Haushalt Ludwigshafen – Hintergründe zur Finanzkatastrophe
In Ludwigshafen regiert der „Staatskommissar“ – Was wäre zu tun?
Das ist schon der Hammer: Bevor der am 7.11. in den Stadtrat eingebrachte Haushaltsplan der Stadt Ludwigshafen ab 28.11.22 im Hauptausschuss beraten werden konnte, musste die Stadtspitze ihn wieder zurückziehen.
Eine wahre Finanzkatastrophe
Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier (ADD), die die Kommunalaufsicht über die Stadt Ludwigshafen ausübt (vergleichbar den Regierungspräsidien in Baden-Württemberg), hatte per e-mail verlauten lassen, dass dieser Entwurf von vornherein nicht genehmigungsfähig sei. Grundlage dafür ist das, was der Kämmerer gleich zu Beginn des sog Vorberichts zum Haushaltswerk selbst feststellt, nachdem er die außerordentliche Unsicherheit der Planungsgrundlagen beleuchtet hat: „Der Haushalt ist (..) nicht ausgeglichen“. Er legt dar, wie nach § 18 Abs. 1 Gemeindehaushaltsverordnung (GemHVO) ein ausgeglichener Haushalt auszusehen hätte:
“Der Haushalt ist in der Planung ausgeglichen, wenn
- der Ergebnishaushalt [das ist die finanzielle Seite des Verwaltungshandelns einschließlich der Abschreibungen] mindestens ausgeglichen ist und
- im Finanzhaushalt [vergleichbar dem Cash-flow] der Saldo der ordentlichen und außerordentlichen Ein- und Auszahlungen [inkl. Investitionen] (…) ausreicht, um die Auszahlungen zur planmäßigen Tilgung von Investitionskrediten zu decken, soweit die Auszahlungen zur planmäßigen Tilgung von Investitionskrediten nicht anderweitig gedeckt sind.“
Sodann erklärt der Kämmerer die Situation in Ludwigshafen:
„Im Ergebnishaushalt 2023 ergibt sich ein Jahresfehlbetrag von 97.964.557 EURO.
Im Finanzhaushalt errechnet sich im Jahr 2023 ein negativer Saldo bei den ordentlichen Einzahlungen und Auszahlungen von 19.301.136 EURO. Dieser Betrag reicht jedoch nicht aus, um die Auszahlung zur planmäßigen Tilgung von Investitionskrediten in Höhe von 36.000.000 EURO zu decken.“
Das Investitionsprogramm der Stadt Ludwigshafen für 2023 beträgt nach dem kassierten Haushaltsentwurf 219,1 Mio. EUR, die fast vollständig durch Neuaufnahme von Krediten finanziert werden sollen, da ja der Ergebnishaushalt nichts für Investitionen abwirft.
Das Ganze auf dem „Fundament“ einer für 2023 geplanten Gesamtverschuldung von 1,48 Mrd. EUR.
Das Erschreckende an diesem Schuldenstand ist, dass er zu 55% aus „Liquiditätskrediten“ und anleihen besteht.
„Kredite zur Liquiditätssicherung,“ erläutert der Kämmerer. „werden bei der Haushaltslage der Stadt Ludwigshafen nicht im üblichen Sinn getilgt, sondern lediglich durch Tilgung und gleichzeitige Neuaufnahme umgeschuldet.“
Warum die ADD gerade jetzt zuschlägt
Diese finanzielle Situation der Stadt Ludwigshafen ist nicht neu – sie hat sich über Jahre hinweg aufgetürmt. Die meisten Industriestädte in NRW sind in ähnlicher Lage. Auch Kaiserslautern bekam den Doppelhaushalt 2021/2022 nur für 2021 mit Auflagen genehmigt. Für 2022 musste sie neu planen.
Lt. Mannheimer Morgen vom 25.11.22 bestätigte die Behörde auf Anfrage zu Ludwigshafen, „dass es sich bei diesem Vorgehen um einen besonderen Einzelfall handelt.“ Die Stadtspitze „konterkariere mit dem vorgelegten Haushalt einen finanziellen Konsolidierungskurs. Es habe zu jeder Zeit gegenseitiges Einvernehmen darüber gegeben, dass der strukturell unausgeglichene Haushalt der Stadt Ludwigshafen am Rhein nicht innerhalb weniger Jahre ausgeglichen werden kann, (…) Gleichzeitig sei man aber davon ausgegangen, dass die erheblichen Defizite reduziert werden könnten und müssten, damit der Haushalt schrittweise konsolidiert werde.“
Wie soll das gehen? – “Will man hier noch leben?”
