Heidelberg: Demo gegen rechte Netzwerke in Polizei und Behörden
Am 30. April 2022 fand in Heidelberg eine Demonstration gegen Rassismus in staatlichen Behörden statt. „Laut und entschlossen“ wurde gegen rechte Netzwerke und gegen staatlichen Rassismus demonstriert. Aufgerufen hatte die Antifaschistische Initiative Heidelberg. Bei den Reden wurde aufgezeigt, dass speziell Polizei und Bundeswehr Strukturen sind, in denen waffentragende Nazis keine Seltenheit sind. Außerdem betonten die Redner*innen, wie wichtig Organisierung im Kampf gegen Unterdrückung, Ausbeutung und rechte Hetze ist.
Nach der Auftaktkundgebung in der Schwanenteichanlage zogen 250 Teilnehmer*innen über die Kurfürstenanlage und durch die Fußgänger*innenzone bis zum Karlsplatz. Die Veranstalter*innen zeigten sich zufrieden und freuten sich über die „sehr gelungene Abschlusskundgebung“, die den am Karlsplatz wohnenden Burschenschaftern nicht gefallen haben dürfte. (red)
Bilder der Veranstaltung
Wir dokumentieren den Redebeitrag der Antifaschistischen Initiative Heidelberg.
Liebe Genoss:innen,
der Staat versagt dabei, Faschist:innen zu entwaffnen. Während sich damit gerühmt wird, dass seit 2018 mehr als hundert von den Behörden als rechtsextrem eingestuften Personen ihre waffenrechtliche Erlaubnis entzogen wurde, wird kleinlaut zugegeben, dass Ende 2021 immer noch über 1500 „Rechtsextremist:innen“ legal Waffen besitzen. Nochmals: der Staat schätzt diese Leute als „rechtsextrem“ ein und lässt sie ihre Waffen behalten! Insgesamt gibt es seit 2019 einen Anstieg bewaffneter Rechter um knapp 30%. Wie hoch die Dunkelziffer waffentragender Faschos ist, will man sich kaum vorstellen. Auf eine Anfrage der Linken im Bundestag letzten Dezember gab das Innenministerium zu, dass außerdem gegen knapp 600 Neonazis Haftbefehle ausstehen, bei denen die Personen bisher nicht gefunden wurden. Neben Gewaltdelikten geht es bei nicht wenigen davon um den unerlaubten Besitz von Schusswaffen. Dass Nazis untertauchen und Waffen horten, ist keine linke Panikmache, sondern ein Fakt.
Aber was ist mit denen, die sich gar nicht für konspirative Schießübungen treffen müssen, die nach Waffen und Munition nicht lange suchen müssen, weil sie in ihrem Dienstschrank sind? Es ist ebenso ein Fakt, dass jeden Tag Faschist:innen die Fähigkeit zu überwältigen, zu verletzen und im Zweifelsfall zu töten, als Teil einer Ausbildung trainieren. Es ist ein Fakt, dass Menschen, die sich auf einen faschistischen Umsturz vorbereiten, nicht nur Zugang zu Munition und Waffen haben, sondern auch über Jahrzehnte an diesen ausgebildet werden. Dass sie ihre Netzwerke in ihren Ausbildungsstätten ausbauen und Gleichgesinnte dort und außerhalb davon schützen.
Rechter Terror in Deutschland kann historisch nicht von den so genannten Sicherheitsbehörden getrennt betrachtet werden.
Nur ein paar Beispiele aus den letzten 20 Jahren bekräftigen das:
Nazis werden wie im Falle des NSU durch den Verfassungsschutz geschützt. Wie viele ihrer verschossenen Patronen durch Staatsgeld bezahlt wurden, werden wir nie erfahren.
Faschist:innen planen wie im Falle des Hannibal-Netzwerkes in der Bundeswehr einen rechten Umsturz und beschaffen sich Waffen und Leichensäcke.
Die Adressen für die NSU 2.0-Drohschreiben sowie die Namen und Wohnorte von zahlreichen Antifas in Leipzig wandern direkt von Polizeicomputern in die Hände von Neonazis.
Rechte Politiker:innen wie der CDU-Mann Hans-Josef Bähner genießen den Schutz der Behörden, selbst wenn sie in ihrem Garten Waffen horten, selbst wenn sie einen Jugendlichen rassistisch beleidigen und selbst wenn sie auf ihn schießen, während medial eine unsägliche Täter-Opfer-Umkehr stattfindet.
