Wer bestimmt über den öffentlichen Raum?
Selten war öffentlicher Raum so gefragt, wie jetzt. Der Sommer ist da, die Inzidenz sinkt stetig. Clubs, Kneipen und Discos sind teilweise noch geschlossen oder zumindest im eingeschränkten Betrieb. Es ist also völlig logisch, dass es junge Menschen nach draußen zieht und sich zentrale Treffpunkte bilden, wo man Freund*innen treffen, Party feiern und etwas erleben kann. So schnell, wie die Inzidenzen sinken, so schnell kommen die Konflikte um den öffentlichen Raum. Der Staat zeigt mit autoritären Maßnahmen Härte und den jungen Menschen werden Grenzen der gerade erst wieder gewonnenen Freiheit aufgezeigt.
In Stuttgart ist die beliebte Freitreppe an der Königstraße gesperrt worden. In Heidelberg ließ die Polizei die Neckarwiese räumen und in Mannheim gibt es ein nächtliches Alkoholverbot, unter anderem im Jungbusch und auf der Neckarwiese.
Die Geister die sie riefen
Junge, laute und feiernde Menschen gibt es genau dort, wo man sie erwarten kann. Der Jungbusch mit seiner Hafenpromenade wurde jahrelang zum sogenannten „Szene-“ und Ausgehviertel entwickelt. Jetzt ist das entsprechende Publikum da. Auch das Projekt ALTER am Alten Messplatz ist ein voller Erfolg und zieht die Menschen an. Ebenso die Neckarwiese, die sich immer mehr zum zentralen Treffpunkt der Stadt bei gutem Wetter entwickelt hat.
Doch werden die jungen Menschen an ihren Treffpunkten nicht gerade herzlich willkommen geheißen. Mit regulativen Maßnahmen, greifen Stadt und Polizei in das Partygeschehen ein. Für mehrere Plätze wurde Alkoholkonsumverbote verfügt. Entsprechende Kontrollen enden nicht selten mit Konflikten, Bußgeldern, Strafanzeigen oder sogar Festnahmen. In Heidelberg ist die Situation auf der Neckarwiese massiv eskaliert.
Für den Jungbusch gibt es immerhin die „Nachtschichtler“, die mit sozialarbeiterischen Methoden auf das Geschehen einwirken. Sie sollen Regeln erklären und mit den Feiernden ins Gespräch kommen. Sie sind quasi der Puffer zwischen Partypublikum und Polizei. Dennoch setzt der Staat auch hier im Zweifelsfall seine Verbote mit Gewalt durch.
Für ein Recht auf öffentlichen Raum
Der Jungbusch ist mit seinem Spannungsfeld zwischen Partypublikum und Anwohner*innen sicher ein besonders komplizierter Fall. Andernorts könnte es eigentlich einfacher sein. Doch warum greift die Polizei auch an Orten wie der Neckarwiese hart durch?
„Die derzeitigen Einschränkungen, wie wir sie unter anderem in Stuttgart und Heidelberg erleben, sind unverhältnismäßig. Die Polizei sieht in der aktuellen Situation in den Städten offensichtlich eine Chance, Verbote wie das Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen und Maßnahmen wie die Ausweitung von Videoüberwachung umzusetzen, die sie schon lange fordern. Statt solcher Maßnahmen und mehr Polizeikontrollen fordern wir mehr mobile Jugendarbeit. Offensichtlich überzogene Haftstrafen wie nach der sogenannten Stuttgarter Krawallnacht im letzten Jahr, verurteilen wir scharf. Es darf nicht sein, dass an diesen Jugendlichen jetzt ein Exempel statuiert wird.“ So erklärt es Luigi Pantisano (Die Linke) aus Stuttgart.
„Viele junge Menschen haben im letzten Jahr ihre Solidarität mit der älteren Bevölkerung und Risikogruppen gezeigt. Sie sind zu Hause geblieben und haben auf vieles verzichtet“, ergänzt seine Parteikollegin Gökay Akbulut. „Wir müssen kreative Lösungen für eine Nacht- und Feierkultur finden, damit die Menschen in den Nachbarschaften in ihrer Nachtruhe nicht gestört werden.“ Verweil- und Alkoholverbote könnten das Problem nicht lösen. Sie führten zu einer Verlagerung auf weitere Plätze und zu einer Spirale der Kriminalisierung der Jugendlichen.“
Wohin mit den Feiernden?
Wie könnten kreative Lösungen aussehen? Sie müssen attraktiv und frei zugänglich sein. Akzeptanz bei den Anwohner*innen ist eine Voraussetzung für deren Erfolg. Der Nachtmarkt am Rande der Neckarstadt-West möchte eine solche Alternative sein. Doch es gibt Kritik an der undurchsichtigen Zusammenarbeit zwischen Politik und Immobilieninvestoren. Wer verfolgt hier welche Interessen? Wer profitiert davon?
Eine gute Alternative können selbstverwaltete und unkommerzielle Räume und Orte sein. ALTER auf dem Alten Messplatz geht sicherlich in die richtige Richtung, auch wenn der Standort nicht die große Menge der Feiernden aufnehmen kann. Es zeigt aber, dass der Bedarf an unkommerziellen, freien und wenig kontrollierten Orten da ist und diese entsprechend ausgebaut werden müssen. Dann laufen auch die Verbots- und Repressionsmaßnahmen ins Leere. (cki)