Oberbürgermeisterin Steinruck (SPD) fragte angesichts solchen Ansinnens: „Will man hier noch leben?“ (MM 28.11.22). Und sie macht folgende Rechnung auf: Der Zuschussbedarf zu den sog. Freiwilligen Aufgaben der Stadt beträgt lt. Planung für 2023 insgesamt 54 Mio. EUR. Wenn man diese vollkommen streichen würde, betrüge das Defizit des Ergebnishaushalts immer noch 43 Mio. EUR. Die nicht-freiwilligen, also die Pflichtaufgaben der Stadt wie Auszahlung von Transferleistungen, Feuerwehrwesen, Zurverfügungstellung der Daseinsvorsorge wie Rechtsanspruch auf Kitaplätze, etc.pp. darf die Stadt gar nicht zur Disposition stellen.
Und wirklich: Will man da noch wohnen, wo die Erfüllung der Freiwilligen Aufgaben eingestellt wird? Das wären z.B. Verlustausgleich des ÖPNV (21 Mio EUR), Sport einschließlich Sportanlagen und Bäder (6 Mio.), Kultur wie z.B. Stadtbücherei, Musikschule, Hack-Museum, Theater (16 Mio.), diverse soziale Aufgaben wie Frauenhaus, Sozialticket, Drogenhilfe, Zuschüsse an Wohlfahrtsverbände für ihre Aufgaben.
Mit der Umsetzung solcher Brachialitäten wäre das Ende der kommunalen Selbstverwaltung erreicht. Der Rest wäre schlichte Auftragsverwaltung für Bund und Land.
Walter Ebert, der letzte Mannheimer Stadtrat der DKP, der sehr erfahrene Vertreter der „kleinen Leute“, warnte in den 80er Jahren bezogen auf die ebenfalls nicht rosige, aber überhaupt nicht vergleichbare Situation in Mannheim immer vor dem „Staatskommissar“ – der Durchgriffsverwaltung durch das Regierungspräsidium. Ludwigshafen ist dicht davor.
Mit der Streichung aller „freiwilligen“ Leistungen und einem Einstellungsstop würde die Stadt endgültig auf einer steil schrägen Ebene nach unten rutschen. Der Nahverkehr müsste (noch mehr) geschädigt werden, die Attraktivität der Stadt kulturell stark beeinträchtigt werden, und bald würde die berüchtigte Bayreuther-Straße-Siedlung die zusätzlich verarmenden Menschen nicht mehr aufnehmen können etc. Eine zukunftsweisende Stadtplanung im Sinne „Ludwigshafen erfindet sich neu“ wäre auch nicht mehr zu leisten oder wenigstens zu unterstützen.
Wie konnte es in Ludwigshafen so weit kommen? BASF?
Ludwigshafen hat eine einzigartige Struktur: Als Großstadt mit (nur) 172.000 Einwohner:innen beherbergt es den weltweit größten zusammenhängenden Chemieindustriestandort. Nicht der Industriebetrieb wuchs in einer bestehenden Stadt, sondern die Stadt wuchs rund um den stark expandierenden Industriebetrieb. Damit war schon immer die BASF der Hund und die Kommune der Schwanz. Die wirtschaftlichen Grundlagen der Stadt beschreibt der Direktor des Ludwigshafener Stadtarchivs Stefan Mörz in seiner kurzen Geschichte der Stadt Ludwigshafen auf der städtischen Website folgendermaßen: „Diese Distanz zwischen denen, die in Ludwigshafen ihr Vermögen verdienen und denen, die dort in weniger gehobenen Positionen arbeiten und wohnen, hat sich in der Gegenwart noch verschärft. Seit den 1960er Jahren wohnt “man”, vorausgesetzt man gehört zum gehobenen Personal, überhaupt nicht mehr in Ludwigshafen oder Mannheim, sondern in den Randgemeinden der Rheinebene, an der Berg- oder Weinstraße, jedenfalls in ländlicher Umgebung. Das ist auch die wohl entscheidende Erklärung für das Auseinanderklaffen von Wirtschafts- und Einkommenssteuerkraft in Ludwigshafen. Die vielen Einpendler nutzen die städtische Infrastruktur, die Schulen, medizinischen und kulturellen Einrichtungen – ohne zu ihrem Unterhalt beizutragen. Andererseits ist gemessen an der Größe der Stadt die mittelständisch-bürgerliche, am Wohl ihres Gemeinwesens interessierte Schicht zu klein.“
Aber die zentrale Frage lautet: Wie kann eine Stadt mit einem Milliarden-Profit-Unternehmen auf ihrem Territorium derart in die Verschuldung rasseln? Da müsste doch wesentlich mehr Gewerbesteuer herausspringen als prognostiziert.
