverteidigung die Rolle einer strategischen „Drehscheibe“ zu. Damit obliegt Deutschland eine gewaltige Verantwortung: Die Funktions- und Leistungsfähigkeit dieser Drehscheibe in Zentraleuropa ist eine erfolgskritische Voraussetzung für die Wirksamkeit von Abschreckung und Bündnisverteidigung in ganz Europa. Deutschland unterstützt daher die Verlegung von v.a. US-Militär mit umfangreichen Kräften der Bundeswehr, aber auch mit dem Einsatz der Polizei und weiteren „Blaulicht“- und Hilfsorganisationen sowie Behörden und ziviler Logistik.“ (Informationspaket der Bundeswehr für Presse und Medien, Januar 2020).
Sehr wichtig scheint die reibungslose Verzahnung von US-Militär, Bundeswehr, Polizei, Verwaltung und zivilen Einrichtungen bis Rettungskräfte und Krankenhäuser zu sein. Hier wird in der Tat für den militärischen Ernstfall, also für den Krieg geprobt.
Proteste
Von den Bundestagsparteien gibt es einzig von der LINKEN eine grundsätzliche Kritik an DEFENDER 2020. Die anderen Parteien von CDU, SPD, GRÜNE bis AfD begrüßen grundsätzlich dieses Manöver.
Im Beschluss des Bundesvorstandes der LINKEN heißt es u.a.:
NEIN zum NATO-Kriegsmanöver Defender 2020
Wir fordern:
- Entspannungspolitik und politische Konfliktlösungen statt militärischer Konfrontation
- Kooperation mit Russland in einem gemeinsamen Haus Europa
- konsequente Abrüstung und Umverteilung der freiwerdenden Mittel
Dafür werden wir überall vor und während des Manövers demonstrieren – gewaltfrei, aber gewaltig. Auf den Straßen, Plätzen und Brücken, den betroffenen Bahnhöfen, vor den Truppenübungsplätzen – in Deutschland und international. Mit einer Mahnwachen-Stafette an der gesamten Strecke, rechtlichen Schritten und Aktionen des zivilen Ungehorsams – kreativ und vielfältig.
Wir wenden uns an alle, die sich Sorgen um den Frieden machen! Geht mit uns auf die Straßen, protestiert dort, wo ihr arbeitet und lebt! Frieden braucht Bewegung, fangen wir mit diesem defENDEr an!
Gegen das NATO-Kriegsmanöver „Defender 2020“ Statt Konfrontation Entspannungspolitik betreiben!
Auch die Friedensbewegung hat sich natürlich positioniert. So erklärt der Friedensratschlag 2019, der sich am 7./8. Dezember in Kassel getroffen hat:
Die NATO verschärft die Konfrontation mit Russland.
Im April und Mai 2020 will sie im Baltikum, in Polen und Georgien eine der größten Kriegsübungen ihrer Landstreitkräfte seit dem Ende des Kalten Krieges durchführen. Russland werden Angriffsabsichten auf NATO-Gebiet unterstellt, die „abgeschreckt“ werden sollen. Dabei lassen sich weder aus russischen Dokumenten oder Verlautbarungen noch aus russischen Manövertätigkeiten Anzeichen für Angriffsabsichten herauslesen: Die NATO übt seit 2013 in Europa den Landkrieg mit dem Vierfachen an Soldaten wie Russland. Ihr Säbelrasseln nimmt weiter zu – 2018 waren sechsmal so viele NATO-Soldat*innen an Landkriegsmanövern in Europa beteiligt wie sie Russland seinerseits aufgeboten hat. Russland senkt seine Militärausgaben, während NATO und Bundeswehr sie massiv steigern…
Defender 2020“ erweist sich als brandgefährliche und zudem umweltzerstörende Kriegsübung mit „scharfem Schuss“. Sie steht der dringend notwendigen Deeskalation, der Einleitung vertrauensbildender Maßnahmen diametral entgegen. Europa braucht eine neue Entspannungspolitik. Dafür muss sich Deutschland stark machen. Darin liegt seine „neue Verantwortung“!
Die DKP Mannheim hat einen Offenen Brief an Oberbürgermeister Kurz geschickt. Auch daraus wollen wir zitieren:
Dabei wissen wir und nehmen zur Kenntnis: Mannheim kann weder seine Straßen und Häfen für Straßen- oder Binnenschiffstransporte für militärische Aktionen sperren, auch wenn der politische Wille hierfür vorhanden wäre. Dies erlauben weder das Besatzungs- noch das NATO-Truppenstatut. Als Bundesstraßen bzw. Bundeswasserstraßen fiele dies auch nicht in den Zuständigkeitsbereich der Stadt. (…)
Fazit: „Defender 2020“ ist die offen gegen Rußland gerichtete Abschreckung, die völkerrechtlich zumindest hinterfragt werden sollte. Sie findet in den nächsten Tagen,Wochen und Monaten auch in Mannheim statt. Wenn sich hiermit die Gremien und Bürger nicht ernsthaft befassen, wäre dies ein Armutszeugnis.
Und was ist in Mannheim bzgl. Protest los?
Die Friedensbewegung hat zu vielen lokalen Protestaktionen aufgerufen. Nach gewissen Anlaufschwierigkeiten scheint es jetzt auch in Mannheim was zu geben.
Das Friedensplenum ruft alle interessierten Gruppen dazu auf, am Donnerstag, den 13. Februar, um 19.30 zur Sitzung des Friedensplenums im Friedensbüro in der Speyerer Str. 14 zu kommen. Der unten stehende Protesttag ist das Ergebnis einiger Vorberatungen.
Protesttag am Samstag, 22. Februar 2020
Alter Messplatz MA-Neckarstadt mit Kundgebung – 13.00 Uhr
Coleman-Areal (Eingang Scharhof) – 15.00 Uhr
Protest gegen US-DEFENDER EUROPE 2020!
Demilitarisierung des Coleman-Areals!
Mannheim darf nicht zur Drehscheibe künftiger Kriege werden!
Bringt Schilder und Transparente mit!
Hinweis:
Vom Alten Messplatz zum Coleman-Areal in MA-Sandhofen (ca. 8 km) soll es ein Fahrradcorso geben. Deshalb bitte eigene Fahrräder mitnehmen. Ansonsten mit PKWs fahren, da die ÖPNV-Anbindung schwierig ist.
Der ursprünglich angedachte Kundgebungsort Paradeplatz steht wegen Fastnacht nicht zur Verfügung.
Bericht und Bilder: Roland Schuster
Roland Schuster