„Die Unfruchtbarmacher“ als DVD: Die Geschichten der Opfer von NS-Zwangssterilisierungen bewahren und weiter geben [mit Videobeitrag]
Die Geschichten der Schülerin Ingrid Klant, des Hilfsarbeiters Rudolf Keller und der zweifachen Mutter Katharine Biaret stehen exemplarisch für das systematische Unrecht, das das sogenannte Erbgesundheitsgericht am Amtsgericht Mannheim mit seinen Urteilen in der Zeit des Nationalsozialismus verantwortete. Die wahnsinnige Ideologie der Volksgemeinschaft führte dazu, dass mehr als 1900 Menschen, mit tatsächlichem oder vermeintlichem Handicap, das Recht auf Nachwuchs abgesprochen wurde. Per Gerichtsentscheid wurde ihre Unfruchtbarmachung verfügt. Sie wurden als „Schwachsinnige“ oder „Asoziale“ diffamiert und zwangssterilisiert.
Noch Jahrzehnte nach dem Ende der NS-Herrschaft wurde die sogenannte „Rassehygiene“ von deutschen Wissenschaftlern als angeblich unpolitisch verteidigt. Den Opfern wurde Anerkennung und Entschädigung lange versagt.
Mit diesem Thema beschäftigt sich der Mannheimer AK Justiz und Geschichte des Nationalsozialismus seit vielen Jahren. Er hat dazu 250 Akten studiert und die Geschichten der drei oben genannten Mannheimer*innen als Grundlage einer szenischen Lesung gewählt. Die Fälle sind echt, die Zitate stammen aus den Akten, die Namen hat der AK geändert.
2013 wurde ein Mahnmal für die Opfer der Zwangssterilisierungen enthüllt, das seit dem auf Wanderschaft durch Mannheim ist und von Schüler*innen betreut wird. Die szenischen Lesungen fanden parallel zu den Ortswechseln des Mahnmals an passenden Orten, auf verschiedenen Bühnen statt, beispielsweise auch im heutigen Amtsgericht.
Nun hat der AK-Justiz einen Film produziert, der am Sonntag, 16. Februar 2020 im neuen Cinema Quadrat uraufgeführt wurde. „Jetzt haben wir gemerkt, wir werden älter“, meint Veronika Wallis-Violet vom AK-Justiz. Es sei klar, dass man die Aufführungen nicht ewig weiter machen könne. „Daher wollten wir das mal auf einen technischen Fuß stellen“, begründet sie die Entscheidung, das Bühnenprogramm auf DVD heraus zu bringen.
Die Uraufführung des Films war gleichzeitig auch die Jubiläumsveranstaltung „25 Jahre AK-Justiz“. Dabei blieb sich der Arbeitskreis treu: Kein großes Aufsehen, dennoch stilvoll und wie immer standen die Inhalte im Vordergrund. Die rund 100 geladenen Gäste durften neben dem Film auch einen Rückblick auf die 25 jährige Tätigkeit des Arbeitskreises werfen und damit auf 25 Jahre zivilgesellschaftliches und antifaschistisches Engagement.
„Ihr habt enormes erreicht. Ihr habt die Mauer des Verschweigens und Vergessens hier in Mannheim eingerissen“, lobte Joachim Weber, Professor an der Hochschule Mannheim, den AK in seiner Festrede zum Ende der Veranstaltung. Doch er mahnte auch: „Euer Kampf droht über kurz oder lang aufgefressen zu werden, von einer Kultur des Vergessens und Relativierens. Die lebendige Erinnerung und Aufarbeitung, die das Vergangene ständig mit der Gegenwart in Bezug setzt, (…) braucht dringend eine längere Zukunftsperspektive.“
(cki)
KIM-Tipp: Die DVD „Die Unfruchtbarmacher“ kann gegen Spende über den AK Justiz und Geschichte des Nationalsozialismus bezogen werden. E-Mail: info@akjustiz-mannheim.de Webseite: www.akjustiz-mannheim.de
Videobeitrag | Direktlink zu Youtube: https://youtu.be/s4Qfk7C_RgI