Eine jederzeit gern genannte Begründung lautet etwa wie die von dem Autor der Glosse „Ludwigshafen Wochenspiegel“ in der Rheinpfalz am 18.10.2014 geäußerte Feststellung: „Dabei weiß doch jeder, dass das Ganze zwischen Rathaus und Firmenzentrale im Hinterzimmer ausgedealt worden ist.“ Es ging damals um eine „moderate“ Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes von 375 auf 405 Prozentpunkte. Dieser gewisse Ruch von Bananenrepublik übersieht allerdings, dass der Hebesatz nicht im Hinterzimmer entschieden werden kann, sondern nur der Vorschlag an den Gemeinderat. Eine andere Sache ist, ob der Gemeinderat dem mehrheitlich folgt. Und da gibt es offensichtlich stabile Mehrheiten über viele Parteigrenzen hinweg, die dem Bauchgefühl folgen, man dürfe die BASF nicht zu sehr verärgern, sonst werde sie sich rächen durch Verlagerung einzelner Abteilungen ins Ausland oder an andere Standorte und somit durch Entlassungsmaßnahmen – ein Programm, das der gegenwärtige Vorstandsvorsitzende Brudermüller für 2023 auf die Tagesordnung setzt: Kostenreduktion um 500 Mio. EUR in den europäischen, vor allem deutschen Standorten und eine noch nicht konkretisierte Zahl von abzubauenden Arbeitsplätzen. „Mit Umsicht“ werde man dabei vorgehen. (SWR 26.10.2022).
Wie viel zahlt die BASF denn an Gewerbesteuer? Steuergeheimnis!
Quelle: Stadt Ludwigshafen: Folien_SR_2022_11_07.pdf (https://www.ludwigshafen.de/ratsinformationssystem/bi/to0040.php?__ksinr=20063524)
Zunächst wäre zu klären: Wie viel verdient die BASF? Das entnimmt man den Geschäftsberichten:
Quelle: Geschäftsberichte der BASF SE
Die ausgewiesenen Steuern vom Einkommen und Ertrag umfassen die Gewerbe- und die Körperschaftssteuern. Sie geben also keinen Aufschluss über die gezahlte Gewerbesteuer. Und bei einer international tätigen Gesellschaft geben sie schon gar keinen Aufschluss über die örtlich gezahlte Gewerbesteuer.
Im Coronajahr 2020 sehen wir bei der BASF SE einen Verlust vor Steuern von 1,6 Mrd. EUR. Es erfolgten in diesem Jahr auch Steuerrückerstattungen von 91 Mio. EUR. Die Gewerbesteuereinnahmen der Stadt Ludwigshafen sanken in 2020 gegenüber dem Vorjahr um 107,6 Mio. EUR. Da die BASF in diesem Jahr ein Totalausfall war, hat sie im Vorjahr allerhöchstens diese 107 Mio. EUR Anteil an den Steuern. Da aber der Steuerabsturz nicht nur durch die BASF verursacht war, sondern die übrige Wirtschaft, besonders die mittelständische, ebenfalls hohe Gewinneinbußen hatte, kann man eher von der Hälfte ausgehen, also 50 Mio EUR – zugegebenermaßen etwas Kaffeesatzleserei, aber nicht ganz aus der Luft gegriffen. Die Größenordnung passt ersichtlich nicht zu einem Konzern, der 2021, ein Jahr nach dem Negativergebnis, wieder 7,4 Mrd. EUR Vorsteuergewinn schreibt. Er wird mit 1,4 Mrd. EUR (19,2%) Steuern vom Einkommen und Ertrag, belastet. Die Größenordnung, die für die Stadt mit dem Sitz des größten Produktions- und Forschungsstandortes und der Steuerungszentrale bleibt, ist davon ca. 5%.
Zwei andere Gemeinden in Rheinland-Pfalz haben mehr Glück mit ihren örtlichen Unternehmen: Beispielsweise Ingelheim am Rhein mit 34.500 Einwohner:innen, Sitz des Pharmaunternehmens Boehringer Ingelheim. Auch dies ein international agierender Konzern. An Gewerbesteuer konnte Ingelheim2020 satte 266 Mio. -EUR verzeichnen bei einem Hebesatz von 380 Prozentpunkten. Der Konzern zahlte in jenem Jahr 623 Mio. EUR Steuern von Einkommen und Ertrag. Wenn man die Körperschaftssteuer (15% des zu versteuernden Einkommens von 3,1 Mrd. EUR) abzieht, landet man bei einem Betrag, der grob gerechnet den Gewerbesteuereinkünften von Ingelheim entspricht. (Kein Wunder, dass Ingelheim gebührenfreien ÖPNV nachts und an Sonn- und Feiertagen anbietet.)
