Ampel-Koalitionsvertrag: “Radikalenerlass” geplant
“Ampel” plant neuen Radikalenerlass
Am 28.10.2021, drei Monate vor dem 50. Jahrestag des sogenannten Radikalenerlasses, hat vor der PH Heidelberg eine Kundgebung mit knapp 100 Teilnehmenden stattgefunden. 16 Betroffene aus der Rhein-Neckar-Region haben sich vor dem Eingang versammelt, hinter dem Transparent: „Aufarbeitung, Entschuldigung, Rehabilitierung, Entschädigung!“
Die Grünen hatten schriftlich eine Unterstützung der Kundgebung abgelehnt. In einem Redebeitrag wurde eingangs gegen die Ankündigung im „Sondierungspapier“ der künftigen „Ampel“-Regierung protestiert: Man werde „entschlossen gegen jede Form der Menschenfeindlichkeit“ vorgehen, wozu auch der „Linksextremismus“ zähle – im gleichen Atemzug genannt mit „Rechtsextremismus“, „Rassismus“ oder Queer-Feindlichkeit“ – nach dem Motto „Links gleich rechts“.
Der Skandal, Linke mit Rassisten und Nazis gleichzusetzen, ist nun auch im Koalitionsvertrag zu finden, verbunden mit der gleichzeitigen, ausdrücklichen Ankündigung einer Neuauflage des Radikalenerlasses.
Der Bundesausschuss der Initiativen gegen Radikalenerlass und Berufsverbote hat dazu am 26.11. folgende Presseerklärung herausgegeben:
Wir, Betroffene der Berufsverbotspolitik in der Folge des Radikalenerlasses von 1972, haben mit Entsetzen zur Kenntnis genommen, dass im Koalitionsvertrag der neuen Ampelkoalition Passagen enthalten sind, die eine Wiederbelebung eben dieser Berufsverbotepolitik befürchten lassen.
So heißt es gleich zu Beginn des Koalitionspapiers wörtlich: „Um die Integrität des Öffentlichen Dienstes sicherzustellen, werden wir dafür sorgen, dass Verfassungsfeinde schneller als bisher aus dem Dienst entfernt werden können.“ Und später wird unter der Rubrik ‚Innere Sicherheit‘ präzisiert: „Die in anderen Bereichen bewährte Sicherheitsüberprüfung von Bewerberinnen und Bewerbern weiten wir aus und stärken so die Resilienz der Sicherheitsbehörden gegen demokratiefeindliche Einflüsse.“
Es wird ehrlicherweise nicht einmal der Versuch unternommen, diese Maßnahme mit den tatsächlich bedrohlichen rechten Unterwanderungsversuchen von Polizei und Bundeswehr zu begründen. Stattdessen werden in plumpster extremismustheoretischer Manier „Rechtsextremismus, Islamismus, Verschwörungsideologien und Linksextremismus“ gleichgesetzt.
Den Nachrichtendiensten – damit auch dem sogenannten „Verfassungsschutz“ spricht die neue Regierung allen rechten Skandalen zum Trotz ihr vollstes Vertrauen aus.
Aus eigener bitterer Erfahrung wissen wir, dass eine solche Politik allein den Rechten in die Hände spielt.
Im Februar 2022 jährt sich der unter Bundeskanzler Willy Brandt verabschiedete Radikalenerlass. Er hat nicht nur Tausende von Linken diffamiert, ausgegrenzt und ihre Lebensperspektiven zerstört, sondern vor allem die gerade erst im Wachsen begriffene demokratische Kultur dieses Landes schwer beschädigt. Rechte blieben von der damaligen Hexenjagd so gut wie vollständig verschont.
Wir sind fassungslos und schockiert, dass die neue Bundesregierung nicht nur weiter die Augen vor diesem jahrzehntelangen staatlichen Unrecht verschließt, sondern sich anschickt, dieselben Fehler zu wiederholen.
Wie damals wird der rechtlich völlig unbestimmte Begriff „Verfassungsfeind“ verwendet. Ausgerechnet der tief in die rechte Szene verstrickte Inlandsgeheimdienst soll vorschlagen dürfen, wer als „Verfassungsfeind“ angesehen und entsprechend behandelt werden soll. Dies kommt einem Suizid der Demokratie und des Rechtsstaates gleich.
Anlässlich des 50. Jahrestages des Radikalenerlasses fordern wir nicht nur die Rehabilitierung und Entschädigung der Betroffenen, wir wenden uns auch entschieden dagegen, erneut die Prüfung politischer Gesinnungen anstatt konkreter Handlungen zur Einstellungsvoraussetzung im Öffentlichen Dienst zu machen. Grundgesetz und Strafrecht würden schon heute vollkommen ausreichen, rechte Netzwerke in Polizei, Militär und Justiz zu bekämpfen. Bedauerlicherweise wird davon nur sehr selten Gebrauch gemacht. Der Kampf gegen rechte Demokratiefeinde bleibt in erster Linie eine gesellschaftliche Aufgabe.
Klaus Lipps für den Bundesarbeitsausschuss der Initiativen gegen Berufsverbote und für die Verteidigung der demokratischen Grundrechte