Die sowieso schon skandalöse Ermittlungsarbeit in Hanau wurde für die Angehörigen noch schrecklicher, als herauskam, dass 13 der beim rassistischen Anschlag eingesetzten SEK-Beamten selbst Teil einer rechten Chatgruppe waren. Wenn die Verhinderung oder Aufklärung von rechten Gewalttaten anderen Rechten überlassen wird, dann sollte allen klar sein, dass daraus nur weiteres Übel entsteht.
All diese Vorfälle müssen unbedingt als Teile eines Bildes betrachtet werden. Die Täter:innen haben nicht allein gehandelt, und es wurden meistens nur Bruchteile von Strukturen offengelegt. Diese Vorkommnisse sind, egal wie oft und vehement es behauptet wird, keine Einzelfälle!
Eine Rednerin der diesjährigen Hanau-Kundgebung in Heidleberg hat es ziemlich gut auf den Punkt gebracht: Deutschland hat auf allen Ebenen ein beschissenes Nazi-Problem.
Wir dürfen dabei auch nicht aus dem Blick verlieren, dass ein Großteil der Enthüllungen von faschistischen Netzwerken und Chatgruppen nicht etwa durch den Verfassungsschutz oder den Militärischen Abschirmdienst bekannt wurde, sondern durch gemeinsame Recherchen von Journalist*innen und Antifaschist*innen.
Den meisten linken Strukturen ist klar, dass sie bei dieser Arbeit vom Staat weiterhin verfolgt werden, wenn sie gemeinsam und konsequent für eine solidarische Gesellschaft kämpfen. Für sie gibt es keinen Dank, sondern Schikane auf der nächsten Demo.
Das Ganze wird noch absurder, wenn man sich ansieht, wie antifaschistischer Selbstschutz kriminalisiert wird. Jedes Kampfsporttraining wird in Verfassungsschutzberichten als Teil einer unmittelbaren Umsturzstrategie bezeichnet und dementsprechend beobachtet, während sich Neonazis gemütlich zu Schießübungen treffen können.
So viele angebliche Einzelfälle haben gezeigt, womit wir bei Sicherheitsbehören rechnen müssen, wenn es darum geht, rechte Morde aufzuklären: von schleppenden oder verschleppten Ermittlungen über Vertuschung bis hin zur Beschuldigung der Angehörigen.
Diese Vorgänge geschehen in einem politischen Kontext von AfD und Pegida, nach den Morden des NSU, nach Hetzjagden in Chemnitz, nach Halle, Hanau, Celle, Dessau, Porz und so vielen anderen Taten und es ist alles andere als unwahrscheinlich, dass, während ich hier spreche, die nächste Tat vorbereitet wird. Während die Bullen täglich nach rassistischen Mustern Menschen schickanieren, wird die rassistische Mobilisierung in den so genannten Sicherheitsbehörden als Nährboden für neue Formen des Rechtsterrorismus immer noch nicht ernst genommen. Das ist die Handschrift einer Politik, in der migrantische Communities und Familien zum Sicherheitsproblem gemacht werden, statt sie vor rechtem Terror und Rassismus zu schützen. Nazis morden, der Staat schiebt ab, das ist das gleiche Rassist:innenpack!
Deshalb müssen wir nicht nur den Diskurs darüber verändern und dem Gerede von Einzelfällen Fakten entgegenhalten. Wir müssen auch solidarisch sein mit all denen, die unter der rechten Gewalt leiden, in der Stadt und in jedem Dorf. Wir müssen einander, wo wir können, unterstützen, damit es immer weniger Orte gibt, an denen sich Faschist:innen ausbreiten können. Durch Recherchen, Veröffentlichungen und Interventionen müssen wir den Rechten Stück für Stück ihren Schutz- und Handlungsspielraum nehmen.
Den Kampf gegen ihre menschenverachtende Weltanschauung müssen wir überall führen, wo wir auf sie treffen: auf der Arbeit, im Betrieb, im Gerichtssaal, in der Schule, in der Universität, im Verein, auf dem Sportplatz und nicht zuletzt gemeinsam auf der Straße. Kein Fußbreit dem Faschismus!
Antifaschistische Initiative Heidelberg