Die zweite „glücklichere“ Gemeinde ist zurzeit Mainz, Sitz der BioNTech SE mit der Firmenadresse „An der Goldgrube 12“. Dies Unternehmen steigerte seinen Gewinn von minus 146 Mio. EUR in 2020 auf 15,4 Mrd. EUR in 2021. Das ergab 4,7 Mrd. EUR Steuern von Einkommen und Ertrag (30,9%). Davon landeten 1,2 Mrd. EUR in der Stadtkasse. Mainz senkte daraufhin den Gewerbesteuersatz von 440 (bis 2021) auf 310 Punkte und rechnet für 2022 mit 830 Mio. Gewerbesteuereinnahmen. Mainz wird durch diesen Steuerzahler seine gesamte Verschuldung los.
Wie schafft es BASF bei der Gewerbesteuer so zu knausern?
Die vorstehenden Beispiele zeigen, dass der Hebesatz als solcher gar nicht der entscheidende Punkt für den Gewerbesteueranteil der jeweiligen Kommune ist. Viel wichtiger scheint der Basiseffekt zu sein, wie viel von den insgesamt gezahlten Ertragssteuern in der jeweiligen Kommune auftaucht.
Die Grüne EU-Parlamentsfraktion hatte zu dieser Fragestellung im Jahr 2016 eine Studie in Auftrag gegeben, warum z.B. BASF reich und die Stadt Ludwigshafen arm ist.
Sie kommt nach den Worten von Sven Giegold zu folgendem Ergebnis: „BASF hat ein perfides System zur Steuervermeidung aufgebaut. BASF operiert im gleichen Steuersumpf wie Apple oder IKEA. Zu Lasten der normalen Steuerzahler, hat BASF in Europa 923 Millionen Euro am Fiskus vorbeigeschleust. Der Fall BASF zeigt, dass auch unter deutschen Unternehmen Steuervermeidung weit verbreitet ist. Steuerdumping ist kein amerikanisches, sondern ein globales Problem, das vor allem normale Steuerzahler ausbaden müssen. Nach IKEA zeigt nun BASF, dass auch produzierende Unternehmen ausgeklügelte Systeme zum Verschieben von Gewinnen aufgebaut haben, um Steuern zu vermeiden.“ (https://sven-giegold.de/wp-content/uploads/2016/11/ToxicTaxDealsVF2.pdf) Giegold weiter: „Die Bundesregierung und allen voran Finanzminister Schäuble müssen sich für mehr Transparenz und eine bessere Steuergesetzgebung einsetzen. Mit ihrem Widerstand gegen internationale Steuertransparenz, verteidigt die Bundesregierung die Steuervermeidung von Unternehmen wie BASF.” Wie gesagt: Das war 2016. (Die Studie in ihrer vollen Länge: https://sven-giegold.de/wp-content/uploads/2016/11/ToxicTaxDealsVF2.pdf).
Giegolds Schlussfolgerung: „Um Steuervermeidung in den Griff zu bekommen, brauchen wir eine Harmonisierung der Bemessungsgrundlage für die Unternehmensbesteuerung in der Europäischen Union. Letztlich können wir nur mit Mindeststeuersätzen in ganz Europa effektiv und einfach gegen den Steuerwettbewerb vorgehen.“ (a.a.O.)
Wie kommt Ludwigshafen aus dem Sumpf öffentlicher Armut wieder heraus?
Giegolds Hinweise spielen auf europäischer Ebene. Bis es dort vielleicht doch zu Durchbrüchen in die richtige Richtung kommt, könnte es für Ludwigshafen schon zu spät sein.
DIE LINKE im Ludwigshafener Stadtrat fordert schon seit Jahren eine weitere Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes. Sie steht damit allein auf weiter Flur. Als Ablehnungsgrund wird jetzt v.a. genannt, dass man die von der Pandemie gebeutelte mittelständische Wirtschaft gerade jetzt nicht noch mehr schädigen dürfe. Tatsächlich trägt sie einen beachtlichen Anteil der Gewerbesteuer, weil sie die europaweiten Gewinnverschiebungen wie z.B. BASF nicht zur Verfügung hat. Würde der Hebesatz von 425 auf 440 Punkte angehoben werden (wie bisher z.B. in Mainz), erbrächte dies für 2023 gerade mal 5 Mio. EUR mehr. Immerhin! Aber eine Lösung des Grundproblems ist damit nicht zu erreichen. Die inzwischen erfolgte zweimalige Erhöhung der Grundsteuer B von 420 (2021) auf geplante 540 Prozent (2023) erbringt 16,2 Mio. EUR jährlich. Diese Steuererhöhung ist besser als ihr Ruf. Zwar belastet sie auch normale Mieter:innen-Haushalte. Aber z.B. die erheblichen Industrieflächen und große Villenflächen tragen ebenfalls zu diesen Einnahmen bei – ohne steuerkreative Ausweichmöglichkeiten.
