Inflation: Alles wird teurer und irgendwie ist die EZB Schuld…
Das hört sich irgendwie zu einfach an? Ist es auch. Aber so oder so ähnlich lassen sich die Aussagen einiger politischer Kommentator:innen in den letzten Wochen und Monaten zusammenfassen. Da es sich bei Inflation um ein komplexes gesamtwirtschaftliches Phänomen handelt, was über die reine Geldmenge hinausgeht und eine gewisse Preissteigerung bei wachsender Wirtschaft sogar erwünscht ist, geht neben vielem anderen schnell mal unter.
Zu verlockend scheint die Möglichkeit das Thema populistisch und demagogisch aufzuladen, um die vielbeschworenen “kleinen Leute”, die ja tatsächlich am stärksten von steigenden Lebenshaltungskosten betroffen sind, auf seine Seite zu ziehen. Dass Rechte hier besonders auffallen ist nur all zu verständlich. Die berechtigten Sorgen und realen Bedrohungen vieler, lassen sich schließlich leicht mit dem Versagen derer da oben verknüpfen, ohne das weitere Erklärungen notwendig scheinen. Die EZB dient dann zusätzlich als Zielscheibe und stellvertretend für eine ohnehin verhasste EU.
Grundsätzlich ist eine Vereinfachung komplexer Sachlagen zur politischen Kommunikation gegenüber dem Demos auch nicht verwerflich. Die daraus abzuleitenden politischen Forderungen und Maßnahmen sollten allerdings auf wahren Grundlagen beruhen. Gerade deshalb ist es wichtig sich mit dem Phänomen der Inflation auch differenzierter auseinanderzusetzen und sich nicht in einen Wettbewerb der Plattitüden mit rechten Akteur:innen zu begeben. Die ökonomischen Grundlagen der Inflation scheinen bei näherer Betrachtung zwar komplex, aber nicht unbedingt kompliziert, auch wenn bei vielen Detailfragen in den Wirtschaftswissenschaften noch Uneinigkeit herrscht. Dass die Inflation allein mit dem Leitzins zusammenhängt, kann zum Beispiel dadurch widerlegt werden, dass sich dieser im Euro-Raum über zehn Jahre auf Rekordtief befand und trotzdem keine Inflation über Maßen eintrat. Die Verteuerung von Geld durch einen höheren Leitzins, könne sogar dazu führen das Wirtschaftswachstum zu drosseln, da Kapitalerträge nun wieder lukrativer werden und Geld von Investitionen abgezogen werden könnte. Da die Inflationsrate über einen Warenkorb berechnet wird, kann zudem schon die Teuerung einiger Produkte (z.B. durch Missernte) zu einer erhöhten Inflation führen, wobei viele andere Produkte davon unberührt bleiben können. Es ist also durchaus ein wenig mehr, als nur der Leitzins der EZB, der die Inflation “steuert”. Was jedoch sicher ist, dass Geringerverdienende und Haushalte ohne Vermögen am stärksten davon betroffen sind. Fragen der Inflationsbekämpfung sind also auch Fragen der Gerechtigkeit und über die Verteilung von Wohlstand.
Einen Versuch, die Inflation sowie ihre Ursachen und Auswirkungen verständlich zu machen, unternimmt die Initiative Soziale Kämpfe (ISK) am kommenden Dienstag, den 12.07.2022 um 19:00 Uhr im Linken Zentrum Ewwe Longts in der Kobellstraße 20, Neckarstadt/Ost.
Spannend dürfte vor allem die Frage sein, wie linke Kräfte auf die ökonomischen Entwicklungen reagieren und damit über eines ihrer Kernthemen an politischer Schlagkraft gewinnen können. Schließlich gehört die Bekämpfung de ökonomischen Verletzbarkeit des Großteils der arbeitenden Bevölkerung seit je zum Kern linker Politik. Die Gegenseite bringt sich bereits in Stellung, wenn Arbeitgeberverbände schon darauf hinweisen, dass Lohnerhöhungen in dieser wirtschafltichen Lage nicht möglich seien. Mit dem Mythos einer “Lohn-Preis-Spirale” wird die Angst vor weiteren Preissteigerungen geschürt, sollten Arbeitnehmer:innen in den anstehenden Tarifverhandlungen zu viel fordern. Diese sogenannte Spirale ist nicht nur historisch und ökonomisch kaum belegt, sondern lässt der Name zudem außer Acht, dass auch Löhne Preise sind- nämlich die Preise für Arbeit. Und gerade die Löhne sind in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland kaum über Inflationsniveau hinaus gestiegen. Besonders absurd stellt sich das Vorgehen der Konzerne dar, wenn in wirtschafltich starken Zeiten keine Lohnerhöhungen möglich sein sollen, um den Aufschwung nicht zu gefährden, um dann in der Krise mit offenene Armen nach staatlichen Subventionen wie dem Kurzabeitergeld zu greifen, um selbst in der Corona- Krise noch Rekordgewinne für Management und Aktionär:innen einzufahren. Die diesjährigen Tarifverhandlungen dürften demnach Signale setzen, wie es um die Machtverhältnisse zwischen Konzernen und Arbeitnehmer:innen steht.
Zu den Ursachen der aktuellen Inflation zählen auch die Folgen der Corona-Pandemie, welche immernoch nicht überwunden ist und sich durch Lockdowns in China deutlich auf die Weltwirtschaft auswirkt. Auch der Krieg in der Ukraine sowie die damit verbundenen machtpolitischen Spiele mehrerer Nationen, werden uns vermutlich noch mehrere Jahre beschäftigen und sich auf die Inflation, zum Beispiel in Form steigender Energiekosten auswirken. Eine Auseinandersetzung mit Inflation und dem politischen Umgang damit, scheint für eine Linke aktuell unumgänglich.
Text: DeBe