Demo in Mannheim: „Hände weg von Rojava!“ [mit Bildergalerie und Video]
Demonstration in der Mannheimer Innenstadt gegen den Angriffskrieg der Türkei in den kurdischen Gebieten in Nordsyrien.
400 Menschen demonstrierten am Samstagnachmittag des 4. Februar vom Eingang der Planken am Wasserturm über den Paradeplatz und Marktplatz zum Alten Messplatz in der Neckarstadt, um dort die Abschlusskundgebung abzuhalten.
Das Bündnis „Solidarität mit Rojava!“, das die Veranstaltung organisiert, erklärte: „Seit Monaten bombardiert das NATO-Land Türkei die kurdischen Gebiete in Nordsyrien und Nordirak. Der Angriff zielt insbesondere auf die demokratische Selbstverwaltung in Rojava/Nordsyrien. Dabei kommen auch Drohnen und Giftgas zum Einsatz. Seit Monaten schon droht der türkische Machthaber Erdogan unverhohlen mit dem Einsatz von Bodentruppen. In Deutschland aber auch in Mannheim und der Rhein-Neckar-Region, leben viele Menschen mit türkischer und kurdischer Migration. Sie erwarten, dass der türkische Angriffskrieg sofort gestoppt wird.” Die Bundesregierung müsse jegliche Waffenlieferungen an die Türkei einstellen, so ein Sprecher.
Die meisten der demonstrierenden Menschen hatten kurdische Wurzeln, aber es waren auch deutsche, türkische und andere Nationalitäten dabei. Das Bündnis „Solidarität mit Rojava!“ wird u.a. getragen vom Kurdischen Gemeinschaftszentrum MA/LU, der LINKEN, der Antifaschistischen Initiative Heidelberg, Interventionistische Linke Rhein-Neckar, MLPD, ISO und Bündnis gegen Abschiebungen.
Videobeitrag bei Youtube: https://youtu.be/aRWmdMPp8dE
Viele Auflagen, hohes Polizeiaufgebot
Auch diesmal gab es die bei kurdischen Veranstaltungen üblichen hohen Auflagen. Das Zeigen von insgesamt 38 Flaggen und Symbolen war verboten, da diese unter das sogenannte PKK-Verbot von 1993 fallen würden. Darunter zählt auch das Zeigen von Bildern der Person Abdullah Öcalan. Einzig die Flaggen und Symbole der Organisationen von Rojava waren erlaubt, wie die der YPG und YPJ, die als militärische Einheiten der SDF in Nordsyrien die demokratische Selbstverwaltung gegen islamistische Milizen und Angriffe des türkischen Militär verteidigen. Begleitet wurde die Veranstaltung von einem massiven Polizeiaufgebot, das insgesamt mehrere Hundertschaften umfasste. Sogar ein Polizeihubschrauber kreiste über der Innenstadt.
Gute Stimmung…
Das konnte aber die gute Stimmung der Demonstrierenden nur wenig trüben. Viele Transparente, Plakate und Musik vom Lautsprecherwagen, unterbrochen von kurzen Ansprachen an die Passanten, gaben ein buntes Bild ab.
… aber störender Polizeieinsatz
Für Unmut sorgten allerdings mehrere Polizeieinsätze gegen demonstrierende junge Kurden. Anlass war das Zünden von ein oder zwei Rauchtöpfen. Solche Rauchtöpfe mögen nicht jedem gefallen und können als Ärgernis empfunden werden. Allerdings fanden die Veranstalter die polizeilichen Maßnahmen weit überzogen. Aus dem Lautsprecherwagen wurde erfolgreich eine Durchsage gemacht, dass das Entzünden von Rauchtöpfen eingestellt werden sollte, da es sonst Stress mit der Polizei geben könnte.
Es hätte nach dieser Durchsage damit erledigt sein können. War es aber nicht. Statt dessen nahm die Polizei auf Grund der Rauchtopf-Geschichte insgesamt fünf junge kurdischen Menschen für die Personalienfeststellung vorübergehend fest, zwei Personen wurden zum Polizeipräsidium gebracht, da sie keine Ausweisdokumente bei sich hatten. Alle Personen wurden zwar nach der Identitätsfeststellung freigelassen, jedoch überschattete die Polizeiaktion wesentlich die Kundgebung. Nach Meinung der Veranstalter war dies völlig überflüssig.
Doppelbödigkeit deutscher Politik
Auf der Abschlusskundgebung sprach der bekannte kurdische Journalist Luqman Guldive und Gökay Akbulut, Bundestagsabgeordnete der LINKEN aus Mannheim. Bernd Köhler schloss die Veranstaltung mit einigen Liedern musikalisch ab.
Guldive, Redakteur der kurdischen Tageszeitung „Yeni Özgur Politika“, berichtete aus den bedrückenden Lebens- und politischen Verhältnissen in der Türkei und in Rojava. Er verurteilte aber auch die Unterstützung des NATO-Partners Türkei durch die deutsche Bundesregierung, konkret die Kriminalisierung der Kurden auch hierzulande. Er forderte ein Ende des PKK-Verbots und die Freilassung des inzwischen seit 24 Jahren inhaftierten Abdullah Öcalan.
Auch Gökay Akbulut verurteilte die deutsche Türkei-Politik und griff die doppelbödige deutsche Außenpolitik an. Während Putin für seinen Überfall auf die Ukraine verurteilt und mit Sanktionen belegt wird, erfährt der Angriffskrieg Erdogans jegliche Unterstützung, u.a. auch durch Waffen. SPD und Grünen warf sie wegen der Waffenlieferungen Wahlbetrug vor, da diese vor der Bundestagswahl eine restriktive Waffenpolitik versprochen hatten.
Hände weg von Rojava!
Alle Redner/-innen wiesen auf die Errungenschaften der kurdischen Selbstverwaltung in Rojava hin. Wir zitieren hier stellvertretend aus der Rede von Silke Makowski, die bei einer Zwischenkundgebung auf dem Paradeplatz für das Rojava-Bündnis sprach:
„Vor allem aber richtet sich die Aggression der Türkei gegen Rojava und das Projekt des demokratischen Konföderalismus, das die kurdische Bewegung dort aufgebaut hat. Zu den vielen fortschrittlichen Errungenschaften gehören die gleichberechtigte Beteiligung der verschiedenen Bevölkerungsgruppen über alle sprachlichen, kulturellen und religiösen Unterschiede hinweg, die möglichst basisdemokratische Gestaltung und Selbstverwaltung aller gesellschaftlichen Bereiche, die Einbeziehung der Jugend und vor allem die starke Frauenbewegung, die den traditionellen patriarchalen Mustern einen selbstbewussten Gegenentwurf entgegenstellt.
Jin, Jiyan, Azadî – Frau, Leben, Freiheit! Die kurdische Parole, die nun auch von den feministischen Protesten im Iran übernommen wurde, bringt die Ideale der kurdischen Frauenbewegung auf den Punkt.
Mit all diesen Errungenschaften stellt Rojava ein Vorbild für die gesamte Region dar und inspiriert viele linke Bewegungen weltweit.“
(scr, cki)
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