Das Land ist gefordert
Dass die ADD erklärt (s.o.) , „es habe zu jeder Zeit gegenseitiges Einvernehmen darüber gegeben, dass der strukturell unausgeglichene Haushalt der Stadt Ludwigshafen am Rhein nicht innerhalb weniger Jahre ausgeglichen werden kann“, heißt nichts anderes, als dass es der Landesregierung offensichtlich gleichgültig ist, ob eine Stadt wie Ludwigshafen mit einer Firma wie BASF an Bord ihren Aufgaben nicht mehr im Sinne einer positiven Stadtentwicklung nachkommen kann oder nicht. Zwar gibt es das Entschuldungsabkommen zwischen dem Land und einigen Kommunen, so auch Ludwigshafen. Aber es erbringt keineswegs das, was notwendig wäre, und was die Kommunen mit ihrem Aufruf forderten: „Raus aus den Schulden – für die Würde unserer Städte“. In der Tat ist die Situation immer noch unwürdig.
Es braucht einen intensiven gesellschaftlichen Diskurs in der Stadt
In Ludwigshafen müsste ein intensiver gesellschaftlicher Diskurs geführt werden und sich hörbar machen zu den Themen: Steuertransparenz BASF, Landes-Entschuldungsprogramm, und warum gerade in der jetzigen finanziellen Krise so vieler Kommunen die „Konsolidierung“ alias Beraubung entscheidender Zukunftspotentiale durchgesetzt werden muss. Der Kommunale Finanzausgleich muss ebenfalls in den Fokus treten; denn es geht um das Verfassungsgebot der Herbeiführung gleichwertiger Lebensverhältnisse überall. Und es geht auch um eine Stadtentwicklung, die die Stadt etwas unabhängiger von big BASF macht. Eine kaputte Innenstadt ist da eine schlechte Option – vielleicht beinhaltet sie aber auch Chancen für eine neue Entwicklung.
Das Jahr 2023 wird für Ludwigshafen und Mannheim spannend
Ludwigshafen: Wird die ADD einen Haushalt akzeptieren, der wenigstens die Unterstützung von Vereinen zulässt, wie es die OB hofft, sowie eine nicht ganz abbrechende Kulturförderung, die für den Charakter Ludwigshafens erhebliche Bedeutung hat? Wird es eine breite politische Diskussion über die oben aufgeworfenen Fragen und noch viel mehr geben? Werden Bund und Land die Entschuldung solcher Kommunen wie Ludwigshafen endlich ernsthaft angehen und die Unternehmensbesteuerung international agierender Konzerne wirksam in Richtung Steuergerechtigkeit regulieren?
Mannheim: Es wird eine neue / ein neuer OB gewählt. Der noch amtierende OB Peter Kurz hat in Mannheim eine Politik befördert, die sich stark mit der sozialen Zusammensetzung der Stadt befasst (mehr qualifizierte Arbeitsplätze mit mehr in Mannheim wohnenden Inhaber:innen solcher Arbeitsplätze). Außerdem die Konzentration der kommunalen Wirtschaftsförderung auf Medizintechnik, Kulturwirtschaft und Musik, Digitalisierung und Existenzgründungsförderung. Auch mit dem BUGA-Prozess versuchte er die Stadtentwicklung voranzutreiben. Alles zusammengefasst in einem “Leitbild Mannheim 2030”. Er hatte stets viel Gegenwind, aber er hatte Ideen, wie sich der einstige Altindustrie-Standort zukunftsfähig weiterentwickeln kann. Dieser Strategie fiel auch manches ausgesprochen Wichtige zum Opfer, z.B. die Schaffung / Sicherung von Wohnraum für wenig und normal Verdienende. Es wird spannend sein, ob überhaupt Kandidat:innen zur Verfügung stehen für die erforderliche “Weiterentwicklung der Weiterentwicklung” und wie das Mannheimer Wahlvolk sich bei der Wahl verhält.
Ludwigshafen muss die Chancen einer Weiterentwicklung ergreifen und Mannheim muss den bisherigen Stillstand mit Abwärtsdynamik der Schwesterstadt mahnend vor Augen haben.
Thomas Trüper