Corona – Erste Positionsbildungen für die Zeit danach. Der Kämmerer spricht vom Sparen
Alle reden von den Startproblemen der Impfkampagne oder der Frage, wie lange man noch Schüler*innen aus den Schulen fern halten kann, ohne massive Lernbeeinträchtigungen und psychologische Schäden zu verursachen. Der Mannheimer Morgen denkt aber schon an die Zeit „danach“ – wenn es denn überhaupt so schnell eine Zeit danach gibt. Er interviewt in der Morgen-Web-Ausgabe vom 6.1.21 den Dezernenten für Öffentliche Sicherheit, für das Rettungswesen und Katastrophenschutz und für die städtischen Finanzen, wie es denn in diesem und den nächsten Jahren genau um diese Finanzen seiner Meinung nach bestellt sein werde. Der Interview-Titel lautet: „Mannheim muss wegen Corona bei geplanten Investitionen sparen“.
Zunächst gibt es eine Erinnerung an die wesentlichen Zahlen des Haushaltsgeschehens: Die coronabedingten Mehrausgaben plus die entfallenden oder reduzierten Einnahmen der Stadt als Haushaltsverschlechterung sowie im Gegenzug die Finanzhilfen des Bundes und Landes aus verschiedenen Rettungsschirmprogrammen belaufen sich für Mannheim auf vorläufig 126 Mio. Euro Nettoverschlechterung. Das tatsächliche Ergebnis 2020 steht aber noch keineswegs fest. Im Sommer legte die Verwaltung dem Gemeinderat einen Nachtragshaushalt vor, der diese Verschlechterung auffing durch Verschiebung diverser Investitionsausgaben in das Folgejahr oder noch weiter in die Zukunft, sowie durch einen Griff in die nach der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 wieder gut aufgebaute Rücklage. Damit konnten die geplanten Ausgaben für die laufenden Aufgaben wie geplant getätigt werden. Die Investitionsverschiebungen fallen zunächst praktisch gar nicht ins Gewicht, weil erfahrungsgemäß oft bis zur Hälfte der geplanten investiven Ausgaben mit dem vorhandenen Personal gar nicht abgearbeitet werden können, sondern das Geld liegen bleiben und dann den nächsten Haushalt verstärken.
Die vom Gemeinderat bis 2023 beschlossenen Investitionen betragen jährlich fast 200 Mio. Euro – absolute Rekord-Summen. Hierbei sind die ebenfalls dreistelligen Millionenbeträge der GBG für Investitionen, die Investitionen der RNV auf Mannheimer Gemarkung und die Investitionen z.B. des Klinikums gar nicht mitgerechnet, weil die in selbstständigen GmbHs aufschlagen. Wenn nun z.B. die Gewerbesteuereinnahmen über mehrere Jahre geschrumpft bleiben ohne vom Bund ausgeglichen zu werden wie in 2020, dann wird es in der Tat eng, erst recht, wenn z.B. die Einnahmen des ÖPNV weiterhin sinken und ausgeglichen werden müssen.
Was dann? Der MM-Journalist zieht den Dezernenten Specht erheblich an der Nase, ob er denn nicht Beispiele für Einsparpotenziale nennen könne. Specht ist aber erfahren genug, artig zu sagen: „Das würde ich jetzt nur ungern tun. Hier entscheidet der Gemeinderat.“ Am Ende des Interviews philosophiert dann Specht aber doch über Großprojekte. Das Kombibad Herzogenried und die Erweiterung des Rosengarten CongressCenters seien schon zu weit fortgeschritten. Auch die laufende Planung der Sanierung des Nationaltheaters vertrage keine Eingriffe. Aber man müsse schon mal darüber nachdenken, ob künftig überhaupt noch so viele Menschen ins Theater gehen wollen.
Die Richtung stimmt nicht!
Eigentlich müssen ja die Überlegungen in eine ganz andere Richtung gehen: Das Investitionsprogramm ist zwar gewaltig, es berücksichtigt aber nur viel zu geringe Beiträge der Kommune zur Meisterung der Klimawende. Allein die thermische Sanierung städtischer Liegenschaften geht viel zu langsam voran, die Mobilitätswende bräuchte noch mehr Investitionskapazitäten und –mittel als vorgesehen. Und was die Verstärkung eines großen Non-profit-Sektors in der Wohnungswirtschaft betrifft, damit das Wohnen einigermaßen bezahlbar bleibt oder wieder wird – dafür sieht der Stadthaushalt im Grunde gar nichts vor. Die Mängel im Schulwesen, die durch das Corona-Desaster noch deutlicher hervorstechen, verlangen nach viel mehr Mitteln für Schulbau und –modernisierung (z.B. für flächendeckenden Ganztagsunterricht und Digitalisierung).
Die Frage, die sich aus all diesen Feststellungen ergibt, ist nicht, ob das Nationaltheater vielleicht doch nicht richtig saniert oder verkleinert wird, sondern: ob das zukunftsfeindliche Netto-Neuverschuldungsverbot nicht endlich zu Grabe getragen wird. Das Schreckgespenst, mit einer höheren Verschuldung werde der Jugend von heute eine ungeheure Hypothek für die Zukunft aufgebürdet muss dahin gehend aufgeklärt werden, dass die größte Hypothek für die Jugend ein unzureichend ausgestattetes Bildungswesen ist. Ebenso Versäumnisse bei der Abwendung der Klimaerwärmung. Die Fridays-for-Future-Bewegung kämpft genau gegen solche Zukunftshypotheken.
Und dann stellt sich ja die gesamtgesellschaftliche Frage, wer am Ende die finanziellen Lasten zu trage habe, ob nicht doch endlich die selbst in der Krise noch anwachsenden Milliardenvermögen kräftig herangezogen werden. Corona heißt somit auch: Die Auseinandersetzung um diese grundlegenden Fragen muss deutlich verschärft werden. Auf der Straße und mit Wahlzetteln im „Superwahljahr“.
Thomas Trüper, Stadtrat DIE LINKE, Fraktionsvorsitzender LI.PAR.Tie.